Webportal für Obamacare:Peinliche Panne für den Tech-Präsidenten

Webportal für Obamacare: "Bitte warten": Viele Amerikaner machten in den letzten Wochen die Erfahrung, dass das Webportal der US-Regierung für die Krankenversicherung Obamacare fehlerhaft war.

"Bitte warten": Viele Amerikaner machten in den letzten Wochen die Erfahrung, dass das Webportal der US-Regierung für die Krankenversicherung Obamacare fehlerhaft war.

(Foto: AFP)

Dank Obamacare bekommen Millionen Amerikaner eine Krankenversicherung. Seit Oktober können die Bürger Anträge stellen, doch die Website "healthcare.gov" ist voller Fehler. Nun fragt sich Amerika, wie Obamas Team so schlampig arbeiten konnte - im Wahlkampf verfügte der Präsident noch über angesehene Online-Spezialisten.

Von Matthias Kolb

Es ist ein gewagter Vergleich, den Ross Douthat in der New York Times wählt. Die Obama-Regierung sei genauso schlecht vorbereitet und inkompetent bei ihrem Sturm auf den Gesundheitsmarkt wie sich die US-Armee während der Amtszeit von George W. Bush in den Irak-Krieg stürzte. Das klingt überzogen und geschmacklos, aber irgendwie hat Douthat recht: Dass Obama daran scheitert, eine funktionierende Website programmieren zu lassen, verblüfft. Denn schließlich hat er sich als Wahlkämpfer auf die besten Techniker verlassen und zudem handelt es sich bei Obamacare um sein wichtigstes innenpolitisches Projekt.

Noch mal von vorn: Das historische Gesetz wurde im Frühjahr 2010 beschlossen, zwei Jahre später bestäigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit von Obamacare. Seit dem 1. Oktober 2013 können sich nun alle, die bisher nicht krankenversichert waren, auf der Website healthcare.gov informieren, wo und wie sie einen Vertrag abschließen können. Doch von Beginn an häuften sich die peinlichen Pannen-Berichte: Schon am ersten Tag brachen die Server zusammen, als in den ersten 16 Stunden 2,8 Millionen Besuche die Website besuchten. 81.000 Menschen riefen verzweifelt die kostenlose Hotline an, wie die Washington Post meldete.

Dem Economist schilderte Jason Lahoz, ein Parkwächter aus Philadelphia, seine Erfahrungen. Er ging zu einem Bus, in dem eine örtliche Versicherung Informationen anbot: "Doch dort konnte mir kein Mitarbeiter helfen. Sie sagten, sie würden mich anrufen, wenn die Website der Regierung wieder funktioniere und schickten mich nach Hause."

Eines der Hauptprobleme besteht darin, dass die Server kollabieren, während die Menschen die Anträge ausfüllen. Ein Beispiel unter vielen: Eine Mutter von drei Kindern beklagt bei Twitter, dass sie die Anmeldung zunächst über die Website versucht habe. Als dies nicht ging, versuchte sie es per Telefonhotline - und wurde dort zurückgewiesen, weil sie es ja bereits online probiert hatte.

Manch ein Reporter versuchte es im Eigenversuch, sich über healthcare.gov anzumelden und war nach zwei Wochen immer noch ohne Erfolg.

Seit drei Wochen häufen sich diese Berichte, die nur aus einem Grund nicht zum alles bestimmenden Thema bei Politik und Medien wurden: Das Gerangel um den Verwaltungsstillstand der Regierung und die Anhebung der Schuldengrenze hielt Washington und den Rest des Landes noch mehr in Atem. Mit diesem Technik-Desaster hatten nicht mal konservative Obama-Kritiker gerechnet. Ross Douthat zeigte sich in der NYT überrascht: "Building Web sites, mastering the Internet — this is what Team Obama does!"

Und es stimmt: Im Wahlkampf 2012 beeindruckte das "Team Obama" mit einer hervorragenden Online-Strategie und setzte auf kreative Nerds wie Harper Reed (Porträt im US-Wahlblog) oder Michael Slaby (Porträt im US-Blog). Sie pflegten monatelang mit ihren Teams Datenbanken und entwickelten eigene Programme für die vielen Wahlhelfer: Die Freiwilligen erhielten auf ihre Smartphones nicht nur die Adressen der potenziellen Obama-Wähler, an deren Türen sie klopfen sollten - sie bekamen auch Informationen, welche Themen die Bürger besonders interessierten (einen Überblick über den High-Tech-Wahlkampf bietet dieser Blog-Beitrag).

