Seine Motivation? Das sei die Sorge um das Versicherungssystem in Deutschland gewesen, das irgendwann zusammenbreche, weil die Kosten explodierten. So formuliert es Robert Herold in seiner Dankesrede. An diesem Donnerstag erhielt er den Europäischen Whistleblower-Preis der gemeinnützigen Organisation „Blueprint for Free Speech“, die Hinweisgeber weltweit auszeichnet. „Unsere Jury war besonders beeindruckt von Herolds Integrität angesichts des erheblichen finanziellen und bürokratischen Drucks, Stillschweigen zu bewahren“, heißt es in der Begründung der Organisation.
Herold war vor zwei Jahren an SZ, WDR und NDR herangetreten, um Preislisten von Krebsmedikamenten zu zeigen, die ihm Pharma-Großhändler über Jahre geschickt hatten. Die Preislisten belegten erstmals, wie günstig Apotheker wie er viele Wirkstoffe für Krebsinfusionen, sogenannte Zytostatika und monoklonale Antikörper, einkaufen können – und wie viel mehr Geld die gesetzlichen Krankenkassen ihnen erstatten.
500 Millionen Euro Einsparpotenzial jedes Jahr
Bei manchen Wirkstoffen können Apotheker 1000 Euro und mehr nebenher verdienen mit einem einzigen Infusionsbeutel, den sie im Labor patientenindividuell zubereiten. Obwohl sie dafür von den Kassen bereits eine Herstellungspauschale bekommen, die eigentlich die Kosten der Zubereitung sowie den Gewinn abdecken soll.
SZ, WDR und NDR berichteten über diese enormen Zusatzgewinne im Juli 2023 und errechneten, dass die Kassen jedes Jahr etwa 500 Millionen Euro sparen könnten, wenn sie nur die tatsächlichen Einkaufspreise für die Wirkstoffe erstatten. Diese Summe scheint besonders relevant zu sein in Zeiten, in denen der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen (GKV) das Defizit für 2024 auf mindestens vier Milliarden Euro schätzt.
Dass sein Schritt an die Öffentlichkeit negative Konsequenzen für ihn haben könnte, ahnte Robert Herold. Und tatsächlich wurde er nach der Berichterstattung aus einem Apothekenverbund ausgeschlossen, in dem er Gesellschafter war. Einer der Mitgesellschafter, Klaus Peterseim, war damals auch der Präsident des Verbands der Zytostatika herstellenden Apotheken (VZA), der die Interessen der rund 250 Apotheken vertritt, die an den Krebsinfusionen verdienen, weil nur sie einen sogenannten Reinraum haben. Dabei handelt es sich um ein spezielles Labor für die Zubereitung der Infusionen.
Der VZA behauptete in einer Stellungnahme zu den kritischen Berichten der SZ und ihrer Partner zudem, dass Herolds Labor nicht dem „Stand der Technik“ entspreche. Die sächsische Landesapothekerkammer, für die Herold als Fortbildungsreferent tätig war, beendete die Zusammenarbeit mit ihm.
Herold sagt, dass er trotz allem keine Umsatzeinbußen verzeichnet habe, auch weil seine Kundinnen und Kunden in Falkenstein, einem Ort in Südsachsen, ihm treu geblieben seien. Über den Whistleblower-Preis freue er sich. „Noch lieber hätte ich es aber gesehen, wenn sich politisch etwas bewegt hätte.“
Gesundheitsminister Lauterbach: „Kein haltbarer Zustand“
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte im Juli 2023 gegenüber SZ, WDR und NDR erklärt, dass die enormen Zusatzgewinne der Apotheker „kein haltbarer Zustand“ seien und ein Problem, „was wir auch regulatorisch angehen müssen“. In einem Referentenentwurf für ein Apotheken-Reformgesetz wurden daraufhin auch einige Absätze zu den Krebsinfusionen verfasst. Vereinfacht gesagt soll das Abrechnungssystem allerdings so bleiben, wie es ist.
Die Kassen sollen nur schneller erfahren, wie hoch die tatsächlichen Einkaufspreise für die Wirkstoffe sind, welche die Apotheker bezahlen, um ihre Erstattungsbeträge schneller diesen tatsächlichen Preisen anpassen zu können.
Herold hätte sich eine weitreichendere Reform gewünscht: „Der Entwurf ist zu schwach“, sagt er. „Sinnvoll wäre es doch, wenn wir Apotheker in jedem einzelnen Fall nur den Betrag erstattet bekommen, den wir für die Wirkstoffe bezahlt haben.“ Er wolle Medikamente zubereiten, nicht damit handeln.
Ein mögliches Apotheken-Reformgesetz liegt nun ohnehin erstmal auf Eis: Ob es nach den Neuwahlen noch mal Thema wird, ist ungewiss.