Süddeutsche Zeitung

Weltweite Recherche:Das Leak

Die Panama Papers bringen Hunderte Politiker, Prominente und Superreiche in Erklärungsnot. 400 Journalisten aus rund 80 Ländern arbeiteten ein Jahr lang zusammen - unter größter Geheimhaltung.

Hallo. Hier spricht John Doe.

Interessiert an Daten? Ich teile gern.

Diese Sätze schrieb eine anonyme Quelle an die Süddeutsche Zeitung, vor weit über einem Jahr. Auf die erste Nachricht folgten weitere - und bald die angekündigten Daten: interne, brisante Unterlagen aus der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca. Ein Unternehmen, das aus Dutzenden Büros rund um die Welt Briefkastenfirmen verkauft, mit deren Hilfe sich fast jedes Geschäft verschleiern lässt. Auch die schmutzigen.

Bei ein paar Unterlagen blieb es nicht, die Datenmenge wuchs über die Monate an, bis am Ende rund 2,6 Terabyte im Besitz der SZ waren. Es ist das größte Datenleak, das Journalisten je überlassen wurde. Die Daten umfassen mehr als elf Millionen Dokumente - manche nicht älter als ein paar Wochen. Sie zeigen, wie die globale Offshore-Industrie im Verbund mit großen Banken, Anwaltskanzleien und Vermögensverwaltern sehr verschwiegen die Besitztümer von Politikern oder Fifa-Funktionären, Betrügern oder Drogenschmugglern, Milliardären oder weltbekannten Sport-Stars verwaltet. Der spektakulärste Teil des Leaks sind Briefkastenfirmen von zwölf aktuellen und früheren Staatschefs - sowie Spuren zu den Familien, engen Freunden oder Beratern von etwa 60 weiteren. Daneben finden sich rund 130 Politiker aus der ganzen Welt unter den Kunden der Kanzlei, auch Minister.

Bei der Süddeutschen Zeitung beschäftigte sich ein Team über mehr als ein Jahr hinweg intensiv mit den Panama Papers. Reporter und Datenspezialisten überprüften die Authentizität der geleakten Dokumente auf vielfache Weise, glichen sie mit öffentlichen Registern, Zeugenaussagen und Gerichtsurteilen ab und sprachen mit Hunderten Personen, deren Namen in den Dokumenten auftauchen, sowie mit Steuerexperten, Anwälten und Behörden.

Die Süddeutsche Zeitung hat sich zudem frühzeitig entschieden, den Datenberg gemeinsam mit dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ) auszuwerten, um weltweit möglichst viele Geschichten recherchieren zu können. Das ICIJ hatte zuvor bereits die Recherchen an Projekten wie Offshore-Leaks, Lux-Leaks und Swiss-Leaks koordiniert; an diesen Recherchen hatte sich auch die SZ beteiligt.

Das ICIJ, gegründet 1997, ist ein internationaler Verein für investigative Journalisten. Ihm gehören weltweit etwa 200 Journalisten an, darunter vier Reporter der Süddeutschen Zeitung. Das ICIJ gehört zum Center for Public Integrity (CPI), einer US-amerikanischen Non-Profit-Organisation für Investigativjournalismus. CPI und ICIJ werden aus Spendengeldern finanziert, in jüngster Zeit unter anderem von Stiftungen aus Australien, Großbritannien, den Niederlanden und den USA, darunter die Ford Foundation, die Adessium Foundation, die von George Soros gegründete Open Society Foundation; außerdem durch das Pulitzer Center of Crisis Reporting.

Nordkorea, Syrien, Iran und die Fifa: In den Daten tauchen sie alle auf

Die Recherche zu den Panama Papers ist die größte grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Journalisten, die es je gab: 400 Reporter von mehr als 100 Medienorganisationen aus rund 80 Ländern durchforsteten unter Geheimhaltung die Daten, darunter Teams des Guardian, der BBC, von Le Monde oder La Nación aus Argentinien und Journalisten aus Russland. In Deutschland recherchierten Reporter von SZ, NDR und WDR, in der Schweiz die Sonntagszeitung, in Österreich das Wochenmagazin Falter und der ORF. Die Ergebnisse der Recherchen werden in 20 Sprachen veröffentlicht.

