Süddeutsche Zeitung

Nach dem Dreikönigstreffen:Mehr FDP, weniger Westerwelle

Parteichef Westerwelle ist zum Edmund Stoiber der FDP geworden, daran ändert auch seine routinierte Rede auf dem Dreikönigstreffen nichts. Die Partei und der politische Liberalismus brauchen einen neuen Vorsitzenden.

von Heribert Prantl

Es gab eine Zeit, da brauchte im Kabarett nur der Name Stoiber genannt werden - und das Publikum begann zu lachen. Das war zwar höchst ungerecht gegenüber einem Politiker, der die CSU modernisiert und der für sie die höchsten Wahlerfolge ihrer Geschichte eingefahren hatte. Aber es war so; der Name wurde zur Pointe. Mit dem bloßen Namen wurden die Fehler und Schrullen Edmund Stoibers abgerufen. Es war dies der Anfang von seinem schnellen politischen Ende als Parteichef und Ministerpräsident; es war auch der Anfang des Abstiegs der CSU.

Guido Westerwelle ist zum Stoiber der FDP geworden. Seine ewigen Phrasen und seine knallharte Fröhlichkeit wirken ähnlich komisch und aus der Zeit gefallen wie einst Stoibers Interviews über die Vorzüge des Transrapid und über die Vielfalt der Bärenwelt. Zwar wehrte sich Westerwelle beim Stuttgarter Dreikönigstreffen gegen seine Stoiberisierung mit der Kraft des Routiniers und des politischen Großredners.

Aber es war vergeblich: Die Rede war schlechter als sonst, sie blieb weit unter den Erwartungen. Sie war zu laut, zu lang, zu selbstgerecht, zu aufgeblasen, zu schönfärberisch, zu realitätsfern und zu altbacken. Sie war weit weg von den Problemen seiner Partei. Da war viel Pose und wenig Inhalt, da war viel Lärm um nichts. Da stand nicht ein gestandener Parteivorsitzender, sondern ein Lautsprecher seiner selbst. Eine Rede, wie sie sich viele Freidemokraten wohl vom Vorsitzenden gewünscht hätten, hielt Generalsekretär Christian Lindner.

Die marodierenden Zweifel in der FDP an Westerwelle werden sich nicht legen. Westerwelles Kraft reicht nicht mehr aus, um das Dreikönigstreffen der FDP, wie bisher fast immer, besoffen zu reden. Und sie reicht schon gleich gar nicht, um der Gesellschaft eine Vorstellung davon zu geben, was Liberalismus sein und warum sie diesen Liberalismus brauchen könnte.

Solche Sinnstiftung war zwar noch nie Westerwelles Spezialität, aber solange es mit ihm Wahlerfolge gab, hat ihm das seine Partei nicht angekreidet. Jetzt wird sie das immer stärker tun. Sicherlich: In der öffentlichen Kritik an Westerwelle steckt viel Häme. Diese Häme ist das ferne Echo seiner Spaßpolitik, es ist das Echo seiner Neoliberalismen und das Echo der Scham vieler Westerwelle-Kritiker darüber, dass sie seinen Neoliberalismen einst so begeistert gefolgt sind.

Die FDP und der politische Liberalismus brauchen einen neuen Vorsitzenden. Wer diese Gewissheit vor dem Dreikönigstreffen noch nicht hatte, der hat sie jetzt. Und weil das so ist, braucht die FDP jetzt Westerwelle, aber nur noch ein paar Monate lang. Es wäre unsinnig, wenn sie vor den Landtagswahlen im März die außerordentliche Kündigung des Parteichefs betriebe. Es muss ja nachher einer da sein, der auf dem ordentlichen Parteitag im Mai - als seinen letzten Dienst - die Verantwortung für die Niederlagen übernimmt.

Drei junge Spitzenpolitiker der FDP, unter ihnen Westerwelles mutmaßlicher Nachfolger, der derzeitige Generalsekretär Lindner, haben in einem "Neujahrsappell" eine neue Phase in der Debatte eingeleitet: Sie reden gar nicht mehr über Westerwelle, sondern über die inhaltliche Erneuerung der FDP; und sie stellen, noch vorsichtig, deren Fixierung auf die CDU/CSU in Frage. Parteichef Westerwelle kommt in ihrem Appell nicht mehr vor; sie rollen die Personalfrage über die Inhalte auf.

Die CDU-Chefin Angela Merkel und der CSU-Chef Horst Seehofer sind dem Koalitionskollegen Westerwelle zur Seite gesprungen: Sie sehen nämlich die Rolle der FDP als Funktionspartei in Gefahr. Für Lindner und Co. aber ist die FDP mehr als Koalitionspartnerin und Mehrheitsbeschafferin für die Union. Im Übrigen muss der schwarze Lobpreis die FDP stutzig machen: Wenn der CSU-Vorsitzende den Dahrendorf mimt und gute Liberalitäts-Noten für Westerwelle vergibt, dann müssen Freidemokraten so misstrauisch sein, wie es Ungläubige sein müssten, wenn ein Papst einen der ihren heiligspricht.

Die Westerwelle-FDP leidet nicht an einem feindlichen Zeitgeist; sie leidet an sich selbst. Weil es sehr kalt geworden ist für die FDP, versuchen ihre Spitzenpolitiker, sich durch Reibung an den Grünen zu wärmen. Aber gerade der Vergleich mit der zweiten liberalen Partei macht die Fehler der ersten so deutlich: Die FDP hat die ökologische Politik, die einst ihr Generalsekretär Karl-Hermann Flach etablieren wollte, der Konkurrenz überlassen.

Und es steht zu befürchten, dass - wenn die von Lindner und Co. propagierte "inhaltliche Erneuerung" nicht bald kommt - es mit der bürgerrechtlichen Politik auch so geht. Das Thema Vorratsdatenspeicherung hat deshalb für die FDP programmatisches Gewicht. Die liberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist der Ansicht, die Zurückhaltung bei der Speicherung von Telekommunikationsdaten entscheide über die rechtsstaatliche Identität der Republik. Vielleicht entscheidet sie auch über die Zukunft der FDP.

Unter Westerwelle ist die FDP eine monochrome Partei geworden - einfarbig und uniform. Es darf etwas mehr sein: mehr Farbe für die FDP.

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SZ vom 07.01.2011/hai
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