Süddeutsche Zeitung

Wechsel zu Daimler:Klaeden muss sein Amt sofort aufgeben

Dass der designierte Daimler-Cheflobbyist Klaeden weiter in der Spitze des Kanzleramts sitzt, ist ein Unding. Die Verteidigung Merkels, er habe keine Entscheidungen zur Autoindustrie getroffen, grenzt an Verhöhnung der Bürger. Daimler kauft schließlich nicht Klaedens Kompetenzen beim Autobau, sondern seine Kontakte und sein Wissen über Strukturen in den Ministerien.

Ein Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

In der Politik werden Fragen von Stil und Anstand häufig danach beantwortet, wo man gerade sitzt: Oben auf der Regierungsbank oder unten in den Oppositionsreihen. Das zeigt auch die Debatte um Eckart von Klaedens Wechsel zu Daimler. Der Staatsminister müsse sofort zurücktreten, fordert die SPD. Es sei "ein Unding", dass er noch bis zur Wahl im Kanzleramt bleiben wolle.

Als 2008 die damalige Staatsministerin Hildegard Müller ankündigte, zur Energiewirtschaft zu wechseln, störten sich die Sozialdemokraten nicht daran. Dabei arbeitete Müller auch erst mal im Kanzleramt weiter, als ob nichts passiert sei. Aber damals saß die SPD ja zusammen mit Müllers CDU in der Regierung. Legendär sind auch die Debatten über die schnelle Metamorphose Gerhard Schröders vom Kanzler zum Pipeline-Lobbyisten. Die Sozialdemokraten fielen dabei nicht gerade als vehemente Kritiker auf.

Die Bigotterie der SPD darf aber kein Grund sein, den Fall Klaeden zu entschuldigen. Dass der designierte Cheflobbyist weiter in der Spitze des Kanzleramts sitzt, ist tatsächlich ein Unding. Die Verteidigungslinie Merkels grenzt dabei an eine Verhöhnung der Bürger. Klaeden habe ja keine Entscheidungen zur Autoindustrie getroffen, sagt Merkels Regierungssprecher. Es gebe deshalb keine Interessenkollision. Als ob sich das so einfach sagen ließe.

Daimler ist ein Weltkonzern. Für das Unternehmen sind auch alle Fragen der Energie-, Finanz-, Europa-, Klima- oder Steuerpolitik relevant. Außerdem kauft so ein Konzern ja nicht des Staatsministers Kompetenz über Motoren oder Karosserien. Daimler geht es um die Kontakte Klaedens - und um dessen Wissen über Abläufe, Strukturen und zuständige Beamte in den Ministerien. Und natürlich werden über Klaedens Schreibtisch auch Vermerke gelaufen sein, die mit Daimler zu tun hatten.

Es mag ja sein, dass die Kanzlerin Klaeden in den nächsten Monaten noch braucht. Der Staatsminister ist für die Bund-Länder-Koordination zuständig. Angesichts des rot-rot-grünen Bundesrats ist ein Experte wie er im Kanzleramt tatsächlich von Nöten. Aber das darf kein Kriterium sein. Klaeden muss sein Amt sofort aufgeben, um jeden Anschein der Verquickung zu vermeiden.

Bei der EU gibt es eine 18-monatige Karenzzeit

Der Fall zeigt aber auch, wie überfällig Karenzzeiten für Amtsträger sind. In der Europäischen Union dürfen Kommissare in den ersten 18 Monaten nach ihrer Dienstzeit erst nach Einschaltung einer Ethik-Kommission einen neuen Job annehmen. Die EU hat zumindest theoretisch aus ihren Skandalen gelernt. Dabei geht es nicht um Berufsverbote. Gegen einen Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft ist prinzipiell nichts einzuwenden. In Deutschland gibt es sogar zu wenig Austausch zwischen den beiden Sphären. Es geht vielmehr darum, zum Wohle des Gemeinwesens jede tatsächliche oder mögliche Interessenkollision zu vermeiden.

Dass Klaeden nicht prinzipiell unsensibel für derlei Gedanken ist, beweist sein Verzicht auf die Versorgungsansprüche. Wenigstens damit ist er stilbildend.

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SZ vom 31.05.2013/mane
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