·:Wieder am Punkt Null

ADer Friedensprozess im Nahen Osten ist zusammengebrochen - so jedenfalls sehen es die Palästinenser, so sieht man es auch in Ägypten. Alle Versuche, nach dem Gipfel von Camp David im Juli vorigen Jahres die Verhandlungen fortzuführen, haben zu keinerlei Ergebnissen geführt.

Heiko Flottau

Die letzte Anstrengung, der angebliche Verhandlungsmarathon von Taba Ende Januar, war eine für die israelische Öffentlichkeit bestimmte Inszenierung, die man abbrach, als sie kontraproduktiv wurde - als ein Scheitern drohte.

Von den sieben Tagen, die man mal in lockerem, mal in engerem Verhandlungskontakt stand, ist am Ende nicht viel übrig geblieben: ein Tag wurde mit Verfahrensfragen zugebracht, zwei Tage zogen sich die Israelis zurück, weil im Westjordanland zwei ihrer Landsleute ermordet worden waren.

Dennoch gaben sich beide Seiten, wahrheitswidrig, für die Erklärung her, man sei einer Lösung nahe. Die Palästinenser widmeten Barak dieses Lippenbekenntnis, um seine minimalen Erfolgschancen zu verbessern. Gastgeber Ägypten war in Taba nur mit einem rangniedrigen Beamten vertreten - so als hätte man das Fiasko vorausgesehen.

In Gaza und Ramallah wissen die Menschen, dass keiner der beiden israelischen Generäle, die sich am Dienstag um das Amt des Ministerpräsidenten bewerben, ihr Freund ist. Palästinenserpräsident Jassir Arafat aber zieht Ehud Barak als Verhandlungspartner vor, weil er das Problem lösen will, indem er den Palästinensern einen Staat zugesteht.

Doch weil es dazu wohl nicht kommen wird, steht der Nahe Osten wieder einmal am Punkt Null. "Die Palästinenser reagierten auf das Scheitern des Friedensprozesses mit der Intifada. Die Israelis reagieren mit der Wahl Ariel Scharons." So interpretiert einer der klügsten Köpfe Ägyptens, Mohammed Sid Ahmed, die Situation.

Sid Ahmed ist ein international angesehener Kommentator der Tageszeitung Al-Ahram. Dermaßen besorgt reagiert selbst ein so besonnener Mann wie Sid Ahmed, dass er sich zu der Aussage hinreißen lässt, Scharon sei nicht besser als Saddam Hussein.

Empörung löste in Ägypten auch eine Bemerkung von Avigor Lieberman, einem Berater Scharons, aus. Falls die Ägypter den Sinai militärisch infiltrierten, könnten die Israelis als Vergeltung den Staudamm von Assuan bombardieren, schwadronierte Lieberman.

Eine solche Drohung wird in einem Land, das wie Ägypten seit mehr als zwei Jahrzehnten für den Frieden arbeitet, wie die Umkehrung aller politischen Werte aufgefasst.

Präsident Hosni Mubarak, dessen positivste Eigenschaft seine außenpolitische Besonnenheit ist, demütigte sich fast, als er auf der Kairoer Buchmesse die ägyptische Position klarstellte: "Wir respektieren die Verträge, welche wir mit Israel geschlossen haben."

Und: "Wir lassen uns nicht durch unverantwortliche Äußerungen hinreißen." Um keinen Zweifel an der traditionellen Friedfertigkeit seines Landes aufkommen zu lassen, fügte Mubarak noch an: "Wir haben eine Armee, um uns zu verteidigen, nicht aber um Kriege zu führen."

Doch auch ein Präsident Mubarak, der es gewohnt ist, mit interner Opposition nicht zimperlich umzugehen, stößt an politische Grenzen. Die Rechte der Palästinenser, der Araber, der Muslime in Ost-Jerusalem muss er verteidigen, ob er will oder nicht. Andernfalls stünde ihm eine islamistische Revolution ins Haus, derer er sich kaum würde erwehren können.

Betrübliches Fazit: nun, da Scharon die Macht übernimmt, werden sich die Fronten um Palästina und speziell um Jerusalem noch einmal verhärten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: