Militär Deutschland:Schluss mit freiwillig?

Militär Deutschland: Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden.

Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden.

(Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Politiker verschiedener Parteien regen ein verpflichtendes Dienstjahr für junge Menschen an. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hält die Wehrpflicht für "nicht erforderlich".

Der russische Angriff auf die Ukraine hat eine Debatte über die Wiedereinführung einer allgemeinen Dienstpflicht in Deutschland ausgelöst. Der Generalinspekteur der Bundeswehr wie auch führende SPD-Politiker sprachen sich klar dagegen aus. Doch die Gewissheiten bröckeln. So betonte etwa Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in einem Blog: "Im Gegensatz zu meiner Partei bin ich sowohl für eine gut ausgerüstete Bundeswehr als auch für eine allgemeine Wehrpflicht." Allerdings müsse beides modern gestaltet "und der Auftrag der Truppe so klar formuliert sein, dass sich die Bevölkerung hinter ihren Zielen vereinigen kann".

Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam.

"Die Wehrpflicht, so, wie wir sie noch kennen, ist in der jetzigen Situation nicht erforderlich", sagte Generalinspekteur Eberhard Zorn der Funke-Mediengruppe. Die Bundeswehr und ihre Aufgaben hätten sich verändert. "Für den Kampf im Cyberraum, um nur ein Beispiel zu nennen, sind Wehrpflichtige absolut ungeeignet", erklärte Zorn. "Wir brauchen gut ausgebildetes, in Teilen sogar hochspezialisiertes Personal, um das gesamte Aufgabenspektrum abzudecken."

Zorn wies darauf hin, dass eine Entscheidung dieser Tragweite nicht auf die Schnelle getroffen werden könne. "Mit Blick auf eine Umstrukturierung der Bundeswehr wieder hin zu einer Streitkraft, die sich wesentlich auf eine Mobilmachung aus dem Volk heraus abstützt, muss es vorher eine gesamtgesellschaftliche Debatte geben, die deutlich über das Wehrressort hinausgeht", sagte er. "Die Vorbereitungen dafür bräuchten dann auch viel Zeit, Kraft und den politischen wie gesellschaftlichen Konsens, dass das sicherheitspolitisch erforderlich ist - von der Klärung rechtlicher und grundgesetzlicher Fragen ganz abgesehen."

"Die Debatte ist mehrfach ausgiebig geführt worden, und sie ist entschieden", sagt Kühnert

Auch führende SPD-Politiker sprachen sich gegen die Wehrpflicht aus. "Eine Reaktivierung der Wehrpflicht leistet keinen Beitrag zum Abbau aktueller Bedrohungen und lenkt von dringlichen Problemen ab", sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert den Funke-Zeitungen. "Die Debatte ist mehrfach ausgiebig geführt worden, und sie ist entschieden." Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sprach sich nach Informationen der Funke-Zeitungen gegen eine solche Debatte aus.

Allerdings gibt es bei SPD und Union einige Befürworter einer allgemeinen Dienstpflicht. Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß etwa fände ein solche Dienstpflicht, die "bei der Bundeswehr, aber etwa auch bei Hilfsorganisationen oder in den Bereichen Pflege und Erziehung absolviert werden kann", gut. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht oder eine allgemeine Dienstpflicht hält dagegen Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder nicht für sinnvoll. Letztere sei aus seiner Sicht verfassungsrechtlich kaum umsetzbar und ein hoher bürokratischer Aufwand. "Außerdem sollten die jungen Menschen nach zwei Jahren Corona nicht zusätzlich verunsichert werden", sagte Söder. Statt Zwang setze er auf Freiwilligkeit.

Und Ramelow? Er will eine "Parlamentsarmee der Landesverteidigung". Diese müsse im Bündnis mit europäischen Partnern in der Lage sein, Deutschland und Europa zu verteidigen "nicht mehr und nicht weniger", wie Ramelow schrieb. Seiner Ansicht nach sollte eine solche Armee auf Verteidigung beschränkt sein - ohne Auslandseinsätze wie in Afghanistan oder in Mali.

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