Welthandel:Ali oder Foreman

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Im Handelsstreit zwischen China und den USA ist nach dem Treffen Xis mit Trump wenig erreicht. Kein Wunder. In Wirklichkeit geht es nicht um Zölle und Exportüberschüsse, sondern um viel Größeres.

Von Claus Hulverscheidt

Man darf gespannt sein, wie die Börsen an diesem Montag reagieren. Ob sie wieder ein Feuerwerk der Einfältigkeit abbrennen werden wie im Dezember und im Mai, als die USA und China angeblich schon einmal kurz davorstanden, ihren Handelsstreit beizulegen. Oder ob sie sich stattdessen der Backpfeifen erinnern, die sie sich einfingen, als der "größte Deal aller Zeiten" wenig später erst einmal wieder platzte. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch dieses Mal die Naivität obsiegt, ist nicht gering.

Natürlich ist es eine gute Nachricht, dass Donald Trump und Xi Jinping beim G-20-Gipfel vereinbart haben, ihre Handelsgespräche wieder aufzunehmen. Gewonnen aber ist damit nach aller bisherigen Erfahrung noch gar nichts, zumal sich die Frage stellt, was die beiden Staatenlenker motiviert hat. War es wirklich Kompromissbereitschaft, die sie antrieb, oder doch eher die Angst vor dem wirtschaftlichen Chaos sowie dem Zorn daheim, der sich bei einer weiteren Eskalation des Streits Bahn gebrochen hätte?

Es spricht einiges dafür, dass Letzteres der Fall ist, denn inhaltlich liegen beide Seiten immer noch so weit auseinander, dass eine Kompromisslinie kaum erkennbar zu sein scheint. Denn der Streit dreht sich ja im Kern gar nicht um Exportüberschüsse und Handelsbilanzen, sondern um die Frage, wer der Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts seinen Stempel aufdrücken wird. Noch sind die USA Marktführer, doch China macht ihnen den Platz mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln streitig, wogegen sich die Amerikaner wiederum mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln wehren. Solange beide Seiten Handel nicht als Miteinander, sondern als eine Art aggressiven Ausscheidungskampf begreifen, ist ein Kompromiss unmöglich - so wie auch Muhammad Ali und George Foreman nicht gleichzeitig Box-Weltmeister sein konnten.

Man könnte sich die Faust- und Nackenschläge der Kombattanten Trump und Xi einigermaßen entspannt ansehen, richteten die beiden nicht weltweit so viel Schaden an. Anders nämlich als der US-Präsident überall tönt, "gewinnt" sein Land mit den Zöllen auf Importe aus China gar nichts, vielmehr verliert die globale Wirtschaft Tag für Tag an Kraft: Das Wachstum wird ausgebremst, Investitionen und Vertrauen sinken.

Eins und eins ist im Moment nicht drei, sondern eins

Dabei hatte sich Trump zu Beginn seiner Präsidentschaft eine einmalige Chance geboten. Er hätte China einerseits als neuen Partner an der Spitze der Wirtschaftsnationen willkommen heißen, zugleich aber eine globale Allianz gegen Industriespionage, Ideenklau und übertriebene Exportlastigkeit schmieden können. Denn das unlautere Gebaren chinesischer Unternehmen und Regierungsvertreter stößt ja nicht nur den Amerikanern sauer auf, sondern auch vielen Ländern in Europa, Asien und Südamerika. Stattdessen jedoch wählte der Präsident den Alleingang per Brechstange. Macht er so weiter, das hat die Nachrichtenagentur Bloomberg errechnet, könnten der Welt bis 2021 rund 1,2 Billionen Dollar an Wirtschaftsleistung verloren gehen.

Das Interessante am Konzept des Handels ist, dass er - im richtigen Moment und mit fairen Regeln - ein Zugewinngeschäft für alle Beteiligten sein kann, bei dem die Gesetze der Mathematik außer Kraft gesetzt werden. Eins und eins ist dann nicht gleich zwei, sondern drei. Im Fall der USA und Chinas dagegen ergibt eins und eins derzeit nur eins.

© SZ vom 01.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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