Wechsel von Ministern in die Wirtschaft:Frau Reiche kriegt gerade noch die Kurve

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  • Das Bundeskabinett verabschiedet Karenzzeit-Gesetz. Zwischen Ministeramt und Job in der freien Wirtschaft sollen künftig mindestens zwölf Monate liegen.
  • Ein Gremium soll künftig entscheiden, ob ein Interessenskonflikt zwischen Amt und neuem Job vorliegt. Wenn ja, heißt es erstmal warten.
  • Die-CDU-Politikerin Katherina Reiche wollte nicht warten. Sie wechselt sofort von ihrem Amt als parlamenatrische Staatsekretärin in einen Verbandsjob.

Reiche wechselt am Tag des Kabinettsbeschlusses

Katherina Reiche hat die Kurve gerade noch bekommen. Noch an diesem Mittwoch wird die CDU-Frau und Staatsekretärin im Verkehrsministerium einen neuen Job bekommen. An dem Tag, an dem das Bundeskabinettnach über einem Jahr Vorlaufzeit ein Gesetz beschlossen hat, dass Karenzzeiten für seiende und ehemalige Regierungsmitglieder - also auch parlamentarische Staatsekretäre - vorsieht.

Sie sollen nicht länger heute ihr Amt aufgeben können um morgen schon hochbezahlt hinter dem Schreibtisch eines Verbandes oder Unternehmens zu sitzen. Künftig sollen zwölf oder in besonders schwierigen Fällen 18 Monate zwischen Regierungsamt und Job liegen, wenn ein speziell dafür eingerichtetes Gremium einen Interessenkonflikt ausmacht.

Dieser Interessenkonflikt dürfte im Fall Reiche schnell auszumachen sein. Reiche ist seit 2009 parlamentarische Staatssekretärin. Bis 2009 im Bundesumweltministerium, dort für Energiefragen zuständig. Seit 2013 im Verkehrsministerium. Beides Themen, die für ihren neuen Arbeitgeber, den Bundesverband der kommunalen Unternehmen (VKU), von größter Bedeutung sind. Reiche dürfte stapelweise bester Kontakte mitbringen. Sie wird Hauptgeschäftsführerin des VKU.

Erst am Montag ist ihr neuer Karriereschritt bekannt geworden. An diesem Mittwoch schon wird sie in den neuen Posten gewählt. Und lässt dafür alle politischen Ämter sausen.

Reiches politische Haltung offenbar kein Problem

Den VKU scheint dabei erstaunlich wenig interessiert zu haben, welche politische Haltung zu einigen Themen Reiche bisher eingenommen hat. Der VKU ist eher gegen die Privatisierung kommunaler Unternehmen wie etwa Stadtwerken. Reiche, bisher auch Kreisvorsitzende der CDU in Potsdam, hat dagegen noch 2011 den Verkauf von öffentlichen Unternehmen der Stadt Potsdam gefordert. Leider sei aber die Debatte über Privatisierungen "vergiftet", sagte sie.

In der Energiepolitik hat sich Reiche gerne für die Atomkraft eingesetzt. Kommunale Unternehmen setzten dagegen eher auf dezentrale Energieversorgung. Egal jetzt. Hauptsache die Kontakte stimmen.

Die Regelungen im Einzelnen:

Mit dem Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft sollen Regierungsmitglieder künftig feste Regeln einhalten. Wer innerhalb von 18 Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Amt einen Posten außerhalb des öffentlichen Dienstes annehmen will, muss dies der Bundesregierung frühzeitig schriftlich melden.

Der geplante Wechsel muss angezeigt werden, sobald die Vorbereitungen dafür beginnen oder ein solcher Job "in Aussicht gestellt wird". Die Vorgaben gelten für amtierende wie ehemalige Regierungsmitglieder, ebenso für amtierende und ehemalige parlamentarische Staatssekretäre.

Sieht eine speziell dafür eingerichtetes Gremium die Gefahr von Interessenkonflikten - also zum Beispiel problematische Überschneidungen mit den bisherigen Aufgaben des Ministers oder Staatssekretärs -, empfielt sie der Bundesregierung, den Wechsel mit einer Frist zu versehen, in der Regel ein Jahr. In schweren Fällen 18 Monate. Die Entscheidung fällt die Bundesregierung.

Während der Karenzzeit haben ehemalige Minister oder Staatssekretäre Anspruch auf Übergangsgeld.

Kritik von LobbyControl und Transparecy - Lob vom Innenminister

Die Bundesregierung will mit dem Gesetz einen Schlussstrich unter die jahrelange Debatte über eine Auszeit für Politiker ziehen. Die Organisationen LobbyControl und Transparency International fordern dagegen eine Karenzzeit von drei Jahren. Außerdem enthalte der Entwurf keine Sanktionen bei Verstößen. Die Grünen hingenen halten auch 18 Monate für eine gute Lösung.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigt die geplante Karenzzeit als ausreichend. Eine solche Regelung müsse auch verhältnismäßig sein, sagte de Maizière in der Regierungsbefragung im Bundestag. Es sei richtig, dass jeder Einzellfall geprüft werde und es möglich sei, keine Karrenzzeit zu verhängen, wenn kein Intressenskonflikt vorliege.

Ex-Politiker in der Wirtschaft

In den vergangenen Jahren hatten immer wieder Wechsel von Ministern in Top-Posten der Wirtschaft für Schlagzeilen gesorgt. So wechselte der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) zu Jahresanfang ins Management der Deutschen Bahn. Der Entwicklungsminister der schwarz-gelben Koalition, Dirk Niebel, wurde Cheflobbyist beim Rüstungskonzern Rheinmetall. Der frühere FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr wechselte im Herbst zur Allianz Private Krankenversicherung AG. Im Jahr 2013 heuerte der ehemalige Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden, als Lobbyist beim Autokonzern Daimler an.

Umstritten ist seit Jahren auch das Engagement von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) bei der Nordstream AG, an der der russische Gasproduzent Gazprom beteiligt ist.

© Süddeutsche.de/Reuters/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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