Die heutige Haager Chefanklägerin war damals bereits ein junger Star in der Justiz, gehörte zum engeren Führungskreis der Staatsanwaltschaft. "Schon als Mädchen, das als Gerichtsschreiberin beim Obersten Gerichtshof Gambias arbeitete", erzählt sie heute, "hatte ich erlebt, wie sich mutige Frauen im gambischen Rechtssystem gegen sexuelle Gewalt wehrten." Schon damals sei sie "im Herzen Juristin" geworden, habe gelernt, "dass das Recht die Kraft hat, die Niedergetretenen zu beschützen und ihnen etwas Gerechtigkeit zu verschaffen".
Bensouda ist 37 Jahre alt, als der Putsch-Offizier sie an die Spitze aller Staatsanwälte des Landes holt, als oberste Anklägerin Gambias sowie als Rechtsberaterin der Regierung, was zugleich einen Platz am Kabinettstisch für sie bedeutet. 1998 ist das. Obwohl Präsident Jammeh formal Wahlen abhalten lässt, festigt sich zu diesem Zeitpunkt die Gewissheit in der Bevölkerung, dass sie faktisch in einer Militärdiktatur lebt. Amnesty International beginnt, von politischen Gefangenen, von Folter und mysteriösen Todesfällen unter Regimekritikern zu berichten.
Yahya Jammeh, 50, regiert den westafrikanischen Ministaat Gambia seit 1994. Der ehemalige Offizier gilt als einer der härtesten Diktatoren Afrikas.
(Foto: Finbarr O'Reilly/Reuters)Anfangs stemmt sich die Justiz dagegen. Einige Richter versuchen, den Gewaltmissbrauch der Sicherheitskräfte und der Regierung zu begrenzen. Doch die Regierung ficht ihre Urteile an. Sie pocht auf harte Strafen gegen Regimegegner. Dabei wird sie von ihren Staatsanwälten vertreten. Und an deren Spitze steht Fatou Bensouda. "Es gab nie eine politische Einmischung in meine Arbeit", sagt sie heute.
Doch ein Vorfall aus dem Jahr 1999 steht zu dieser Aussage etwas quer. Damals verhafteten Sicherheitskräfte in Gambia einen populären Imam, der sich mit Aktivisten der größten Oppositionspartei UDP getroffen hatte, sowie zehn seiner Anhänger. Acht Monate lang saßen die Männer in Untersuchungshaft in der Stadt Brikama, bis ein Richter sie freisprach. Der Richter - er heißt Lamin Darboe und lebt heute in Großbritannien - erinnert sich noch an das Donnerwetter, das am nächsten Morgen folgte.
Die Justizministerin persönlich habe ihn angerufen. Fatou Bensouda habe am Telefon eine Erklärung verlangt. Der Freispruch setze sie "unter sehr viel Druck". Ihre Staatsanwälte gingen in Berufung, um doch noch Strafen zu erstreiten, erst später zogen sie auf internationalen Druck hin zurück. Für Richter Darboe war es das Ende seiner Karriere, bald darauf trieben ihn Drohungen ins Exil.
Kein Versuch, sich von dem umstrittenen Herrscher zu distanzieren
Fatou Bensouda sagt heute, dass sie immer stolz gewesen sei, ihrem Land und ihrem Volk zu dienen und niemals einem Regime. Und doch war sie Teil des Unterdrückungsapparats. Hat sie auf den Putsch-Offizier mäßigend eingewirkt damals? Äußern will sie sich dazu nicht.
Ihre Zeit am Kabinettstisch in Gambia währte nicht lange. Im März 2000 feuerte der junge Herrscher sie ohne Begründung. Bensouda selbst sagt, sie habe damals die Regierung aus freien Stücken verlassen, nicht aus politischem Protest, sondern aus "gänzlich unverwandten Gründen". Sie unternimmt keinen Versuch, sich von dem umstrittenen Herrscher zu distanzieren.
Wenn Gambier heute den Namen Bensouda hören, dann denken sie nicht zuerst an Fatou Bensouda, sondern an Philip, ihren Mann, einen der prominentesten Unternehmer das Landes. Gemeinsam haben sie drei Kinder. Beider Karrieren verlaufen eine Zeit lang parallel: 1998 steht Philip Bensouda hoch in der Gunst des Staatschefs, er wickelt einen millionenschweren Rohöl-Deal für ihn ab. Gleichzeitig geht es auch für seine Frau aufwärts, sie wird Justizministerin. Zwei Jahre später verliert Philip Bensouda die Zuneigung des Herrschers, es kommt zum heftigen öffentlichen Streit. Dies ist der Zeitpunkt, als auch Fatou Bensouda aus dem Amt fliegt.
Eine Zeit lang bleibt sie noch in Gambia, arbeitet als Anwältin, dann wechselt sie zu den Vereinten Nationen, in das Team der Staatsanwälte am internationalen Ruanda-Tribunal. 2004 wird sie stellvertretende Chefanklägerin am Weltstrafgerichtshof, im Jahr 2012 rückt sie dort auf zur Nummer eins. Mit den Mitteln des Strafrechts greift sie seither Warlords und Milizenführer scharf an. Nur für das Regime ihres eigenen Landes, dessen Menschenrechtsverletzungen immer deutlicher zutage treten, findet sie keine Worte der Kritik. Das ist mit Bensoudas heutigem Amt schwer zu vereinbaren, lässt sich aber wohl erklären.
Denn ihre Familie lebt noch immer in Gambia, die Geschäfte ihres Mannes laufen dort bis heute zusammen, die Familie verfügt über einigen Besitz. "Wenn sie öffentlich die Menschenrechtsverletzungen des Diktators anprangern würde", glaubt der gambische Journalist Ebrima Ceesay, der nach dem Putsch 1994 für die BBC berichtete und heute im britischen Exil lebt, "würde sie diese in Gefahr bringen." Es gibt Beispiele dafür, wie der Diktator den Besitz von unliebsamen Unternehmern einzieht. Auch Sippenhaft ist verbreitet in seinem Staat. Bensoudas Angehörige müssen hoffen, dass ihre berühmte Verwandte in Den Haag sie nicht gefährdet.
In den Niederlanden lebt Fatou Bensouda unter Polizeischutz, das bringt das Amt mit sich. So viel Schutz allerdings, dass der Putschist, der sie vor 17 Jahren in die Politik holte, keine Macht mehr über sie hätte, kann ihr wohl niemand bieten.