Westerwelle übernimmt Vorsitz im UN-Sicherheitsrat:Der Minister von der traurigen Gestalt

Nach seinem Abgang als Parteichef und Vizekanzler hätte Westerwelle alle Chancen gehabt, sich als Außenminister neu zu erfinden. Diese Chancen hat er nicht genutzt.

Thorsten Denkler, Berlin

Berlin, Flughafen Tegel, Abflugterminal nach Stuttgart, ein Freitagnachmittag. Bundestagsabgeordnete aus dem Südwesten stehen Schlange für den Heimflug. Es ist die Woche zwei nach dem FDP-Parteitag in Rostock und damit die Woche zwei für Guido Westerwelle als Nur-noch-Außenminister. Die Abgeordneten am Flughafen tuscheln über den ehemaligen FDP-Chef. Das Wort "Mitleid" fällt, und das Westerwelle gegenüber dem Rösler ja wohl auf jeden Fall der bessere Redner sei. Sie wundern sich, dass er sich das antut. Außenminister bleiben.

Bundestag

Auch als Nur-noch-Außenminister findet Guido Westerwelle seine Rolle nicht. "Jeder blamiert sich, so gut er kann", stichelt die Opposition.

(Foto: dapd)

Da sind sie nicht die Einzigen. Der ausschlaggebende Grund, weshalb Westerwelle das Amt nicht auch noch abgeben musste war: Mitleid. Zum Standardsatz der Spötter wurde: Da behält einer den Job des Außenministers, den er erkennbar noch weniger beherrscht als das Amt des Parteivorsitzenden.

Im Plenum des Bundestages sitzt zwischen ihm und der Kanzlerin jetzt Wirtschaftsminister Philipp Rösler auf der Regierungsbank, der neue FDP-Chef und Vizekanzler. Wichtige Reden hält Westerwelle nicht mehr. Er ist zum Zuschauen verdammt. Für den Mann, der die FDP mit seiner geschliffenen Rhetorik aus den traurigen Jahren der Opposition glanzvoll in eine schwarz-gelbe Koalition geführt hat, bedeutet das unendliches Leiden.

Nun freut sich Westerwelle über jede Abwechslung, bei der er wieder im Mittelpunkt stehen kann. Seit Juli hat Deutschland für einen Monat turnusgemäß den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. An diesem Dienstag wird Westerwelle erstmals die Sitzung leiten. Der Südsudan wird in der Sitzung als das 193. Land der Erde in die Familie der Vereinten Nationen aufgenommen. Westerwelle will bei der seltenen Zeremonie unbedingt dabei sein.

Seit ihn die Partei durch einen neuen Vorsitzenden und Vizekanzler ersetzt hat, sind zwei Monate vergangen. Zwei Monate, in denen er sich, wie er immer wieder betont hat, voll und ganz auf das Amt des Außenministers konzentrieren wollte. Wohl auch um seinen Widersachern zu zeigen, dass er es kann.

Dafür aber hätte der 13. Mai, der Tag der Wahl von Rösler zum Parteichef, für Westerwelle ein Tag des Neuanfangs sein müssen. Er hätte an diesem Tag beginnen müssen, sein Amt ernst zu nehmen, hätte die Menschen durch Standhaftigkeit überzeugen müssen.

Versucht hat er das schon vorher, nur gelungen ist es ihm nicht. Als der chinesische Künstler Ai Weiwei festgenommen wird, eröffnet Westerwelle in Peking eine weichgespülte deutsche Ausstellung. Bundestagspräsident Norbert Lammert meint später, das hätte Westerwelle angesichts der Lage besser lassen sollen.

Schon zu Beginn seiner Amtszeit stapft er in diplomatische Fettnäpfchen. Auf seine ersten Auslandsreisen nimmt er verdiente Parteifreunde und Spender mit, dass es einem Feudalherren zur Ehre gereicht hätte. Als größte Fehlleistung aber wir die deutsche Enthaltung zur Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat gewertet. Aus dem Kanzleramt wird kolportiert, es sei schwer gewesen, Westerwelle von noch Schlimmerem, gar einem Nein abzuhalten. Mit der Enthaltung hat er Deutschland von den engen Verbündeten Frankreich, Großbritannien und den USA isoliert und die Bundesrepublik in eine Reihe mit Russland und China gestellt.

Königsdisziplin: Glaubwürdigkeit verspielen

Auch in den Reihen der Regierungsfraktionen anerkannte SPD-Außenpolitiker wie Gernot Erler vermögen nicht zu erkennen, wo die Linien der deutschen Außenpolitik sich verstecken. In einem Interview mit der Berliner Zeitung sollte er beschreiben, wie er die bisherige Amtszeit Westerwelles beschreiben würde. "Keine berichtenswerten Vorkommnisse", antwortete Erler. "Leider."

Das stimmt nicht ganz. Im negativen Sinne leistet sich die deutsche Außenpolitik auch nach Westerwelles Demission als Parteichef und Vizekanzler einiges an berichtenswerten Vorkommnissen.

Als Ende Juni die ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin stattfanden, wurde die Menschenrechtsfrage kaum angesprochen. Ganz im Sinne der chinesischen Seite, die sich hofiert wie selten fühlen durfte. Es war das erste Mal, dass eine deutsche Regierung mit einem nicht demokratischen Staat solche Konsultationen einging. Zu den wichtigsten Botschaften gehören die milliardenschweren Aufträge für die deutsche Wirtschaft.

Zum Skandal weitet sich gerade die mutmaßliche Lieferung von 200 Leopard-2-Panzern aus deutscher Produktion nach Saudi-Arabien aus. Ausgerechnet in eines dieser autokratischen arabischen Länder, das jede Opposition im Keim erstickt. Ausgerechnet mitten in der arabischen Freiheitsbewegung.

Er wollte als der Außenminister in Erinnerung bleiben, der für Abrüstung eintritt und Menschenrechte. Wertegebundene Außenpolitik nannte er das. Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Um Menschenrechte soll es auch in diesem Juli gehen, da Deutschland dem UN-Sicherheitsrat vorsitzt. Dafür ist von deutscher Seite eine eigene Resolution vorbereitet worden. Westerwelle aber macht mit dem Panzer-Deal das, was er in Regierungszeiten anscheinend perfektioniert hat: Glaubwürdigkeit verspielen.

Westerwelle wirkt wie der Ritter von der traurigen Gestalt. Er hat kein Glück. Manche sagen, er kann es auch einfach nicht. "Jeder blamiert sich, so gut er kann", stichelt SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

Es wird immer unwahrscheinlicher, dass Westerwelle seine Rolle als Außenminister noch so definiert, dass er irgendwann einmal in einem Atemzug mit seinen Vorgängern Hans-Dietrich Genscher und Walter Scheel genannt werden könnte.

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