Welthandel:Falken unter sich

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Mit Gary Cohn verlässt der letzte Erwachsene das Weiße Haus, Handelspolitik machen nun die Hardliner. Der Abschied von den liberalen Idealen hat allerdings schon lange vor Trump begonnen.

Von Nikolaus Piper

Für Gary Cohn war es vielleicht die letzte Chance, das Weiße Haus ohne größeren Schaden für sein Ansehen zu verlassen. Der Wirtschaftsberater von Donald Trump, der auf eine respektable Karriere an der Wall Street zurückblickt, hat den Machtkampf mit den Hardlinern um die unsinnigen Strafzölle auf Aluminium und Stahl verloren und zog daraus die einzig mögliche Konsequenz, den Rücktritt.

Für den Rest der Welt, und besonders für die engsten Verbündeten der Vereinigten Staaten, ist Cohns Rücktritt eine Katastrophe. Einer der letzten Erwachsenen verlässt das Weiße Haus. Die Handelspolitik bestimmen dort nun der Pop-Ökonom Peter Navarro und der Unternehmer und Freihandelsfeind Wilbur Ross als Wirtschaftsminister. Der Handelsbeauftragte Robert E. Lighthizer lehnt nach Berichten amerikanischer Medien zwar die neuen Zölle ab, ist aber nicht bereit, für seine Überzeugungen zu kämpfen. Niemand widerspricht mehr Trumps grotesker Twitter-Weisheit, wonach Handelskriege "gut und leicht zu gewinnen" sind. Cohn wollte den Slogan "America first" durch "but not alone" (aber nicht ausschließlich) mildern - alles vergeblich.

Der letzte Erwachsene verlässt das Weiße Haus, Handelspolitik machen die Hardliner

Es wird jetzt schwer werden, noch in letzter Minute einen Handelskrieg zwischen den USA und den Opfern der geplanten Zölle - Kanada, Mexiko und die EU - zu verhindern. Die Bundesregierung und viele Manager aus der deutschen Wirtschaft hoffen zwar, dem Krieg dadurch ausweichen zu können, dass die EU auf Trumps Zölle nicht mit Vergeltung, sondern mit Gesprächen antwortet. Das könnte sich als frommer Wunsch erweisen. Schon jetzt droht Trump mit Strafzöllen auf Autos, die dann besonders Deutschland treffen würden. In der Welt, in der Trump lebt, zählen Argumente nicht viel.

Dass jetzt ein Handelskrieg den globalen Aufschwung gefährdet, ist schlimm genug. Schlimmer noch ist, dass der Abgang von Gary Cohn den Ausstieg der Vereinigten Staaten aus der liberalen Weltwirtschaftsordnung markieren könnte. Und das hätte geopolitische Folgen, die sich heute nur erahnen lassen. Die Werte, die hinter dieser Ordnung stehen, werden oft gepriesen in diesen Tagen: dass alle Handelspartner gleich sind, dass ausländische Waren den inländischen gleichgestellt sind und Verstöße gegen die Ordnung nach genau vorgeschriebenen Regeln geahndet müssen. Gegen diese Prinzipien wurde und wird immer wieder verstoßen. Aber im Prinzip hat die Ordnung seit dem Zweiten Weltkrieg gehalten, vor allem weil Amerika mit der ganzen Autorität einer Supermacht dahinterstand. Das war kein Altruismus, schließlich profitierten die USA massiv von den offenen Märkten. Aber sie ließen den Rest der Welt teilhaben an den Vorzügen dieser Ordnung. Das war der Deal, der das amerikanische Zeitalter so erfolgreich machte. Und dieses Zeitalter ist dabei, zu Ende zu gehen.

Ehrlicherweise muss man einräumen, dass der Abschied von den liberalen Idealen schon lange vor Trump begonnen hat. Das entscheidende Datum war vermutlich der 11. Dezember 2001, als die Volksrepublik China der Welthandelsorganisation (WTO) beitrat. China gehörte ob seiner Wirtschaftskraft längst in die Organisation, die über die Regeln der liberalen Ordnung wacht. Aber es verstieß und verstößt mit seinem reglementierten staatsmonopolistischen Kapitalismus massiv gegen diese Regeln. Die Brüche, die der Aufstieg Chinas in den alten Industrieländen auslöste, wurden dadurch noch schlimmer. Auch der jetzige Handelskonflikt hat seine Wurzeln in den chinesischen Stahlsubventionen. Für Amerikaner und Europäer verlor das alte System so schnell seine Legitimität. Schon unter den Präsidenten Bush und Obama vernachlässigten die USA die WTO systematisch, sie verließen sich lieber auf bilaterale Freihandelsabkommen.

Jetzt könnte unter Trump der endgültige Bruch kommen, und zwar mit maximalen Kollateralschäden unter Amerikas Verbündeten. Profitieren wird dagegen die Volksrepublik China. Die chinesische Führung nutzt konsequent das Vakuum, das der amerikanische Präsident im Welthandelssystem geschaffen hat, indem sie sich als Hüterin des Freihandels ausgibt. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt profitiert von dem Regime offener Märkte, und missachtet es gleichzeitig. Für viele Schwellenländer ist das ein sehr attraktives Modell. Das Weltwirtschaftssystem wird weniger liberal und weniger amerikanisch, dafür politisierter und chinesischer. Und Donald Trump kann sagen, dass er dazu beigetragen hat.

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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