Obama announces Johnson to be his nominee for Secretary of Homeland Security, in the Rose Garden of the White House in Washington

Er kann nicht erfreut sein, dass die Website für sein wichtigstes Projekt nicht fehlerfrei funktioniert: US-Präsident Barack Obama.

(Foto: REUTERS)

"Niemand ist frustrierter über die Schwierigkeiten mit der Website als der Präsident", versicherte Obamas Finanzminister Jack Lew im TV-Sender NBC. Die Republikaner, die Obamacare ohnehin ablehnen, sparen jedenfalls nicht mit Kritik und Hohn. "Schickt das Präsidentenflugzeug Air Force One ins Silicon Valley, ladet ein paar smarte Leute ein, bringt sie nach Washington und löst das Problem", spottet Senator John McCain.

Es kommt die "große Technik-Offensive"

Am Sonntag freute sich das Gesundheitsministerium in einem Blog-Beitrag darüber, dass seit dem 1. Oktober fast eine halbe Million Amerikaner Anträge für Obamacare gestellt hätten. Doch letzlich liest sich der Text wie eine Chronik des Versagens: "Rund um die Uhr" arbeite man an Verbesserungen, aber es gebe "noch viel zu tun" und man entschuldigt sich für den "Frust", den so viele Amerikaner beim Besuch von healthcare.gov erlebt hätten. "Unser Team versammelt einige der besten und klügsten Köpfe, die sowohl für die Regierung als auch für die Privatwirtschaft arbeiten", heißt es kleinlaut weiter.

Bisher weist Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius alle Rücktrittsforderungen zurück, aber auch sie wird eingestehen müssen, dass die Fehler unerklärbar sind. Durch die Gesundheitsreform haben schätzungsweise 30 Millionen Amerikaner Anspruch auf Versicherungsschutz - insofern sollten die Server in der Lage sein, zahlreiche Anfragen zu bewältigen. Auch dass es gerade zu Beginn der Reform zu erhöhter Nachfrage kommt, dürfte nicht verwundern. Wenn Sebelius die Probleme von healthcare.gov mit einem fehlerhaften Update der iPhone-Software vergleicht, dann macht sie es sich zu einfach.

Noch etwas erscheint schleierhaft: Barack Obama und die Demokraten sind zurecht stolz auf dieses Gesetz, das die US-Gesellschaft etwas gerechter macht. Aber dann müssten sie doch alles tun, damit die Website so nutzerfreundlich und simpel wie möglich ist. Denn eine gute Nutzbarkeit trägt auch dazu bei, dass sich vor allem jene jungen Amerikaner neu anmelden, deren Beiträge nötig sind, damit die Gesamtkosten nicht zu hoch werden. Ein Grund für das Versagen rund um healthcare.gov scheint ausgeschlossen: Da 400 Millionen Dollar investiert wurden, fehlte es sicher nicht an den nötigen Ressourcen.

Neben dem Peinlichkeitsfaktor bergen die Schwierigkeiten mit der Website aber auch handfeste Probleme: Wer sich künftig nicht versichert (etwa aus politischer Überzeugung, weil er als Republikaner Obamacare als "tyrannischen" Eingriff des Staats in die persönliche Freiheit ansieht), der wird eine Strafe zahlen müssen. Und sollten die Schwierigkeiten weiter bestehen, so könnten unwillige Konservative die Softwareprobleme nach dem Motto "Ich wollte mich ja versichern, aber die Technik ging nicht" als Grund angeben.

Wie dringlich die Lage ist, hat nun auch das Weiße Haus erkannt und zwingt die zuständige Ministerin Sibelius zum Handeln. "Wir sehen es als eine Art Technik-Großoffensive an", verriet ein anonymer Regierungsmitarbeiter dem Insider-Blatt Politico. Hier ist die Wortwahl tech surge verräterisch: Mit surge wurde jene Großoffensive bezeichnet, mit der die US-Armee auf den Widerstand im Irak reagierte und den Bürgerkrieg niederschlug. Dazu wurden 30.000 zusätzliche Soldaten in den Irak geschickt. Seitdem weiß das politische Washington: Wer das Wort surge benützt, der will ein Problem lösen - koste es, was es wolle.

Obama versprach am Montag eine schnelle Behebung der Panne. "Es gibt keine Entschuldigung für diese Probleme. Diese Probleme werden abgestellt." Zugleich betonte er, dass die Gesundheitsreform "viel mehr" als eine Website sei. Das wesentliche Ziel, ein Angebot von bezahlbaren Krankenversicherungen zu schaffen, klappe "prima". Und schließlich, fügte der Tech-Präsident hinzu, könnten die Bürger eine Krankenversicherung auch per Telefon und Post bentragen.

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