Weltweite Ausspähung:Obama erwägt Einschränkung von NSA-Überwachung

Nach den Snowden-Enthüllungen könnte die Überwachung durch die NSA gezügelt werden. US-Präsident Obama plant zumindest einige Korrekturen. EU-Parlamentarier finden derweil deutliche Worte für die NSA-Spionage.

US-Präsident Barack Obama plant Medienberichten zufolge einige Einschränkungen für den Geheimdienst NSA. Es gehe vor allem um ein Überwachungsprogramm, bei dem Daten zu Telefonanrufen von Amerikanern gesammelt werden, schrieben die New York Times und das Wall Street Journal. Dabei werden Informationen wie Zeit, Dauer, Telefonnummer und Ort gespeichert, aber keine Inhalte.

Obama habe noch keine endgültige Entscheidung getroffen, hieß es unter Berufung auf informierte Personen. Er neige aber dazu, einigen Vorschlägen einer von ihm eingesetzten Expertengruppe zu folgen. Dazu gehöre, dass die Daten nicht mehr bei der NSA gespeichert werden sollen, sondern bei Telekom-Unternehmen. Der Geheimdienst müsste sie dann dort abrufen.

Ein zweiter Vorschlag sehe vor, einen Vertreter der öffentlichen Interessen bei dem geheimen Gericht einzuführen, das Überwachungsanträge freigibt. Dieser solle einen Gegenpol zu der NSA-Position bilden. Bei einem dritten Vorschlag gehe es darum, die Überwachung auf Nicht-US-Bürger einzuschränken, schrieb das WSJ. Details dazu seien aber noch völlig unklar. Obama könne seine Pläne kommende Woche vorstellen.

Die von Edward Snowden enthüllten Überwachung durch die NSA hatten weltweit Empörung ausgelöst. Die US-Regierung prüfte die Programme bisher aber vor allem mit Fokus auf die Interessen und Rechte von US-Bürgern. Snowdens Vorgehen wird von den USA weiter scharf verurteilt. Die Enthüllungen Snowdens gefährden nach einem geheimen Pentagon-Bericht die Leben von Mitgliedern des US-Militärs. Ein Großteil von Snowdens Informationen beziehe sich auf laufende Militäroperationen und stelle eine wirkliche Gefahr für die amerikanischen "Männer und Frauen in Übersee" dar, sagte der Republikaner Mike Rogers.

Deutliche Worte des EU-Parlaments

Andere Töne kommen aus dem EU-Parlament: Es gebe "überzeugende Beweise" für die Entwicklung digitaler Überwachungssysteme durch die Geheimdienste der USA und einiger EU-Mitgliedsländer. Die Programme hätten das Ziel, "in bislang nicht gekanntem Ausmaß" Kommunikations-, Standort- und Metadaten von Menschen weltweit zu sammeln. So steht es in dem Berichtsentwurf des britischen Europaparlamentariers Claude Moraes, den dieser gemeinsam mit fünf weiteren Abgeordneten im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres im Europäischen Parlament (LIBE) vorgelegt hat.

Der Ausschuss hatte in den vergangenen sechs Monaten die als "NSA-Affäre" bekannt gewordenen Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden untersucht. Um die Plausibilität der Vorwürfe zu prüfen, hatte der Ausschuss zahlreiche Experten aus den Feldern Technologie, Internet-Sicherheit, Recht und Bürgerrechte angehört.

"Erheblich gestörtes Vertrauen"

Noch ist das Fazit kein endgültiges: Bei dem 52-seitigen Dokument handelt es sich um einen Entwurf, bis 22. Januar können die Mitglieder des Ausschusses noch Änderungen einreichen.

Doch das Papier ist in einer so deutlichen Sprache geschrieben, dass eine Entschärfung einer Neuformulierung gleichkäme: "Erheblich gestört" sei das transatlantische Verhältnis, aber auch das Vertrauen der Bürger in IT-Systeme und die Regierungen. Die systematische Sammlung und Auswertung von Daten Unschuldiger durch Programme wie PRISM, Tempora oder xKeyscore werden "im schärfsten Maße" verurteilt. Die Autoren schließen zudem nicht aus, dass die Terrorbekämpfung nur ein Vorwand für die Programme ist und es letztlich um Wirtschafts- und Industriespionage geht.

Um sich gegen die Angriffe des amerikanischen Geheimdienstes NSA und der britischen GCHQ zu wehren, sind auch mögliche Gegenmaßnahmen benannt. Das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen, das die Verarbeitung europäischer Nutzerdaten durch US-Konzerne wie Facebook regelt, soll zunächst ausgesetzt werden - genauso wie die SWIFT-Vereinbarung über den Zugriff von US-Behörden auf die Finanzdaten europäischer Bürger. Dies alles könnte den Druck auf die USA erhöhen, ein Datenschutz-Rahmenabkommen mit der EU zu schließen - ein zentraler Punkt der Vorschläge.

Europaparlament stimmt im März ab

Die anvisierten Maßnahmen würden für heftige transatlanische Verstimmungen sorgen. Was vom Entwurf übrig bleibt, wenn schließlich das Europaparlament wie geplant im März über ihn abstimmen sollte, ist deshalb ungewiss. Und: Auch nach einer Zustimmung durch das Plenum könnten die EU-Staaten über den Ministerrat noch Einfluss darauf nehmen, welche konkreten Schritte letztlich unternommen werden.

Bislang hielten sich die Regierungen und Parlamente in Europa zurück, größere Konsequenzen aus dem Spähskandal zu ziehen - das Thema Spionage ist heikel. In dem Berichtsentwurf wird beispielsweise vermerkt, dass neben Großbritannien und den USA auch Deutschland, Frankreich und Schweden "in beschränkterem Umfang" digitale Überwachungsprogramme betrieben.

Der Mann, dessen Enthüllungen die Untersuchung in Gang brachten, kam vor dem LIBE-Ausschuss bislang nicht zu Wort. Dies soll sich nun ändern: In ihrer Sitzung konnten sich die Europaparlamentarier darauf einigen, Edward Snowden um eine Aussage per Videoschaltung aus Moskau zu bitten.

Allerdings soll der 30-Jährige dies zuvor bereits abgelehnt haben, da bei einer Live-Übertragung sein genauer Aufenthaltsort festgestellt werden könnte.

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