Ausgangspunkt der Recherche sind die Daten von Mossack Fonseca, kurz Mossfon. Die Kanzlei aus Panama, deren Vorläufer vor fast 40 Jahren von dem Deutschen Jürgen Mossack gegründet wurde (Seite Drei), ist einer der Marktführer im weltweiten Offshore-Geschäft.

Das Prinzip dabei ist einfach: Für oft nur 1000 Dollar bekommt man eine anonyme Firma. Gegen Aufpreis stattet Mossfon diese Firma mit sogenannten Scheindirektoren aus, hinter denen die wahren Inhaber nicht auftauchen müssen. Nach außen ist die Firma eine Black Box, niemand sieht, was drinnen vorgeht. Mossfon hat Hunderttausende solche Firmen gegründet, verkauft und verwaltet, in Panama, auf den Britischen Jungferninseln, den Seychellen oder in anderen Steueroasen.

In den Panama Papers finden sich Daten zu etwa 214 000 dieser Firmen, gegründet zwischen 1977 und 2015. Bereits vor gut zwei Jahren hatte ein Whistleblower deutschen Behörden interne Daten der Kanzlei Mossack Fonseca verkauft, dieser Datensatz betraf jedoch nur einige Hundert Firmen. Deutsche Fahnder durchsuchten daraufhin im vergangenen Jahr die Wohnungen und Büros von etwa 100 Personen. In der Folge erklärten sich die Commerzbank, die HSH Nordbank sowie die Hypovereinsbank wegen der über Mossfon abgewickelten Geschäfte zu Strafzahlungen in Millionenhöhe bereit. Mittlerweile haben auch andere Länder Daten des Whistleblowers erworben, etwa die USA, Großbritannien und Island.

Bei den Panama Papers handelt es sich um E-Mails, PDFs und Fotodateien sowie Auszüge aus einer internen Datenbank von Mossack Fonseca. Die Daten reichen von den 1970er-Jahren bis ins Frühjahr 2016. Für jede Briefkastenfirma hat sich Mossack Fonseca einen Arbeitsordner angelegt. Darin befinden sich E-Mails, Verträge, Abschriften, eingescannte Dokumente - manchmal mehrere Tausend Seiten.

Um den Berg an Dokumenten überhaupt durchsuchen zu können, mussten die Dateien zuerst systematisch erfasst werden. Auf hochleistungsfähigen Rechnern brachten die Süddeutsche Zeitung und das ICIJ die Dokumente in eine maschinenlesbare und vor allem leicht durchsuchbare Form. Dieser Prozess nennt sich optical character recognition, optische Zeichenerkennung. Aus Bildern - eingescannten Ausweisen, unterschriebenen Verträgen - wurden recherchierbare Texte. Dieser Schritt war wichtig, damit man die Daten über eine einfache Suchmaske durchforsten konnte. Durch die digitale Aufbereitung ist es zudem möglich, die Daten mit Namen von Personen oder Firmen abzugleichen, auch mit einer größeren Liste von Namen.

Allein der Besitz von Offshore-Firmen ist nicht illegal. Es gibt sogar Geschäfte, für die diese Konstruktion als logische Wahl erscheint. Aber Briefkastenfirmen, erklärt Igor Angelini, Chef der Finanzermittlungseinheit von Europol, der europäischen Polizeibehörde, spielen auch eine "wichtige Rolle bei Geldwäsche-Aktivitäten im großen Maßstab". Gleiches gelte für Korruption: Offshore-Firmen würden besonders genutzt, "um die Bestechungsgelder weiterzuleiten". Experten der Weltbank und der Vereinten Nationen haben vor einigen Jahren 213 Korruptionsfälle untersucht, die weltweit vor Gericht landeten. In 150 Fällen wurde durch mindestens eine Briefkastenfirma das Vermögen der Eigentümer verschleiert. Dabei ging es um insgesamt 56,4 Milliarden US-Dollar.

