WHO:Deutschland muss helfen

Bei aller Kritik: Die Welt braucht die Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen jetzt mehr denn je. Sie darf nicht zulassen, dass US-Präsident Donald Trump sie in den Ruin treibt.

Von Daniel Brössler

Außenminister Heiko Maas hat kürzlich veranschaulicht, warum es eine schlechte Idee ist, der Weltgesundheitsorganisation mitten in der Corona-Pandemie weniger Geld zukommen zu lassen. Dies sei so, sagte er, als werfe man während des Fluges den Piloten aus dem Flugzeug. Mit anderen Worten: Der deutsche Außenminister hält die Politik von US-Präsident Donald Trump gegen die WHO und den von ihm verfügten Zahlungsstopp für verrückt - und sagt es auch. So zeigt sich, dass die Pandemie länger bestehende Konflikte nicht verschwinden, sondern noch akuter werden lässt. Die Krise des Westens erschwert den effektiven Kampf gegen die Pandemie. Und die Pandemie verschärft die Krise des Westens. Maas hat nur ausgesprochen, was mittlerweile schon als neue Normalität zu gelten hat: An der Spitze der Führungsmacht USA kann - zumindest nach herkömmlichen Maßstäben - kein rationales Verhalten mehr vorausgesetzt werden.

Leicht ist es, die aus Nationalismus, Laune und wahltaktischem Kalkül gespeisten Attacken Trumps gegen internationale Organisationen als falsch zu geißeln. Deutlich schwerer ist es - nicht erst seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie -, darauf die richtige Antwort zu finden. Grundsätzlich kann sie nicht darin bestehen, jeden Scheck zu begleichen, den Trump platzen lässt. Für den Mann im Weißen Haus wäre das einer seiner so heiß ersehnten Siege. Jeder Dollar, den die USA sparen und den andere zahlen, wird sich Trump bei seinen Wählern gutschreiben lassen. Überdies wäre es ein Beispiel, dem andere nur zu gerne folgen werden. Der Druck, entsprechend der Wirtschaftskraft finanzielle Verantwortung in der Welt zu übernehmen, würde sinken.

Im akuten Kampf gegen die Pandemie helfen solche grundsätzlichen Überlegungen allerdings nicht weiter. Spinnt man den Maas-Vergleich ein wenig weiter, ergibt sich daraus die Entscheidung, vor der die deutsche Politik nun steht. Wer will, dass der Pilot weiterfliegt, muss ihn auch bezahlen - jedenfalls bis er sicher gelandet ist. Im Kampf gegen Covid-19 heißt das: Bis keine Medizin und kein Impfstoff gefunden ist, darf die WHO keinesfalls geschwächt werden. Das gilt insbesondere wegen der Lage in Afrika. Ein Virus, das Industrienationen wie die USA, Italien und Spanien an die Grenzen und darüber hinaus bringt, hat das Zeug, in Afrika ganze Staaten kollabieren zu lassen.

Schon deshalb kann es sich die Welt nicht leisten, der deprimierenden Dummheit Trumps zu folgen. Selbst wenn einzelne seiner Kritikpunkte berechtigt sind, wofür einiges spricht, kann die Lösung nicht darin bestehen, die WHO durch Geldentzug zum Scheitern zu verurteilen.

Entwicklungsminister Gerd Müller hat also vollkommen recht, wenn er nun eine Stärkung der WHO für die Zukunft, also auch für künftige Pandemien, fordert. Weil Müller aber nicht für Luxemburg spricht oder Estland, ist auch klar, was daraus folgt. Als größte Volkswirtschaft Europas ist Deutschland gefordert, wenn es darum geht, die Weltgesundheitsorganisation am Laufen zu halten.

Geopolitisch ist dies auch schon ein Teil der Antwort auf den vermutlich nicht nur temporären Rückzug der USA aus internationaler Verantwortung. Wer wie Trump einen zu starken Einfluss Chinas auf die WHO beklagt und sie bezichtigt, zu Beginn der Epidemie große Fehler gemacht zu haben, darf der Führung in Peking nicht das Feld überlassen.

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