Whistleblower-Schutz:Gefahr für deutsche Snowdens
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Deutschland fehlen laut einer Studie von Transparency International klare Gesetze zum Schutz von Informanten. Die Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Snowden böten Anlass genug, die Rechtslage zu überprüfen. Die Union wird eine Änderung aber wohl blockieren.
Von Johannes Kuhn
Was würde ein deutscher Edward Snowden tun? Würde er sein Wissen über illegale Spionage-Methoden an Medien oder die Staatsanwaltschaft weitergeben? Oder wäre das Risiko für ihn zu groß, ähnlich wie in den USA verfolgt zu werden? Einem aktuellen Bericht von Transparency International zufolge könnten Informanten wie er nicht unbedingt damit rechnen, geschützt zu sein.
Fehlende Gesetze, unklare Rechtsprechung und Lücken im Arbeitsrecht: Die Transparency-Analyse der Gesetze in Europa bescheinigt Deutschland Mängel im Umgang mit Whistleblowern, also Informanten, die auf Missstände, Gesetzesverstöße und Korruption in Unternehmen oder Behörden aufmerksam machen.
Hierzulande genießen der Studie zufolge nur Beamte einen guten Schutz vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Sie dürften sich beispielsweise bei Korruptionsverdacht direkt an die Staatsanwaltschaft wenden. Für Tarifangestellte im öffentlichen Dienst und Arbeitnehmer der Privatwirtschaft gilt das nicht - sie müssen nach dem Prinzip der Loyalität zum Arbeitgeber Probleme erst intern ansprechen, auch wenn sie damit ihre Karriere riskieren. Wer als Arbeitnehmer in Deutschland auf Missstände hinweise, so deshalb die Schlussfolgerung von Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, "begibt sich auf Glatteis".
"Aversion gegenüber diesem Problem"
Insgesamt bieten in der EU nur Luxemburg, Rumänien, Slowenien und Großbritannien Whistleblowern guten Schutz. Deutschland landet im Mittelfeld - für Johannes Ludwig vom Verein Whistleblower-Netzwerk ist das sogar eine äußerst positive Interpretation der gegenwärtigen Verhältnisse: "Wir haben hier nichts, wirklich nichts. Es gibt eine ausgesprochene politische Aversion und Gleichgültigkeit gegenüber diesem Problem - und das, obwohl internationaler Druck da ist."
In der Tat mahnen die OECD und die G-20 und schon seit Jahren, dass Deutschland seine Gesetze für Informantenschutz verbessern soll. Die schwarz-gelbe Bundesregierung lehnte es aber ab, hier aktiv zu werden und verwies auf die bestehenden Gesetze und die Rechtsprechung.
So hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Kündigung einer Altenpflegerin wegen Whistleblowings für rechtswidrig erklärt, weil dies gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstoße. Das Bundesarbeitsgericht urteilte vor zehn Jahren, dass Beschäftigte Missstände publik machen dürfen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie diese zunächst intern angesprochen haben und sich dennoch nichts geändert hat.
Die SPD fordert in ihrem Wahlprogramm eine genauere gesetzliche Regelung zum Informantenschutz, stößt dabei aber in den Koalitionsverhandlungen aktuell offenbar auf Widerstand. "Wir werden keinen Schutz für Denunzianten schaffen", zitiert der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber auf seiner Facebook-Seite einen Unions-Teilnehmer der Gespräche und beklagt eine "Totalblockade" durch CDU/CSU.
Gesetze helfen nicht immer
Andere Länder wie Irland, die Niederlande, Dänemark und Griechenland wollen in den kommenden Wochen und Monaten neue Whistleblower-Gesetze verabschieden. Diese sollen nicht zuletzt dazu führen, dass Korruptionsfälle schneller aufgedeckt werden können. Die EU-Kommission lehnte jüngst dennoch einen Antrag von Europaparlamentariern ab, Vorschriften für einen EU-weiten Whistleblowerschutz auf den Weg zu bringen.
Allerdings würden auch neue Regelungen nicht zwangsläufig bedeuten, dass Informanten wie Edward Snowden künftig per se straffrei ausgehen würden. So haben die USA bereits starke Gesetze zum Schutz von Whistleblowern, wenden diese aber im Falle des NSA-Enthüllers nicht an. Die Logik: Der 30-Jährige habe keine Gesetzesverstöße aufgedeckt, sondern vielmehr Staatsgeheimnisse verraten.
Mit Material von AFP.