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Abhörskandal in Großbritannien:Scotland-Yard-Chef tritt zurück

Der oberste britische Polizist reicht seinen Rücktritt ein: Wegen "Spekulationen und Anschuldigungen" über Verbindungen seiner Behörde zu News International stellt Scotland-Yard-Chef Paul Stephenson sein Amt zur Verfügung. Die Murdoch-Vertraute Rebekah Brooks ist in der Nacht gegen Kaution freigelassen worden.

In der Affäre um abgehörte Telefone und die Bestechung von Polizisten gibt der oberste britische Polizist auf: Der Chef des Londoner Metropolitan Police Service (MPS), Sir Paul Stephenson, stellte sein Amt auf einer Pressekonferenz zur Verfügung. Er habe am Nachmittag den Innenminister und den Bürgermeister von London von seiner Absicht informiert.

Ihm sei das Ausmaß der Bespitzelungsaffäre nicht klar gewesen, sagte Commissioner Stephenson mehreren Fernsehkanälen. Er wolle jedoch nicht, dass Kritik an seinem Verhalten die Sicherheitsvorkehrungen für die Olympischen Spiele 2012 in London beeinträchtige. Kritik an seinem Verhalten wies er jedoch zurück.

Der britischen Polizei wird vorgeworfen, Journalisten gegen Schmiergeldzahlungen vertrauliche Informationen gesteckt zu haben. Zudem sollen sie den Vorwürfen gegen Reporter des mittlerweile eingestellten Skandalblattes News of the World nicht entschiedenen genug nachgegangen sein.

Stephenson war ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, als bekannt wurde, dass er sich Teile eines Kuraufenthalts im Wert von 12.000 Pfund (umgerechnet etwa 13.700 Euro) hatte bezahlen lassen. Der PR-Chef des Spa-Betreibers war ausgerechnet Neil Wallis, ehemals stellvertretender Chefredakteur der News of the World.

Zudem war Wallis als PR-Berater für Stephenson aktiv. Der Beamte erklärte, er habe nicht über die Einstellung entschieden und habe auch nichts von Wallis Verstrickung in das Abhören von Mobiltelefonen gewusst. Der Journalist war am vergangenen Donnerstag festgenommen worden.

Wenige Stunden vor der Rücktrittserklärung des Scotland-Yard-Chefs hatte die Londoner Polizei die enge Murdoch-Vertraute Rebekah Brooks festgenommen. Sie wurde in der Nacht gegen Kaution freigelassen, teilte die Londoner Polizei mit. Die 43-Jährige war zuvor verhört worden.

Brooks war bis 2003 Chefredakteurin von News of the World, zu jener Zeit, als sich die Abhöraktionen ereigneten. Sie leitete bis zu ihrem Rücktritt am Freitag die Gruppe News International.

Dass die Polizei Brooks ausgerechnet kurz vor deren geplanter Anhörung vor einem britischen Parlamentsausschuss festnahm, warf allerdings Fragen auf. Brooks' Sprecher sagte, ihre Festnahme stelle ihr Erscheinen vor dem Medienausschuss des Unterhauses in Frage. Sie soll eigentlich am Dienstag gemeinsam mit Rupert Murdoch und dessen Sohn James zum Abhörskandal Rede und Antwort stehen.

Der Vorsitzende des Medienausschusses, John Whittingdale, sagte, die Teilnahme von Brooks sei unklar, da ihre Befragung die Ermittlungen der Polizei stören könnte.

"Er hat zu viel Macht über das öffentliche Leben"

Auch die Politik gerät in der Affäre mehr und mehr in Bedrängnis. Premierminister David Cameron musste sich verteidigen, weil er sich in nur 15 Monaten Amtszeit 26 Mal offiziell mit Murdoch oder dessen Top-Managern traf.

Cameron verkürzt Medienberichten zufolge aufgrund des Abhörskandals nun eine Reise nach Afrika. Cameron wolle sich in die Ermittlungen einschalten, berichtete der Guardian. Anstatt vier Tage, halte sich der Regierungschef nur zwei Tage in Afrika auf und besuche lediglich Südafrika und Nigeria. Besuche im Sudan und Ruanda seien abgesagt worden. Die Financial Times berichtete, Cameron kehre nach Großbritannien zurück, um Vorwürfe abzuwehren, sich während des Skandals nicht im Lande aufzuhalten.

Oppositionschef Ed Miliband forderte in einem Interview mit dem Observer die Zerschlagung des Murdoch-Imperiums. Die Gesetze zur Medienkonzentration müssten verschärft werden, Murdochs Marktmacht sei "gefährlich", sagte der Labour-Politiker. "Er hat zu viel Macht über das öffentliche Leben in Großbritannien."

News International kontrollierte bisher 37 Prozent des britischen Zeitungsmarktes. Murdoch gehören zusätzlich 39 Prozent am Fernseh- und Telekommunikationskonzern BSkyB.

Die News of the World war im Zuge immer neuer Enthüllungen um das Abhören von Handy-Mailboxen Tausender Menschen, darunter Verbrechensopfer und Prominente, vor einer Woche eingestellt worden. Rupert Murdoch bat nun in den Wochenendausgaben aller landesweit erscheinenden Zeitungen in Großbritannien öffentlich um Entschuldigung. Viele Kommentatoren werteten den Schritt als "richtig, aber zu spät."

Linktipp: Der Guardian hat die Rücktrittserklärung von Stephenson im Wortlaut online gestellt.

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