Welthunger-Index 2011:Wo die Not am größten ist

925 Millionen Menschen hungern weltweit. Am stärksten leidet die Bevölkerung im Kongo. Und es wird dort nicht besser, sondern immer schlimmer. Der Welthunger-Index 2011 beschreibt, welche Länder noch betroffen sind - und welche Ursachen der Hunger hat.

Lydia Bentsche

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Quelle: AP

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220 Euro kostet in Deutschland eine Designerjeans. Oder ein Handy, das nicht allzu smart ist. Den Menschen in der Demokratischen Republik Kongo dagegen müssen durchschnittlich 220 Euro zum Leben reichen. Nicht im Monat. Im Jahr. Der riesige Kongo ist zusammen mit dem kleinen Nachbarn Burundi das Land mit dem niedrigsten Bruttoinlandsprodukt je Einwohner. Zusammen stehen die beiden Subsahara-Staaten auch an der Spitze einer noch traurigeren Rangliste: Sie führen den Welthunger-Index an.

Die Welthungerhilfe, das International Food Policy Research Institute und Concern Worldwide haben den Welthunger-Index zum sechsten Mal veröffentlicht. In diesem Jahr stufen die Organisationen 26 Länder als kritisch ein. Doch nirgendwo leiden die Menschen so sehr wie im Kongo. In dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Land ist der Index-Wert im Vergleich zu 1990 um 63 Prozent gestiegen. Fast drei Viertel der Bevölkerung sind unterernährt, die Kindersterblichkeitsrate ist weltweit eine der höchsten.

Welthunger-Index 2011 nach Schweregrad

Quelle: Welthungerhilfe

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Drei Indikatoren bilden die Grundlage des Welthunger-Index:

[] der Anteil der Unterernährten in der Bevölkerung,

[] der Anteil untergewichtiger Kinder unter fünf Jahren,

[] der Anteil der Kinder, die vor dem fünften Lebensjahr sterben.

Aus diesen Daten jedes Landes ergibt sich ihre Einordnung in einen der Bereiche "gravierend", "sehr ernst", "ernst", "mäßig" oder "wenig Hunger".

Im WHI wurden in diesem Jahr 122 Entwicklungs- und Schwellenländer berücksichtigt, in denen Hunger weitverbreitet ist und für die Daten zu den drei Indikatoren vorliegen. Für Somalia und Afghanistan, wo der Anteil unterernährter Menschen aller Wahrscheinlichkeit nach sehr hoch ist, liegen zu wenig Informationen vor. Deshalb tauchen sie in dem Index nicht auf. Seit 1990 ist der weltweite Hunger zwar etwas zurückgegangen, doch noch immer sind 925 Millionen Menschen betroffen.

Living On The Edge

Quelle: Getty Images

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Der WHI stuft neben Kongo und Burundi die Situation in zwei weiteren afrikanischen Ländern als "gravierend" ein: Eritrea und Tschad.

An fünfter Stelle der Rangliste liegt Äthiopien (Bild). Hier stuft der WHI die Lage als "sehr ernst" ein. Das Land hat sich im Lauf der Jahre zwar auf dem Index verbessert - früher galt die Lage in dem ostafrikanischen Land ebenfalls als "gravierend". Doch die Lage ist weiter präker. Die Hilfsorganisationen prangern an, dass die soziale Grundsicherung in Äthiopien nur ein Viertel der armen Bevölkerung erreicht.

"Sehr ernst" ist die Lage auch in 21 weiteren Ländern, zum Beispiel in Haiti, Osttimor, dem Jemen, Bangladesch, Indien, Ruanda, Pakistan und Laos.

North Korean children wait to be examined for possible signs of malnutrition in an orphanage in an area damaged by summer floods and typhoons in South Hwanghae province

Quelle: Reuters

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In Nordkorea verschlechterte sich der Index-Wert zwischen 1990 und 2011 um 18 Prozent, die Lage wird weiterhin als "ernst" eingeschätzt. Trotz internationaler humanitärer Hilfsleistungen herrscht in der Diktatur "chronische Ernährungsunsicherheit", urteilt der WHI. Der Fortschritt werde durch die schwache Wirtschaft, hohe Rüstungsausgaben, wetterbedingte Missernten und systemische Mängel des Agrarsektors behindert.

Kakaoanbau in der Elfenbeinküste

Quelle: dpa

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Zu den Verlieren gehört außerdem die Elfenbeinküste. Nicht nur bewaffnete Konflikte und politische Turbulenzen machten dem Land zu schaffen. Auch die Preisschwankungen auf den internationalen Agrarmärkten gefährden die Ernährungssicherheit des weltgrößten Produzenten und Exporteurs von Kakaobohnen. Der WHI-Wert des Landes stieg im Vergleich zu 1990 um acht Prozent an, die Situation ist "ernst".

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Quelle: AP

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Große Fortschritte im Kampf gegen den Hunger hat Ghana gemacht. Das Land konnte seinen Index-Wert seit 1990 um 59 Prozent senken. Der WHI führt den Erfolg auf eine Kombination von Investitionen in Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Gesundheit und Bildung sowie auf gestiegene Impfraten gegen Kinderkrankheiten zurück. In den vergangenen Jahrzehnten setzte die Regierung auf Informationskampagnen für die Bauern, versorgte sie mit Düngemitteln und Insektiziden und verbesserte gleichzeitig das Straßennetz und die Lagerung der Nahrungsmittel.

Gemeinsam mit dem brasilianischen Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva wird der frühere ghanaische Präsident John Kufour dafür in diesem Jahr mit dem World Food Prize ausgezeichnet.

Türkei - Deutschland

Quelle: dpa

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Südostasien, der Nahe Osten, Nordafrika sowie Lateinamerika und die Karibik verzeichnen seit 1990 einen Rückgang der WHI-Werte. Große Erfolge im Kampf gegen den Hunger erzielte beispielsweise die Türkei, ihr Index-Wert sank im Vergleich zu 1990 um 67 Prozent. Der Anteil unterernährter Kinder wurde um fast zwei Drittel reduziert, auch die Kindersterblichkeit konnte gesenkt werden und der Anteil an unterernährten Menschen blieb niedrig.

To match WITNESS/CONGO-DEMOCRATIC

Quelle: REUTERS

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Bärbel Diekmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, macht vor allem starke Schwankungen und immer neue Rekordhöhen bei den Nahrungsmittelpreisen als Ursachen dafür aus, dass sich das Hungerproblem weltweit verschärft. Menschen in Entwicklungsländern sind von hohen Nahrungsmittelpreisen am stärksten betroffen. Sie geben etwa 70 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. "Die Familien schicken die Kinder nicht mehr in die Schule, sparen an den Gesundheitskosten und reduzieren ihre Mahlzeiten so weit, dass die Mangelernährung bei Kindern wieder steigt", beklagt Dieckmann.

Die Herausgeber des WHI 2011 nennen drei Ursachen, weshalb die Nahrungsmittelpreise so stark schwanken:

[] mehr Agrarprodukte werden zur Treibstoffherstellung verwendet

[] Folgen des Klimawandels, etwa Dürren und Überflutungen

[] eine Zunahme der Preisspekulation an den Agrarmärkten

© sueddeutsche.de/lyb/woja
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