Werbung:Rassismus aus der Tube

Ein Hautaufheller erregt in Westafrika Protest gegen Nivea.

Von Bernd Dörries

Der Kosmetikkonzern Nivea ist womöglich eines der wenigen Unternehmen auf der Welt, das ein Produkt verkauft - und auch gleich das genaue Gegenteil im Sortiment hat. In Europa macht das Unternehmen einigen Umsatz mit Selbstbräunungscremes, für diejenigen, die dunkler aussehen wollen, als sie es sind. Ein bisschen Kokospalmen-Karibik-Flair für den Büroalltag neben dem Hydrokultur-Benjamin. In Afrika und Asien jedoch rührt Nivea an ganz elementare Dinge: Das Unternehmen hat Hautaufheller im Angebot, die Schwarze und Farbige ein wenig weißer machen sollen.

Vor einigen Wochen startete Nivea eine große Werbekampagne in Westafrika, um seine neue "Natural Fairness"-Creme zu bewerben, die "für sichtbar hellere Haut" sorgen soll. Im Werbespot reibt sich ein Model damit ein - und wie durch ein Wunder und ein bisschen technische Animation wird ihre Haut sofort weißer. Und ihr Leben ein bisschen leichter, man sieht sie im Business-Kostüm, ein Mann macht ihr Komplimente.

Der Spot selbst fand bei Afrikanern wenig Anerkennung, es entwickelte sich eine Protestkampagne, die Nivea nun dazu zwang, die riesigen Plakate an den Autobahnen von Ghana bis Nigeria abzuhängen und die TV-Spots zu stoppen. Der ghanaische Rapper Fuse ODG hatte als einer der Ersten Nivea Rassismus vorgeworfen und dazu aufgerufen, die Produkte zu boykottieren - weil die internationalen Kosmetikkonzerne Afrikanern vermitteln würden, dass ihre eigene Hautfarbe nichts wert sei. "Wir müssen unseren Kindern beibringen, dass sie sich in ihrer eigenen Haut wohlfühlen können", sagte Fuse ODG. Nach dem ersten Sturm der Empörung fragen nun aber einige Intellektuelle öffentlich, warum sich viele schwarze Frauen in ihrer Haut eben doch nicht so wohlfühlen. Und warum der Markt der Hautbleicher ständig wächst, mittlerweile auf zehn Milliarden Dollar geschätzt wird. In Nigeria benutzen etwa 80 Prozent aller Frauen Hautaufheller.

"Nivea anzugreifen, ist zu einfach, es ist nicht ihre Schuld", sagt der nigerianische Autor Elnathan John. "Man sollte lieber darüber sprechen, warum es eine so hohe Nachfrage nach den Produkten gibt." Nach seiner Ansicht gibt es durchaus ein koloniales Element in der Wahrnehmung vieler Afrikaner, warum eine helle Haut positiver besetzt sei. Weiß waren die Unterdrücker, mit Weißen assoziiert waren aber auch die Symbole ihres Erfolges. Er selbst sei früher "Blacky" gerufen worden, sagt Autor John.

Es ist für viele Schwarze eine ambivalente Debatte über das Selbstbild, die regelmäßig geführt wird. Und die nicht nur die Haut betrifft, sondern auch die Breite der Nase oder die Art, die Haare zu tragen. Die erste schwarze Millionärin der USA machte ihr Geld mit Mitteln zum Glätten der Haare. "Warum haben wir nicht ihr einen Feiertag gewidmet, sondern Martin Luther King?", fragte der US-Intellektuelle Henry Louis Gates Jr. einmal. "Black is beautiful" war ein Slogan der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Im Afrika dieser Tage, sagt der Modedesigner Edwin Okolo, sei die Wahrnehmung hingegen oft: "Je weniger afrikanisch man ist, desto leichter hat man es". Die vielen Cremes würden für viele wie "ein einfacher Weg zum Erfolg" wirken.

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