Chinas Elite leistet sich teure Handtaschen, Luxusautos - und Briefkastenfirmen in Steueroasen. Mehr als 21.000 Offshore-Kunden aus China und Hongkong finden sich in den Daten, die ein anonymer Informant vor zwei Jahren dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) zugespielt hat. Medien weltweit veröffentlichen nun, wie Chinas Elite Steueroasen nutzt.
Die Veröffentlichung erster Ergebnisse begann im April 2013: Die Offshore-Leaks-Daten offenbarten die geheimen Firmen von Waffenschmugglern, Oligarchen und Diktatoren-Töchtern, von hochrangigen Bankern und Prominenten. Insgesamt sind auf der Festplatte Unterlagen zu mehr als 122.000 Briefkastenfirmen und Trusts aus Steueroasen wie den Britischen Jungferninseln, den Cookinseln und Samoa gespeichert, gegründet und verwaltet von etwa 130.000 Personen. Etwa jeder Vierte trägt einen chinesischen Namen.
Die Veröffentlichung des sogenannten Offshore-Leaks sorgte vergangenen Frühjahr weltweit für Aufsehen. Die chinesischen Fälle recherchierten die beteiligten Medien erst nach der damaligen Veröffentlichung — denn der Aufwand war enorm, die Zahl der Treffer in der Datenbank riesig: Rund jeder vierte Kunde in den Offshore-Leaks-Unterlagen hat einen chinesischen Namen. Ein Team von Reportern, darunter auch die SZ, recherchierte von Hongkong aus, um die Daten auszuwerten. Sie fanden Verbindungen zu politischen Elite und Briefkastenfirmen, die sich einigen der reichsten Wirtschaftsführern des Landes zuordnen lassen.
Briefkastenfirma namens Sheen Dragon International
Die Finanzdienstleister Portcullis Trustnet und Commonwealth Trust Limited, von denen die Unterlagen stammen, sind auf asiatische Kunden spezialisiert. Portcullis bietet Briefkastenfirmen direkt mit englisch-chinesischen Namen an, etwa Sheen Dragon International Limited 耀龍國際有限公司 oder Emperor Profit Investment Limited 英利投資有限公司. Commonwealth Trust Limited hat seinen Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Die Inselgruppe in der Karibik ist die beliebteste Steueroase der Chinesen.
Trotzdem ist die Firmensprache der beiden Offshore-Dienstleister Englisch. Somit sind auch alle Kundendaten auf Englisch gespeichert. Das macht einen Abgleich mit chinesischen Namen schwierig. Das Hochchinesische benutzt nur etwas mehr als 400 Silben, die in unterschiedlichen Tonhöhen und Kombinationen vorkommen. Ausgeschrieben schaffen nur die chinesischen Schriftzeichen Eindeutigkeit. Im englisch verwalteten Offshore-Leaks-Datensatz liegen sämtliche chinesische Namen aber nur in der - vieldeutigen - Umschrift vor. Zudem wurde die Offshore-Datenbank von Sachbearbeitern gepflegt, die kein Chinesisch sprachen und deshalb auch schon mal den Vornamen mit dem Nachnamen verwechselten.
Dazu kommt, dass es Millionen Chinesen mit sehr ähnlichen Namen gibt. In China tragen zum Beispiel mehr Menschen den Nachnamen Wang als es Einwohner in Deutschland und Österreich gibt. Das Verifizieren möglicher Treffer nimmt somit viel Zeit in Anspruch: Ausweisnummern mussten abgeglichen, Geburtsdaten recherchiert und Geschäftsadressen ausfindig gemacht werden. Die Recherche dauerte fast ein halbes Jahr, die Journalisten kommunizierten über verschlüsselte E-Mails, um die Arbeit geheim zu halten.
Prominente Chinesen schicken außerdem Verwandte vor, weil sie selbst nicht in Steueroasen namentlich auftauchen können oder möchten. Eine Suche in der Offshore-Leaks-Datenbank ist eine Suche nach der Verwandtschaft der Politiker oder Wirtschaftsbossen. Diese tritt öffentlich kaum in Erscheinung.
So berichten Medien weltweit über #ChinaLeaks
Das ICIJ veröffentlicht die Rechercheergebnisse mit seinen Medienpartnern ( hier das ICIJ-Dossier auf Englisch, hier auf Chinesisch). Dazu gehören neben der Süddeutschen Zeitung der Norddeutsche Rundfunk, Ming Pao aus Hongkong, das Magazin Commonwealth aus Taiwan, der britische Guardian, BBC Newsnight, Le Monde aus Paris, El País aus Spanien, der kanadische Sender CBC, Le Soir aus Belgien, L'Espresso aus Italien, Le Matin Dimanche und die Sonntagszeitung in der Schweiz, Trouw in den Niederlanden, Asahi Shimbun in Japan, Newstapa in Südkorea, Global Mail aus Australien und das Philippinische Zentrum für investigativen Journalismus.
An den Recherchen war zunächst auch eine chinesische Zeitung beteiligt. Doch die Partnerzeitung entschied, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, der Druck der chinesischen Behörden sei zu groß gewesen. Der Name des Mediums bleibt geheim, um die Arbeit der Journalisten nicht zu gefährden.