Westerwelle und Fischer:Vizekanzler und Erzrivalen

Westerwelle macht alles falsch, was Joschka Fischer richtig gemacht hat: Alles bei ihm ist vordergründig. Im Hintergrund bildet er mit Merkel zwar ein Duo - aber es funktioniert nicht.

Nico Fried

Am Freitag hat sich Guido Westerwelle mal wieder zum Sozialstaat geäußert. Auf den Fernsehbildern war er vor einer blauen Wand mit dem Schriftzug Auswärtiges Amt zu sehen. Der FDP-Chef nutzte den Hintergrund seines Ministeriums zur optischen Aufwertung seines Auftritts. Das ist keineswegs verboten, wenn auch nicht gerade üblich. Im Fall von Guido Westerwelle aber sagt es sogar etwas aus: Das Auswärtige Amt ist für ihn eine schöne Kulisse, in der sich der Innenpolitiker inszenieren kann.

Westerwelle und Fischer: Guido Westerwelle - Äußerungen zur Innenpolitik im Auswärtigen Amt.

Guido Westerwelle - Äußerungen zur Innenpolitik im Auswärtigen Amt.

(Foto: Foto: dpa)

Der letzte Außenminister und Vizekanzler, der den gleichen Weg gekommen ist wie Westerwelle, war Joschka Fischer. Der Vergleich drängt sich auf in diesen Tagen, da sich das Land wieder an eine Koalition mit einem größeren und einem kleineren Partner gewöhnen darf; an eine Regierung, die sich einem gesellschaftlichen Lager zuordnet, ähnlich wie damals Rot-Grün.

Der Vergleich ist auch interessant, weil es wenige Politiker gibt, die sich in manchem durchaus so ähnlich sind wie Westerwelle und Fischer - und sich zugleich gegenseitig so abgrundtief verachten, auch wenn die beiden inzwischen angeblich miteinander reden, quasi von Außenminister zu Außenminister.

Wie 1998 für Fischer, so ist jetzt auch für Westerwelle mit Koalition und Regierungsamt ein lange gehegter Traum in Erfüllung gegangen. Fischer musste viele Jahre auf Rot-Grün hinarbeiten, Westerwelle fast genauso lange auf Schwarz-Gelb. Fischer und Westerwelle waren zuvor als Redner die härtesten Kritiker der jeweiligen Regierungen, leidenschaftliche Innenpolitiker. Beide mussten plötzlich den Schritt ins Regierungsamt schaffen, Seriosität ausstrahlen, international das Staatsmännische verkörpern.

Allerdings: In der öffentlichen Wahrnehmung war Fischer seiner Partei voraus. Er galt als regierungsfähig, während die Grünen noch mit Skepsis betrachtet wurden. Fischer erreichte als Außenminister schnell hohe Glaubwürdigkeit, obwohl er manchmal das Gegenteil von dem tat, was er einst vertreten hatte. Doch mit hohen Sympathiewerten bedachten die Bürger ihn eben auch, weil Fischer es verstand, ihnen die Furcht vor den Grünen als Regierungspartei zu nehmen.

2010 ist es umgekehrt: Die FDP hat eine Tradition als Regierungspartei, die Skepsis richtet sich gegen ihren Spitzenmann. Westerwelle sieht sich liberaler Außenpolitik verpflichtet und will innenpolitisch seine Versprechen halten - trotzdem schafft es die FDP nicht, den Bürgern die Sorge vor ihm zu nehmen.

Fischer hat den Schritt vom Oppositions-Rambo zum Regierungsmitglied seinerzeit äußerlich dokumentiert, indem er in den vielbespöttelten Dreiteiler stieg. Es war auch ein Symbol für seinen Rückzug aus der öffentlichen Innenpolitik. Aber natürlich bildete der Vizekanzler von den ersten Tagen an im Hintergrund mit Gerhard Schröder das im Wortsinn entscheidende Duo für die Koalition.

Fischers gesammeltes Wirken war darauf ausgerichtet, die Regierungsfähigkeit der rot-grünen Koalition unter Beweis zu stellen. Er zwang seine Partei sogar in Identitätsfragen zu Kompromissen, innenpolitisch beim Atomausstieg, außenpolitisch - noch gravierender - mit der Teilnahme am Krieg im Kosovo. Wenn Rot-Grün für Fischer jemals einen Projektcharakter hatte, dann bestand er darin, dass man das Vorurteil der Konservativen, die Linke könne nicht regieren, nicht leichtfertig bestätigen dürfe.

Außenminister Westerwelle arbeitet an sich. Der Innenpolitiker aber macht weiter wie bisher. Er richtet sich nicht an der Regierung aus, sondern nur am Wohl der FDP. Er zwingt seine Partei zu nichts, sondern ermutigt sie sogar darin, sich als kleinerer Partner besonders groß aufzublasen.

Alles bei Westerwelle ist vordergründig, taktisch. Ein Umfragenplus von zwei Prozent reicht zur Legitimation einer fragwürdigen Debatte. Und im Hintergrund bildet Westerwelle mit Merkel zwar ein Duo - aber eben nur eines, das nicht funktioniert.

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