Weimarer Republik:Wegweiser für die Demokratie

Weimarer Republik: Wortgewaltig: Der preußische Innenminister Albert Grzesinski (im Anzug) spricht zu Angehörigen des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold im Berliner Lustgarten. Undatiertes Foto.

Wortgewaltig: Der preußische Innenminister Albert Grzesinski (im Anzug) spricht zu Angehörigen des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold im Berliner Lustgarten. Undatiertes Foto.

(Foto: Scherl/SZ Photo)

Der SPD-Politiker Albert Grzesinski zeichnete in seinen Reden ein klares Bild, wie man den Staat nach 1918 zur wehrhaften Republik hätte umbauen können. Es lohnt sich, diese Reden wieder zu lesen.

Von Robert Probst

Die Magdeburger Volksstimme nannte ihn den "Volksminister", einen "Mann, der mit fester Hand die Staatsgeschicke zu lenken versteht". Das war im Jahr 1928. Heute ist dieser Minister weitgehend vergessen. Zu Unrecht. Albert Grzesinski, SPD, Mitglied des preußischen Landtags (1921-1933), preußischer Innenminister (1926-1930) und Berliner Polizeipräsident (1925/26 und 1930-1932) hatte eine Menge zu sagen. Der Kasseler Historiker Dietfrid Krause-Vilmar hat nun eine Reihe von Reden des Sozialdemokraten herausgegeben. Die Lektüre lohnt - vor allem in diesen Tagen, da zum 100. Jahrestag der Ermordung von Walther Rathenau wieder darüber sinniert wird, wie man der Republikfeinde vielleicht besser hätte Herr werden können.

Am besten womöglich mit der Methode Grzesinski. Sein Bestreben ging stets in zwei Richtungen: Die Verteidigung der Grundrechte, wie sie in der Weimarer Verfassung erstmals festgeschrieben worden waren, aber mit klaren Grenzen, die nicht überschritten werden durften. Und er strebte danach, den Verwaltungsapparat zu demokratisieren, was ihm im SPD-regierten Preußen besser gelang als anderswo, trotzdem blieb sein Wunsch nach "republikanisch demokratisch denkenden und fühlenden Personen" an der Spitze in der Verwaltung und Exekutive letztlich unerfüllt.

Ein wuchtiger Rhetoriker

Seine Reden sind teils wuchtig (wenn es gegen das "hysterische Geschrei" der NSDAP geht, die Deutschland "in den Bürgerkrieg" stürzen will), teils werbend (Die Polizei - dein Freund und Helfer) und immer wieder erklärend, was diese Verfassung so einzigartig macht und warum die Republik wehrhaft gemacht werden muss. Seine Klarheit und Geradlinigkeit ist an vielen Stellen beeindruckend, viele Gedanken sind historisch lehrreich - und ebenso aktuell.

Weimarer Republik: Albert Grzesinski: Politische Reden 1919-1933. Herausgegeben von Dietfrid Krause-Vilmar. Franz-Steiner-Verlag, Stuttgart 2022. 202 Seiten, 42 Euro.

Albert Grzesinski: Politische Reden 1919-1933. Herausgegeben von Dietfrid Krause-Vilmar. Franz-Steiner-Verlag, Stuttgart 2022. 202 Seiten, 42 Euro.

(Foto: Franz Steiner Verlag)

Krause-Vilmar, der dem einstigen Metallarbeiter aus Pommern und späterem Kasseler Gewerkschaftsführer schon einige Aufsätze gewidmet hat, sieht Grzesinskis große Leistung darin, dass "er umfassende Perspektiven für den Transformationsprozess aus dem wilhelminischen Obrigkeitsstaat in einen modernen demokratischen Verfassungsstaat entwarf und praktizierte". Als er im März 1933 Deutschland verlassen musste, fertigte Grzesinski aus seinem reichhaltigen Privatarchiv die erste gewichtige Rückschau auf die Zerschlagung der Demokratie durch alte Eilten und völkische Hetzer. "Im Kampf um die deutsche Republik. Erinnerungen eines Sozialdemokraten" (wieder veröffentlicht 2002 von Eberhard Kolb), ist die Quintessenz seines Lebens. Er starb 1947 in New York.

Hätten mehr Politiker gedacht und gehandelt wie Albert Grzesinski, hätte sich die Republik vielleicht länger wehren können.

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