Weißrussland:Persona grata Lukaschenko

File photo of Belarus' President Lukashenko at news conference during presidential election in Minsk

Alexander Lukaschenko hat in Minsk Punkte gutgemacht. Oppositionelle und Menschenrechtler kritisieren aber: die Repressionen in Weißrussland gingen weiter.

(Foto: Vasily Fedosenko/Reuters)

Die EU-Sanktionen gegen den Präsidenten enden. Das sehen Oppositionelle und Menschenrechtler kritisch.

Von Frank Nienhuysen

Die Präsidentschaft ist Alexander Lukaschenko vorerst nicht zu nehmen, einen Titel aber ist er jetzt los: Als "letzten Diktator Europas" bezeichnet ihn im Westen kaum noch jemand. US-Präsident Barack Obama ließ sich mit Lukaschenko bei der UN-Vollversammlung bereits fotografieren, nun hat auch die Europäische Union einen großen Schritt auf den weißrussischen Staatschef zu gemacht. Die bereits für einige Monate ausgesetzten Sanktionen gegen Lukaschenko sowie 169 weitere Vertreter des Regimes laufen Ende des Monats endgültig aus, wie die EU am Montag beschloss. Lukaschenko ist damit keine Persona non grata mehr, darf frei einreisen und Konten führen.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte selber, die Entscheidung sei getroffen "natürlich nicht im naiven Vertrauen, dass sich Weißrussland von heute auf morgen ändert". Doch die EU hat der weißrussischen Führung angerechnet, dass sie im Spätsommer politische Gefangene freiließ und die Präsidentenwahl im Herbst wenigstens nicht von Gewaltexzessen überlagert wurde. Anlass für die EU-Sanktionen war die Niederschlagung von Protesten bei der Präsidentenwahl 2010 gewesen sowie die Festnahme und Inhaftierung von Lukaschenkos Gegenkandidaten.

Einer von ihnen ist der damalige Präsidentschaftskandidat Wladimir Nekljajew, der nun im Telefonat mit der Süddeutschen Zeitung die Aufhebung der EU-Sanktionen kritisiert. "Die EU hat damit ein wichtiges Instrument aus der Hand gegeben, mit dem sie Einfluss auf Lukaschenko ausüben kann. Er hat ja schon erklärt, dass es mit ihm keine echten politischen Reformen geben wird", sagt Nekljajew. "Vor wenigen Tagen erst wurde wieder ein Regierungskritiker verurteilt, nur weil er an einer Demonstration gegen polizeiliche Willkür teilnahm. Nichts hat sich in Weißrussland geändert."

Auch der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Weißrussland, Miklós Haraszti, erklärte, dass es in den vergangenen vier Monaten zahlreiche Fälle gegeben habe, in denen elementare Rechte verletzt worden seien. Minsk habe keinen Willen gezeigt, "das hochrepressive Rechtssystem zu reformieren". Gleichwohl würdigte auch Haraszti die Freilassung der politischen Gefangenen.

Weißrussland hat in den Augen der EU außerdem als Gastgeber der Minsker Verhandlungen zum Ukraine-Konflikt wichtige Pluspunkte gesammelt. Und es hat, anders als von Moskau erhofft, den Anschluss der Krim an Russland nicht anerkannt. Weißrussland bemüht sich seit einigen Monaten um eine Annäherung an die EU, vor allem, weil es sich wirtschaftliche Vorteile erhofft, Investitionen und auch Kredite des Internationalen Währungsfonds. Die Geschäfte mit dem Nachbarn Russland laufen wegen dessen massiver Wirtschaftskrise derzeit schlecht. Das hat auch Weißrusslands Märkte sowie den weißrussischen Rubel getroffen.

Die EU und auch die Bundesregierung sehen nun immerhin die Gelegenheit zu einem neuen Dialog, eine Chance vielleicht auch für die Rückkehr der aus dem Land gedrängten Stiftungen. Stephan Meuser, Leiter des für Weißrussland zuständigen Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, das im Herbst 2011 in Minsk schließen musste und seitdem von Kiew aus arbeitet, hofft nun auf eine Rückkehr "vielleicht zum Ende dieses Jahres". Die Parlamentswahlen im Herbst hält er für eine weitere Gelegenheit, dass Minsk wenigstens kleine Fortschritte zeigt. Große Illusionen über den Kurs des Lukaschenko-Regimes hat aber auch Meuser nicht. "Der Hauptfehler im Westen war die Erwartung, dass Weißrussland einen europäischen Weg einschlägt", sagt er. "Aber ich sehe niemanden im Minsker Apparat, der dies will."

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