Süddeutsche Zeitung

Westerwelle: Zwist mit Guttenberg:Problemfall FDP - Guido gegen den Rest der Welt

Endspiel für Guido Westerwelle: Kaum einer wettet, dass der FDP-Chef das Frühjahr politisch überlebt. Zu seiner eigenen Rettung riskiert der Außenminister sogar Streit mit Verteidigungsminister Guttenberg - und verspricht einen Truppenabzug, der so schnell wohl gar nicht kommt.

Thorsten Denkler

Er hätte sich das sparen können, dieses aufgesetzte Lob. In der Debatte um den Afghanistan-Einsatz am Donnerstagvormittag im Bundestag, gegen Ende seiner Regierungserklärung, lobte der FDP-Star a. D. die vielen Parlamentarier und Minister, die sich vor Ort ein Bild von der Lage gemacht haben.

Da lachen einige auf. Sie haben die Bilder von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit seiner Frau Stephanie vor Augen, ein attraktives Power-Paar der Politik, das sich gemeinsam in Afghanistan informierte. Der Bilderflut von Bild bis Bunte entgeht kein Abgeordneter.

Guido Westerwelle aber, der Afghanistan-Redner dieses Tages, sieht sich genötigt, die Frau seines Intimfeindes zu verteidigen. Die Kritik an Stephanie zu Guttenberg nennt der Liberale mit gespielter Empörung "unanständig".

Doch nach seiner Rede gibt es keinen Handschlag vom smarten Chef der Truppe, kein dankender Gruß von Guttenberg, dem Kümmerer von Kundus.

Erstaunlich ist da nicht. Der Verteidigungsminister von der CSU ist sauer auf den Außenminister, der ihm in Sachen Krieg die Show gestohlen hat. Verzweifelt hat Westerwelle im Reichstag versucht, seiner schon chronischen Unbeliebtheit im Volk etwas entgegenzusetzen.

Wie ein Befreiungsschlag wirkt es, wenn der FDP-Chef verspricht, Ende 2011 werden die ersten deutschen Truppenteile aus Afghanistan abziehen. Er trifft damit das Empfinden der meisten Deutschen. Die würden lieber heute als morgen die deutschen Soldaten abziehen. Vielleicht danken ihm die Bürger ja seine vermeintliche Klarheit, so Westerwelles Kalkül. Und vielleicht ist er nicht länger der Schattenmann der deutschen Politik im Gegensatz zum flotten Freiherrn aus Bayern, dem Sonnyboy aus dem Schloss, dem die Herzen zufliegen.

Es gibt nur ein einziges Probleme: Klar ist rein gar nichts an dem, was Guido Westerwelle im Parlament verkündet. Der Plan scheint mit dem Ressortminister Guttenberg nicht abgestimmt zu sein. Der Verteidigungsminister hält einen Beginn des Abzugs frühestens 2012 für möglich. Das hat er in den vergangenen Tagen mehrfach erklärt.

Guido Westerwelle ist wohl zu stark unter Beschuss, als dass er sich diesen Punkt nehmen lassen will. Diesen Triumph, die frühe Heimkunft der Soldaten zu verkünden.

In seiner Partei scheinen alle Dämme zu brechen. Da erklärt FDP-Vorstand Wolfgang Kubicki frank und frei, nur der akute Mangel an Alternativen sei es, weshalb sich Westerwelle noch im Amt des Parteichefs halten könne. Wenn aber die ersten Wahlen Anfang 2011 für die FDP vergeigt werden, dann erwarte er, dass Westerwelle auf dem Parteitag im Mai nicht mehr antrete.

Noch schlimmer könnte sich für Westerwelle herausstellen, was sich am Dienstag im wirtschaftliberal und konservativ ausgerichteten "Schaumburger Kreis" im Beisein von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle zugetragen hat. Angeblich haben die Mitglieder offen darüber debattiert, ob Westerwelle nicht schon auf dem Dreikönigstreffen der Liberalen am 6. Januar in Stuttgart seinen Rücktritt erklären könne. Parteichef könnte als Übergangslösung der inzwischen profiliertere Minister Brüderle werden.

Vielleicht, so wird spekuliert, sollte Westerwelle dann besser auch gleich sein Außenamt zurückgeben. Der Politprofi aus Bonn, der Meistertaktiker von einst, ein Zampano auf Abruf?

Dass die Mitglieder des Schaumburger Kreises nicht zu den Jüngern Westerwelles gehören, ist bekannt. Neu aber ist, dass überhaupt etwas aus den ansonsten sehr geheimen Runden dieses einflussreichen Kreises nach außen dringt. Beobachter glauben, die Inhalte des Treffens seien gezielt durchgestochen wurden, um Westerwelle zu schaden.

Und dann noch dieses: Nicht einmal Wahlkämpfer der geschundenen Partei mit dem schönen Gelb in ihren Broschüren wollen mehr etwas vom Parteichef Westerwelle wissen. In Rheinland-Pfalz geht FDP-Spitzenkandidat Herbert Mertin sogar offen auf Distanz. Westerwelle sei "seit Monaten ein Klotz am Bein der FDP", erklärt er - ein mögliches Desaster bei der Landtagswahl fest im Blick. In Baden-Württemberg wiederum fordern FDP-Spitzenleute in einem offenen Brief ihren Guido Westerwelle zum Rücktritt auf.

Die Zeit der Dankbarkeit für den historischen Wahlsieg 2009 ist vorbei.

Aber was kommt nach Westerwelle? Rainer Brüderle wäre ein Übergangskandidat. Vielleicht. Bestenfalls. Aber das Ego des einstigen FDP-Problembären ist nicht zu unterschätzen. Er würde auch Papst werden, wenn sich die Möglichkeit böte. Und Generalsekretär Christian Lindner ist mit 30 Jahren wohl noch zu jung für den Job.

Mit Blick auf das Bundestagswahljahr 2013 geht es in der FDP jetzt vor allem darum, Ruhe zu bewahren. Das Superwahljahr 2011 ist für die Liberalen ohnehin so gut wie verloren. Eine Überlegung: Diese Niederlagen kassiert einfach noch einmal Westerwelle, er nimmt die ganze Schmach auf sich - und macht am Tiefpunkt Platz für neues Personal, das wieder Glanzpolitur auftragen kann. Guido Westerwelle aber ist keiner, der sein Amt freiwillig abgibt - und dann als Total-Gescheiterter in die Geschichte eingehen würde. Seine Gegner werden stärkere Geschütze auffahren müssen als ein paar fiese Interviews zu geben. Schon geistert das Wort vom Putsch durch die FDP.

Guido Westerwelle sollte das nicht überraschen. Er ist 2001 selbst Parteivorsitzender geworden, als er Wolfgang Gerhard aus dem Amt hinauskomplimentierte.

Putschisten gäbe es in der FDP derzeit genug. Was fehlt, ist ein klarer Anführer. Dieser Mangel ist das Einzige, was den Parteichef im Moment noch schützt. Dass er sich mit Karl-Theodor zu Guttenberg, dem Darling der Deutschen anlegt, nutzt ihm dagegen rein gar nichts.

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