Widerstand gegen die Nazis:Tapfere Österreicher

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Es gab nicht nur "heroische Pflichterfüller": Wie eine Minderheit von Österreichern mutig gegen die Nationalsozialisten kämpfte.

Christian Jostmann

Im Oktober 2007 wurde der oberösterreichische Landwirt Franz Jägerstätter seliggesprochen. Als gläubiger Katholik hatte er den Dienst in der Wehrmacht verweigert und war dafür vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt worden.

Ihr Mann wurde 1943 hingerichtet, weil er den Wehrdienst verweigerte. Franziska Jägerstätter bei der Einweihung des Franz Jägerstätter Park im August 2006 in Braunau. (Foto: Foto: dpa)

Er starb am 9. August 1943 im Zuchthaus Brandenburg unter der Guillotine. Nach dem Krieg galt Jägerstätter in seiner Heimat lange als Verräter. Bis weit in die neunziger Jahre wussten die Veteranenverbände seine Seligsprechung zu verhindern.

Auch andere Formen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus fanden im Nachkriegs-Österreich wenig Anerkennung. Zwischen den widersprüchlichen Mythen vom "ersten Opfer" der Hitlerschen Aggression und von der "heroischen Pflichterfüllung" österreichischer Männer an der Front war für den Widerstand im öffentlichen Gedenken kaum Platz.

Und das, obwohl etliche Gründer der Zweiten Republik KZ-Häftlinge waren und die Neugründung Österreichs als souveräner Staat sich auf die Moskauer Deklaration der Alliierten von 1943 berief, die von den Österreichern einen aktiven Beitrag zu ihrer Befreiung verlangt hatte.

Aus eigener Initiative gründeten überlebende Widerstandskämpfer in den sechziger Jahren in Wien das "Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands" (DÖW), das seither enorme Aktivitäten entfaltet hat, nicht nur in der Sammlung relevanter Quellen und deren Auswertung, sondern auch auf dem Gebiet der Aufklärung und Bildung.

Illegales Radiohören, Sabotage, Partisanenkampf

Neben NS-Opfern arbeiten auch Fachleute mit, Historiker wie Wolfgang Neugebauer, der seit 1970 dabei ist und lange als wissenschaftlicher Leiter des DÖW fungierte.

Er hat nun ein Handbuch geschrieben, das die Vielfalt des Kampfes gegen den Nationalsozialismus in Österreich eindrucksvoll vor Augen führt.

Das DÖW und Neugebauer arbeiten mit einem weiten Begriff von Widerstand, der jede Form der Opposition würdigt, vom illegalen Radiohören über Hilfe für Verfolgte bis zu Sabotage und Partisanenkampf. Auch diesen gab es in Österreich, in Gestalt der slowenischen "Befreiungsfront", die den Nazis in Kärnten schwer zusetzte und am 8.Mai 1945 gleichzeitig mit den Briten in Klagenfurt einzog.

In Tirol glückte Anfang Mai eine gut organisierte Erhebung, die die kampflose Übergabe Innsbrucks durchsetzte. Solche Erfolge waren aber die Ausnahme.

Der österreichische Widerstand stand, nicht anders als der deutsche, auf verlorenem Posten gegenüber dem Naziregime, das von der Mehrheit der Österreicher getragen wurde.

Aber eben nicht von allen: Zehntausende landeten in Gefängnissen und Lagern des Dritten Reiches. Etwa die "Revolutionäre Sozialistin" Rosa Jochmann, die schon vor 1938 unter dem Austrofaschismus illegale Parteiarbeit geleistet hatte und die sich im KZ Ravensbrück als Blockälteste einen legendären Ruf erwarb.

Bis zu 5000 Österreicher bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben, etwa der Architekt Herbert Eichholzer, der 1938 flüchtete, dann zurückkehrte, um die zerschlagene KPÖ wieder aufzubauen.

Auch die Kaisertreuen wagten ihr Leben

Nicht nur Linke, auch Katholiken, Christlichsoziale und Monarchisten setzten ihr Leben aufs Spiel: Ordensleute wie Anna Bertha von Königsegg, die sich dem Euthanasieprogramm widersetzte, oder der Priester Karl Roman Scholz, der circa hundert junge Menschen in einer "Österreichischen Freiheitsbewegung" organisierte.

Andere Gruppen wie die "Illegale Österreichische Kaisertreue Front" wollten die Habsburger wieder auf den Thron bringen. Auch die Verschwörer um Stauffenberg hatten, was in Deutschland kaum bekannt ist, in Wien ihre Verbindungsleute um den Major Carl Szokoll, die am 20. Juli 1944 mehrere führende NS-Funktionäre vorübergehend festnahmen.

Ob alle Motive und Pläne heutigen Normen entsprechen, kann, wie Neugebauer zu Recht anmerkt, nicht Grundlage für ihre Beurteilung durch uns Nachgeborene sein, ebenso wenig wie ihr Misserfolg. Dennoch liegt die Bedeutung des österreichischen Widerstands für den Autor nicht nur im rein Ethischen oder Symbolischen.

Der Kampf gegen den Nationalsozialismus habe als Katalysator für die Ausbildung einer eigenen, von Deutschland abgegrenzten österreichischen Identität gewirkt und damit zur Stabilisierung der Zweiten Republik beigetragen.

Wolfgang Neugebauer: Der österreichische Widerstand 1938-1945. Edition Steinbauer, Wien 2008. 286 Seiten, 22,50 Euro.

© SZ vom 20.10.2008/liv/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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