Abrüstung:Schlachtfeld Weltraum

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Geißelt Chinas Abwesenheit bei den Verhandlungen über Atomwaffenkontrolle: Der Sondergesandte der USA, Marshall Billingslea, nach den Gesprächen mit Russlands Vize-Außenminister in Wien. (Foto: reuters; DR; Collage SZ)

Während Russen und Amerikaner über Abrüstung verhandeln, werden im All schon Fakten geschaffen. Vor allem Chinas Raketenarsenal unterliegt keinerlei Begrenzung. Eine Einladung zu den Gesprächen schlägt Peking aus.

Von Paul-Anton Krüger, München

Cosmos 2543 ist eine Art Putzerfisch des Weltalls. Der russische Satellit war vergangenes Jahr an Bord eines größeren Himmelskörpers, Cosmos 2542, in eine Umlaufbahn geschossen worden. Einmal freigesetzt, hat der kleine Satellit nach offiziellen Angaben aus Moskau "Inspektionsaufgaben" erfüllt. Dabei kam er nicht nur russischen Satelliten ziemlich nahe, sondern auch einem US-Himmelsspäher vom Typ KH-11 - der liefert Bilder von der Erde mit angeblich 15 Zentimetern Auflösung. Mehr als das besorgt das von US-Präsident Donald Trump neu gegründete Weltraumkommando des US-Militärs aber, dass Cosmos 2543 am 15. Juli in der Nähe eines russischen Satelliten ein Projektil freisetzte - ein Putzerfisch mit Harpune quasi.

Es traf zwar kein Zielobjekt, die Amerikaner und auch das britische Militär allerdings halten den ungewöhnlichen Vorgang für einen Test einer weltraumgestützten Anti-Satelliten-Waffe. Als einen "weiteren Beleg für Russlands Bemühungen, weltraumgestützte Waffensysteme zu entwickeln und zu testen", wertete der Chef des US-Weltraumkommandos, General John W. Raymond, das Manöver und verwies auf Moskaus Militärdoktrin, die vorsehe, weltraumgestützte Fähigkeiten der USA und ihrer Verbündeten zu bedrohen. Christopher Ford, im US-Außenministerium für Rüstungskontrolle zuständig, kritisierte die "Heuchelei" des Kreml, der zwar fordere, weltraumgestützte Waffensysteme zu verbieten, diese zugleich aber teste.

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Das Außenministerium in Moskau dagegen teilte mit, das "kleine Raumschiff", das vom russischen Verteidigungsministerium getestet worden sei, habe lediglich einen anderen russischen Satelliten "aus kurzer Entfernung mit Spezialausrüstung" inspiziert. Das habe weder andere Himmelskörper gefährdet, noch gegen internationales Recht verstoßen. Die Anschuldigungen aus Washington und London seien "eine Verdrehung der Wahrheit".

Am Montag nun hatten Vertreter beider Seiten Gelegenheit, sich über die unterschiedlichen Sichtweisen auszutauschen. In Wien trafen sich Delegationen der beiden Staaten erstmals seit 2013, um über Sicherheit im Weltraum zu sprechen. An diesem Dienstag sollen Verhandlungen über nukleare Rüstungskontrolle folgen, in denen es vor allem um die Zukunft des 2021 auslaufenden New-Start-Vertrages geht. Es ist die letzte noch gültige Vereinbarung, die Obergrenzen für strategische Nuklearwaffen und deren Trägersysteme festlegt.

Chinas Raketenarsenal unterliegt bislang keiner Begrenzung

US-Diplomat Ford sagte, Russland und China hätten den Weltraum längst zum Schlachtfeld gemacht - Russland hatte im April eine Antisatelliten-Rakete getestet, ohne dabei einen Himmelskörper zu zerstören. China hatte seine Fähigkeiten bereits 2007 mit dem Abschuss eines eigenen Wettersatelliten unter Beweis gestellt und seither mehrere Raketentests vorgenommen, die nach Ansicht der USA zur weiteren Entwicklung solcher Waffen dienten. Zugleich lehnen die USA allerdings ein Abkommen zur Rüstungskontrolle im Weltraum ab, weil sie es für nicht verifizierbar halten.

Sowohl für Russland als auch für China wären amerikanische Militär-und Spionagesatelliten im Konfliktfall logische Ziele, um die überlegenen Aufklärungs- und Kommunikationsfähigkeiten des US-Militärs zu schwächen. Frühwarnsysteme und Spionagesatelliten haben aber auch für die nukleare Stabilität erhebliche Bedeutung. Sie können Starts ballistischer Raketen orten und etwa mobile Startrampen aufspüren. US-Präsident Donald Trump strebt zumindest laut offizieller Darstellung ein "umfassendes Abrüstungsabkommen" an, das China ebenso einbeziehen soll wie neuartige Waffensysteme oder solche, die von den geltenden Bestimmungen nicht umfasst sind - Washington verweist da vor allem auf Chinas Raketenarsenal, das bislang keiner Begrenzung unterliegt.

China hatte seine ablehnende Haltung jüngst zwar ein wenig aufgeweicht und sich grundsätzlich bereit erklärt, im Kreis der fünf UN-Vetomächte, zugleich die offiziellen Atommächte, "alle Fragen der strategischen Stabilität, nuklearer Risiken und Abrüstung" zu erörtern. Allerdings werde sich Peking nicht an den Wiener Verhandlungen über eine Nachfolgevereinbarung zum New-Start-Vertrag beteiligen, stellte der Generaldirektor der Abteilung für Rüstungskontrolle und Abrüstung des Außenministeriums, Fu Cong, Anfang Juli klar.

Putin will die Marine mit nuklear bewaffneten Hyperschallgleitern ausüsten

Beim jüngsten Treffen mit der russischen Seite in Wien hatte der US-Unterhändler und Sondergesandte des Präsidenten, Marshall Billingslea, im Verhandlungssaal eine chinesische Flagge aufstellen lassen - und dann auf Twitter gegeißelt, dass Peking trotz einer Einladung der USA nicht erschienen sei. Dieser PR-Stunt hatte Moskau und Peking gleichermaßen irritiert. Fu sagte bald darauf, den Faktor China hochzuspielen sei nur ein Trick der US-Regierung, um "die Welt abzulenken und einen Vorwand zu schaffen, unter dem sie den New-Start-Vertrag verlassen können, wie so viele andere Rüstungskontrollabkommen" - eine Befürchtung, die etliche Experten und Diplomaten teilen.

Ein umfassendes Abkommen auszuhandeln würde Jahre dauern, bis zur Präsidentenwahl in den USA sind es allerdings nur noch knapp 100 Tage. Als einzig gangbarer Weg gilt daher, den New-Start-Vertrag unverändert zu verlängern - möglicherweise allerdings nicht mit nochmals fünf Jahren Laufzeit, sondern weniger. Allerdings haben sich alle Bemühungen um Rüstungskontrolle in den vergangenen Jahren als extrem schwierig erwiesen. Russlands Präsident Wladimir Putin hat erst am Sonntag angekündigt, die Marine mit nuklear bewaffneten Hyperschallgleitern auszurüsten - was die Gespräche in Wien nicht gerade einfacher machen dürfte.

© SZ vom 28.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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