Wegen Benachteiligung kleiner Parteien:Piraten wollen gegen Parteienfinanzierung klagen

Die Piraten fühlen sich benachteiligt: Insgesamt wurden aus der Parteienfinanzierung Ende Januar 142 Millionen Euro ausgezahlt, davon nur 580.000 Euro an ihre Partei. Jetzt erwägen sie eine Verfassungsklage - denn bisher schreibt das Gesetz vor, dass die Finanzen kleiner Parteien gleich zweimal gestutzt werden.

Claudia Henzler

Die Piratenpartei sieht sich von der staatlichen Parteienfinanzierung benachteiligt. Der Bundesvorstand erwägt deshalb eine Verfassungsklage. Nach Ansicht der etwa 20.000 Mitglieder starken Partei wird das Geld nicht gerecht verteilt, kleinere Parteien würden um ihre Chancengleichheit im politischen Wettbewerb gebracht. "Es ist wichtig, dass das Bundesverfassungsgericht die Parteienfinanzierung insgesamt überarbeitet", sagt der Piratenvorsitzende Sebastian Nerz.

Grafik zur Parteienfinanzierung.

Grafik zur Parteienfinanzierung im Jahr 2011.

(Foto: SZ-Grafik)

Das Grundgesetz schreibt den Parteien in Deutschland eine wichtige Rolle "bei der politischen Willensbildung des Volkes" zu. So wichtig ist diese Rolle, dass Parteien ihre Arbeit zu einem großen Teil durch Geld aus der Staatskasse finanzieren können. Das Geld ist für hauptberufliches Personal, für Geschäftsstellen, für die parteiinterne Kommunikation und für Wahlkämpfe gedacht. Fast 142 Millionen Euro konnte Bundespräsident Norbert Lammert Ende Januar an die Parteien verteilen.

Die Piraten erhalten davon knapp 580.000 Euro - ein Betrag, der den Vorsitzenden Sebastian Nerz nicht glücklich macht. Zwar sind die Ausgaben der Partei derzeit überschaubar, denn ihre Mitglieder machen fehlendes Geld durch Engagement und Improvisationskunst wett. Doch allmählich sehnen sich auch die Piraten nach einer Geschäftsstelle mit hauptamtlichen Mitarbeitern, die den ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern Arbeit abnimmt.

Was die Piraten zum Gegenstand einer Klage machen wollen, ist das Prinzip, nach dem die staatlichen Millionen aufgeteilt werden. Wie viel Geld eine Partei erhält, so sieht es das Parteiengesetz vor, das soll von ihrer gesellschaftlichen Bedeutung bestimmt werden. Zwei Messgrößen gelten dafür: Das Wahlergebnis und die Menge Geld, die Privatpersonen einer Partei geben. 38 Cent werden auf jeden Euro draufgelegt, der durch Mitgliedsbeiträge oder Privatspenden eingenommen wird.

Nach dieser Berechnung müssten den Piraten 1,54 Millionen Euro zustehen. Doch seit einigen Jahren gilt bei der Parteienfinanzierung eine 50-Prozent-Grenze: Der Staatszuschuss darf maximal so hoch sein wie die Eigeneinnahmen der Partei. Weil die Piraten mit 36 Euro jährlich einen recht niedrigen Mitgliedsbeitrag haben und sie mehr durch Zeit- als durch Geldspenden unterstützt werden, liegen die Einnahmen im Jahr 2010, das Lammerts Berechnung zugrunde liegt, nur bei gut 610.000 Euro.

Das ist der erste Deckel für den Zuschuss an die Piraten. Nun sind die Zuschüsse insgesamt auf besagte 142 Millionen Euro begrenzt. Stehen die Ansprüche der Parteien fest, wird anschließend proportional gekürzt - die Finanzen der kleinen Parteien werden so zweimal gestutzt.

Verletzung des Rechts auf Chancengleichheit

Das trifft auch andere kleine Gruppierungen wie die Tierschutzpartei, aber auch die Freien Wähler, die noch nicht lange als Partei organisiert sind: Fast 500.000 Euro würden sie beziehen, wenn es die Deckelung nicht gäbe. Tatsächlich können die Freien Wähler nur knapp 146.000 Euro erwarten.

Die Einnahmen, die als Berechnungsgrundlage für den Staatszuschuss dienen, ist einer der Kritikpunkte der Piratenpartei. Denn dazu dürfen neben Privatspenden und Mitgliedsbeiträgen auch sogenannte Mandatsabgaben gezählt werden. Bei den etablierten Parteien ist es üblich, dass Abgeordnete, Stadt- oder Gemeinderäte ihren Parteien einen Teil ihrer Aufwandsentschädigungen abtreten.

Dass diese offiziell freiwillig gezahlten, inoffiziell von den Parteien aber oft mit Nachdruck eingeforderten Abgaben in den Eigenfinanzierungsanteil eingerechnet werden, ist schon lange umstritten, wird dabei doch öffentliches Geld vervielfacht.

Außerdem ist nicht offensichtlich, wie sie die Verwurzelung einer Partei in der Gesellschaft abbilden. Die Piraten missfällt die Regel aber vor allem, weil sie ihre Rechte auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt sieht: So viele Mandatsträger hat sie einfach noch nicht. Und auf kommunaler Ebene sind Abgaben bei den Piraten bisher unüblich.

Auch die 50-Prozent-Grenze hält Nerz für fragwürdig. "Es ist wichtig, dass sekundäre Finanzierungen eingerechnet werden", sagt er. Gemeint sind: Zuschüsse für die parteinahen Stiftungen und die Landtags- und Bundestagsfraktionen, von denen die großen Parteien profitieren: Auch wenn deren Arbeit nach dem Gesetz streng von der Partei getrennt werden muss, sind sie doch Think-Tanks, die Inhalte für den politischen Diskurs vorbereiten können.

Am Donnerstagabend wollte der Vorstand der Piraten über die Klage beraten, die sich gegen die jüngste Gesetzesänderung vom August 2011 wendet. Schon am Mittwoch, 23. Februar, soll die Klage deshalb eingereicht werden.

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