Hunderte Millionäre und Milliardäre tauchen in den geleakten Daten auf

Der UN-Sanktionsexperte Hans-Jakob Schindler sieht eine ähnliche Problematik in der internationalen Terrorbekämpfung. Er sagt, "so ziemlich jede ernstzunehmende Terrorgruppe" der vergangenen Jahre habe "Briefkastenfirmen oder ähnliche Konstrukte genutzt". Auch in den Panama-Papers finden sich Personen, die der Terrorfinanzierung verdächtigt werden.

Seit Jahren gibt es deswegen politische Initiativen zur Austrocknung von Steueroasen und für mehr Transparenz. Zur internationalen Allianz gegen das Offshore-System gehören die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die OECD. Deren Anstrengungen führten auch immer wieder zu Gesetzesänderungen - die aber die Offshore-Branche kaum beeinträchtigten.

Tatsächlich sind ausweislich der Panama Papers unter den Mossfon-Kunden Mitglieder diverser Mafia-Banden, Geldwäscher, Betrüger, Drogenhändler oder Waffenschieber. Außerdem stößt man auf Spuren zu Dutzenden internationalen Bestechungsskandalen, etwa zur Affäre um schwarze Kassen bei Siemens, aber auch zum Fifa-Korruptionsskandal.

In den geleakten Dokumenten finden sich auch Personen und Firmen, die von der US-Regierung und der EU sanktioniert worden sind, weil sie etwa mit Terrororganisationen oder Regimen wie in Nordkorea, Iran oder Syrien Geschäfte gemacht haben. Andere Firmen gehörten den Daten zufolge dem iranischen Staat und wurden offenbar für weltweite Ölgeschäfte genutzt - mutmaßlich unter Umgehung der damals bestehenden Sanktionen. Als ein Mossfon-Mitarbeiter von einem Kollegen aus London wissen wollte, wer letzten Endes Eigentümer dieser Firmen sei, antwortete dieser per Mail: "Das wäre dann Mahmud Ahmadinedschad" - der damalige iranische Staatspräsident.

Mossack Fonseca erklärte auf Anfrage, die Kanzlei unterstütze keine illegalen Aktivitäten. Seit Bestehen der Kanzlei sei die Firma niemals in strafrechtlicher Hinsicht angeklagt worden. Außerdem prüfe sie ihre Kunden, bevor sie Geschäftsbeziehungen eingehe. Mossack Fonseca habe niemals wissentlich Personen mit Verbindung nach Nordkorea, Simbabwe, Syrien oder anderen sanktionierten Staaten erlaubt, ihre Firmen zu nutzen. Sei es dennoch dazu gekommen, habe man die ihrer Meinung nach passenden Maßnahmen ergriffen.

Die Panama Papers zeigen auch, welche Rolle Offshore-Firmen in der Welt der Superreichen spielen: Hunderte Millionäre und Milliardäre horten ihr Vermögen in Steueroasen-Konstruktionen, die von Mossack Fonseca stammen, darunter 29 Personen, die auf der Forbes-Liste der 500 reichsten Menschen der Welt genannt werden. Sie schützen ihren Besitz oft nicht nur vor neugierigen Blicken der Öffentlichkeit, sondern wohl auch vor Gesetzen und Steuern - unterstützt von Vermögensverwaltern und nahezu allen großen Banken.

Die Süddeutsche Zeitung wird über die Panama Papers in den nächsten Tagen und Wochen berichten: in der gedruckten und digitalen Ausgabe ebenso wie auf SZ.de. Außerdem finden sich weiterführende Informationen, Videos, interaktive Grafiken und ein ausführliches Glossar unter www.panamapapers.de.

Von Katrin Langhans, Hans Leyendecker, Hannes Munzinger, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Vanessa Wormer

Mitarbeit: Christoph Giesen, Mauritius Much, Marina Walker

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URL:
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Quelle:
SZ vom 04.04.2016
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