Gregor Gysi über Guido Westerwelle:"Wir haben uns schon ein bisschen gemocht"

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Politisch hätten sie gegensätzlicher kaum sein können. Doch der rheinländische FDP-Mann und der Linken-Politiker aus dem Osten teilten nicht nur den Humor, sondern auch so manche Lebenseinstellung.

Interview von Oliver Das Gupta

SZ.de: Herr Gysi, viele Jahre haben Sie sich mit Guido Westerwelle im Bundestag und in Talkshows beharkt. Hat er Sie oft auf die Palme gebracht?

Gregor Gysi: Das kann schon sein. Aber so was verdränge ich ja - erst recht, wenn jemand gestorben ist.

Zum Beispiel in den Neunzigerjahren: Während der Kriege in Rest-Jugoslawien flogen die Fetzen zwischen Ihnen beiden.

Stimmt. Aber selbst wenn wir uns gestritten haben, wurde er nie beleidigend oder ausfallend. Seine rhetorischen Fähigkeiten waren beachtlich. Ich kenne niemanden, der ihm nicht gerne zuhörte. Und noch etwas: Westerwelle konnte auch sehr gut zuhören.

Wie kamen Sie beide persönlich miteinander zurecht?

Wir haben uns schon ein bisschen gemocht, die Chemie hat gestimmt zwischen uns. Er war meistens gut gelaunt, ansteckend fröhlich, er hatte Humor. Das fand ich sehr angenehm. Als er noch Generalsekretär war, hat einer unserer Abgeordneten gesagt: "Wir haben den Generalsekretär abgeschafft, die FDP hat ihn noch." Westerwelle kam zu mir und beschwerte sich, dass dieser Vergleich "unmöglich" sei. 48 Stunden später hatte er es sich überlegt und den Spieß umgedreht: Er erzählte es fortan einfach selbst. Das fand ich prima.

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Im Wahlkampf tourte er mit einem Guidomobil durch die Bundesrepublik, wollte 18 Prozent für die FDP holen. Als Außenminister sah er sich auch harscher Kritik ausgesetzt.

Politisch waren Sie personifizierte Gegensätze.

In vielem ja, aber wir hatten auch Gemeinsamkeiten. Westerwelle war gleichermaßen tolerant und libertär eingestellt, wie ich es bin.

Seine neoliberale Haltung haben Sie ja weit weniger geschätzt.

Da standen wir einander diametral gegenüber, stimmt. Aber Westerwelle darauf zu reduzieren wäre falsch.

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Anders als viele ernsthaft erkrankte Politiker behielt er sein Leiden nicht für sich.

Von Kathleen Hildebrand

Westerwelle wurde vorgehalten, er habe die ökonomische Ausrichtung der FDP zementiert.

Das sehe ich etwas anders. Anders als Otto Graf Lambsdorff Anfang der neunziger Jahre förderte Westerwelle auch den politischen Liberalismus. Das war und ist und bleibt in Deutschland sehr wichtig. Westerwelle hat dafür gesorgt, dass Leute wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wieder einen Platz in der FDP gefunden haben.

Jenseits vom Liberalismus: Was bleibt politisch von Westerwelle?

Als Außenminister hat er auf die außenpolitische Selbstbeschränkung Deutschlands gesetzt. Aus diesem Grund hat sich die Bundesrepublik beim Libyen-Krieg der Stimme enthalten, was zur Folge hatte, dass wir in diesem bewaffneten Konflikt nicht verstrickt wurden. Das war eine Leistung. Wenn wir die Entwicklung in Libyen ansehen, sollten wir Westerwelle sehr dankbar sein.

Was konnte Westerwelle, was Sie nicht können, Herr Gysi?

Er konnte überzeugend erklären, warum Dressurreiten viel spannender ist als Springreiten.

Wie bitte?

Ich weiß, das wollten Sie nicht hören.

Drehen wir es um: Was konnte Westerwelle denn weniger gut?

Er musste erst lernen, mit politischen Niederlagen umzugehen - aber das hat er dann auch. Was ich sehr tapfer finde, ist sein Umgang mit seiner Krankheit. Er hat sehr gekämpft, er hat verloren. Was wirklich am bestechendsten an ihm war, war seine Lebenslust. Schauen Sie sich mal andere Politikerinnen und Politiker an - die wenigsten haben eine Wirkung, wie er sie hatte. Deshalb merken sich den auch alle. Das ist ja noch heute so. Sie fragen jemanden auf der Straße nach Guido Westerwelle - und sofort fällt demjenigen etwas zu ihm ein.

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Der frühere Außenminister Guido Westerwelle ist tot. Er starb im Alter von 54 Jahren an den Folgen seiner Leukämie-Erkrankung. Wie erinnern Sie sich an den ehemaligen FDP-Vorsitzenden?

Im Jahr 2000 erschien ein Buch, in dem Sie Westerwelle interviewen. An einer Stelle laden Sie ihn zu sich nach Hause zum Essen ein - er nimmt sofort an. Was wurde aus dem Vorhaben?

Privat hat das leider nicht geklappt. Bei meinen Kochkünsten hätte ich ihm vermutlich Bockwurst serviert. Aber wir sind ins Restaurant gegangen.

Westerwelle und Sie haben ja auch das Leben vor dem Bundestag denkbar verschieden verbracht: Dort der Rheinländer, hier die Ost-Vita.

Das hat mich an ihm auch besonders interessiert. Westerwelle war ein Kind der Bonner Republik, er war so anders als ich. Deshalb fand ich die persönlichen Gespräche immer sehr spannend.

Wann hatten Sie denn zuletzt Kontakt mit ihm?

Bei einem Reitturnier haben wir uns gesehen, und Ende Dezember haben wir telefoniert. Ich habe ihm wie jedes Jahr zum Geburtstag gratuliert - und er mir übrigens auch. Nun ist Westerwelle nicht mehr da. Er ist viel zu früh gestorben, was mir sehr leid tut. Seinem Ehemann Michael Mronz gilt mein Mitgefühl. Guido Westerwelle wird uns fehlen.

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