Weltweite Pew-Umfrage:Deutsche enttäuscht von Obama

Weltmacht im Niedergang: Eine umfangreiche Studie zeigt, was das Ausland von den USA denkt und kam zu einem wenig erfreulichen Ergebnis für die Amerikaner. Die Mehrheit der Deutschen ist frustiert vom US-Präsidenten, trotzdem bekommt Obama bessere Sympathiewerte als Kanzlerin Angela Merkel.

Christian Wernicke, Washington

Die Deutschen betrachten die Vereinigten Staaten als Weltmacht im Niedergang, sind enttäuscht von Barack Obamas Wirtschafts- und Klimapolitik - und würden, wenn sie denn dürften, den Demokraten dennoch mit überwältigender Mehrheit wiederwählen. Dieses zwiespältige Meinungsbild zeichnet eine Umfrage des Pew Research Centers in Washington, die in 21 Ländern die Einstellung zu Amerika erkundete.

US-Präsident Barack Obama Pew

Erntet weltweite Enttäuschung für seine bisherige Amtszeit: US-Präsident Barack Obama.

(Foto: AFP)

Während die USA unter Obama heute bei fast allen Völkern wieder mehr Sympathien genießen als 2008 unter George W. Bush, nehmen die Vorbehalte gegenüber Washington in muslimischen Ländern weiter zu. Als Makel für Amerikas Image erweist sich der Drohnenkrieg: Rund um den Globus stoßen die Raketenangriffe aus der Luft auf massive Kritik, während 62 Prozent aller US-Bürger den Einsatz dieser Waffe befürworten.

Die Welt blickt mittlerweile tief ernüchtert auf Obama. Zu Beginn seiner Amtszeit 2009 hatte fast die Hälfte aller Befragten gehofft, der 44. Präsident werde die Interessen anderer Länder berücksichtigen, sich vor dem Einsatz militärischer Gewalt um internationalen Rückhalt bemühen, im Nahen Osten fair zwischen Israelis und Palästinensern vermitteln und mehr als Bush gegen den drohenden Klimawandel tun. Diese Erwartungen hat der Demokrat enttäuscht. Fast drei Fünftel aller Befragten sagten, Obama habe nicht geleistet, was sie sich von ihm versprochen hätten.

Dramatischer Vertrauensverlust in muslimischen Ländern

Verklungen ist auch Europas "Obamania". In der Alten Welt sank der Rückhalt für den Demokraten von 78 Prozent in 2009 auf 63 Prozent in 2012. Dramatischer ist der Vertrauensverlust in muslimischen Ländern, um die sich Obama zu Beginn seiner Amtszeit mit einer vielbeachteten Grundsatzrede in Kairo bemüht hatte.

Statt 34 Prozent in 2009 sagen heute nur noch 15 Prozent der befragten Muslime, sie hegten wenigstens etwas Vertrauen in den Mann im Weißen Haus. Gleichzeitig wächst der weltweite Respekt vor China. 42 Prozent der weltweit Befragten halten China inzwischen für die führende Wirtschaftsmacht, nur noch 36 Prozent billigen den USA diesen Status zu.

Besonders eklatant fällt dieser Wechsel in der Sichtweise bei den Deutschen aus. 62 Prozent aller Deutschen glauben, dass China die USA als Weltwirtschaftsmacht Nummer eins abgelöst hat. Diese Zweifel an Amerikas Leistungsfähigkeit scheinen auch durch, wenn nur noch ein Viertel aller Deutschen bekunden, sie schätzten Amerikas Art, Geschäfte zu machen. Das schürt eine zunehmende Amerika-Skepsis. Nur noch 52 Prozent der Deutschen sagen, sie betrachteten die USA insgesamt mit Wohlwollen.

Massive Missbilligung des Drohnenkrieges

Die neue Distanz wird laut Pew genährt von der Enttäuschung über die konkrete amerikanische Politik. Wer glaubt, dass Obama die Welt schlecht durch die Wirtschaftskrise geführt, den Nahost-Konflikt vernachlässigt oder US-Interessen ohne Rücksicht auf Deutschland verfolgt habe, der sieht die Weltmacht mit Abneigung.

Zudem zeigen die Pew-Daten, dass jeder zweite Bundesbürger (53 Prozent) seine Hoffnungen auf eine Kehrtwende der US-Klimapolitik enttäuscht sieht. Massiv missbilligen die Deutschen (59 Prozent) Amerikas Drohnenkrieg, wobei Frauen und Anhänger eher linker Parteien - wie überall in Europa - sich besonders ablehnend zu dieser Taktik im "War on Terror" äußern.

Trotz dieser Trends bleibt der deutsche Glaube an Obama unerschüttert. 87 Prozent aller Bundesbürger geben an, sie vertrauten dem schwarzen Mann im Weißen Haus. Das ist laut Pew weltweiter Rekord, und sogar ein höherer Sympathiewert, als ihn Kanzlerin Angela Merkel in Deutschland genießt (77 Prozent).

Überall in Europa würden die Wähler Obama eine zweite Amtszeit schenken, auch Japaner, Inder und Brasilianer wollen ihn als Präsidenten behalten. Scheitern würde Obama hingegen in der muslimischen Welt - sowie in Russland und China.

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