Weltstrafgericht:Gambia will raus

Lesezeit: 2 min

Der Gerichtshof sei anti-afrikanisch, meint Diktator Jammeh und kündigt den Austritt an. Die Chefanklägerin war einst seine Justizministerin.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Gambia ist ein Land von ungefähr der halben Größe Hessens, für afrikanische Verhältnisse also, mit Verlaub, winzig. Trotzdem erregt es schon seit Jahren in Europa überdurchschnittlich viel Aufsehen: zum einen weil man an seinen Stränden einen vergleichsweise preiswerten Pauschalurlaub verbringen kann, zum anderen weil unter den afrikanischen Bootsflüchtlingen, die an Italiens Küsten stranden (oder auf dem Weg dorthin ertrinken), sehr viele aus Gambia stammen.

Regiert wird das Land seit 1994 von einem früheren, in den USA ausgebildeten Armee-Hauptmann namens Yahya Jammeh, der gegenüber dem Ausland stets selbstbewusst auftritt: Dem Generalsekretär der Vereinten Nationen etwa, Ban Ki-moon, empfahl er, "zur Hölle" zu fahren, nachdem der sich etwas genauer nach den Umständen erkundigt hatte, unter denen ein Oppositionspolitiker im Gefängnis gestorben war. Internationale Statistiken, wonach die Menschen in seinem Land zu den ärmsten der Welt gehören, sind dem Präsidenten erklärtermaßen egal: "Mein Wachstum, mein wirtschaftlicher Wohlstand - das definiere ich." Überhaupt verbittet er sich jegliche Einmischung von außen, einschließlich der Einfuhr "westlicher" Medikamente gegen Aids: Schließlich ist Jammeh nach eigenem Bekunden in der Lage, die Immunschwäche-Krankheit durch Handauflegen und spezielle Kräuter-Mixturen binnen drei Tagen zu heilen. Die Vereinigung der traditionellen Heiler in Westafrika hat ihn für diese Fähigkeit bereits 2007 zu ihrem Ehrenpräsidenten ernannt.

Als tapferer Verteidiger afrikanischer Interessen gegen imperialistische Einflussnahme gibt sich Jammeh auch jetzt: Am Mittwoch ließ er seinen Informationsminister ausrichten, dass Gambia aus dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) austrete: Es handle sich dabei um ein rassistisches Tribunal, das sich der "Verfolgung und Erniedrigung dunkelhäutiger Menschen" verschrieben habe, während es "westliche Kriegsverbrecher" unbehelligt lasse - wie etwa den früheren britischen Tony Blair, der sein Land 2003 zusammen mit den USA in den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg führte.

Vergangene Woche hatten bereits zwei weitere afrikanische Länder, Burundi und Südafrika, ihren Austritt aus dem IStGH verkündet. Die Kritik, das Gericht ermittle einseitig gegen afrikanische Angeklagte, teilen viele der Staatschefs auf dem Kontinent. Die Chefanklägerin des Gerichts, Fatou Bensouda, die übrigens selbst aus Gambia stammt und einst unter Jammeh zwei Jahre Justizministerin war, hält solchen Anwürfen regelmäßig entgegen, dass es sich auch bei den Opfern der Verbrechen, die in Den Haag verhandelt werden, überwiegend um Menschen dunkler Hautfarbe handelt - dass der Rassismus-Vorwurf also auf groteske Weise ins Leere greift.

Mehrere andere afrikanische Regierungen, etwa in Namibia und Kenia, haben angekündigt, einen Austritt aus dem Rom-Statut, das der Arbeit des IStGH zugrunde liegt, zumindest zu prüfen. Sowohl gegen Kenias Präsident Uhuru Kenyatta als auch dessen Vize hatte das Gericht wegen deren mutmaßlicher Anstiftung von blutigen Wahl-Unruhen Anfang 2008 ermittelt. Im vergangenen Jahr musste es die Verfahren wegen Mangels an Beweisen einstellen.

Sidiki Kaba, Justizminister Senegals, appelierte dagegen am Mittwoch an die afrikanischen Staaten, das Gericht nicht zu verlassen, sondern gemeinsam an dessen Verbesserung zu arbeiten. Auch die Außenministerin von Botswana, Pelomoni Venson-Moitoi, erklärte am Mittwoch: "Ich sehe nicht, weshalb wir austreten sollten." Vielmehr gehe es darum, die Mängel des Gerichts gemeinsam zu "beheben". Zudem regte sie an, das in Tansania ansässige Afrikanische Gericht für Menschenrechte solle künftig enger mit dem IStGH zusammenarbeiten.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: