Weltwirtschaft:Niedriges Wachstum, hohe Risiken

Die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise hält der Internationale Währungsfonds vorerst für gebannt. Als Bedrohungen sieht er den Handelsstreit, die Klimakrise und soziale Ungleichheit.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise ist aus Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zumindest vorerst gebannt. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa sagte am Montag vor Beginn des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos, die konjunkturelle Lage habe sich zuletzt etwas stabilisiert. Die Wachstumsraten blieben aber weiter niedrig, die Risiken groß. Notwendig seien deshalb eine bessere internationale Zusammenarbeit sowie ein entschlossener Kampf gegen den Klimawandel, soziale Ungleichheit und andere langfristige Gefahren.

Der etwas positivere Ausblick ist gerade für exportabhängige Länder wie Deutschland eine gute Nachricht. Noch vor Monaten hatten Experten befürchtet, wichtige Industriestaaten wie die USA und die Bundesrepublik könnten aufgrund von Handelskonflikten, zu geringen Investitionen und anderen Problemen in eine Rezession abrutschen. Dass es dazu zumindest vorerst wohl nicht kommen wird, ist Georgiewa zufolge vor allem der lockeren Geldpolitik führender Notenbanken zu verdanken. Auch die Annäherung im Handelskonflikt zwischen USA und China habe geholfen.

Dass von einer nachhaltigen Trendwende aber noch keine Rede sein kann, zeigt der Umstand, dass der IWF einige seiner Länderprognosen noch einmal nach unten korrigierte - wenn auch nur leicht. Für Deutschland etwa rechnet der Fonds nun mit Wachstumsraten von 1,1 Prozent in diesem und 1,4 Prozent im nächsten Jahr - das sind für 2020 noch einmal 0,1 Punkte weniger als bei der letzten Schätzung im Oktober. Auch die USA müssen sich wegen der schwindenden Effekte der jüngsten Steuerreform auf weniger Wachstum einstellen. Konkret erwartet der IWF für 2020 und 2021 Zuwächse von 2,0 beziehungsweise 1,7 Prozent. Sorgenkind Nummer eins ist derzeit Indien, wo die Nachfrage schwächelt und sich das Wachstum binnen weniger Jahre auf 4,8 Prozent halbiert hat.

Zu den weiter bestehenden Risiken für die globale Konjunkturentwicklung zählt der Fonds neben dem Wiederaufflammen von Handelsstreitigkeiten vor allem geopolitische Konflikte wie das Säbelrasseln zwischen den USA und Iran, die etwa den Ölpreis in die Höhe treiben könnten. Georgiewa riet der Staatengemeinschaft daher, ein abgestimmtes Konjunkturpaket vorzubereiten, um im Fall der Fälle rasch reagieren zu können. Auf mittlere Sicht sei es zudem nötig, erheblich mehr Geld in die Bildung zu investieren. Hinzu kommen müssten Strukturreformen, der Ausbau der sozialen Sicherungssysteme, wirksame Schritte gegen den Klimawandel sowie ein Steuersystem, das auch im Zeitalter der Digitalisierung dafür sorge, dass sich alle Unternehmen angemessen an der Finanzierung des Allgemeinwohls beteiligten.

Georgiewa sagte, manchmal erinnere sie die derzeitige Situation an die 1920er-Jahre. Auch damals seien soziale Ungleichheit, große Technologiesprünge und finanzielle Risiken zusammengekommen. "Ich hoffe, dass die Parallelen damit aufhören", betonte sie. Die 1920er-Jahre waren mit einem Börsencrash zu Ende gegangen, der die erste große Weltwirtschaftskrise auslöste und in Deutschland zum Aufstieg der Nationalsozialisten beitrug.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: