Ein Zeichen der Geschlossenheit und des Optimismus, das wollten die Staats- und Regierungschefs aussenden vom EU-Sondergipfel in Sibiu. Zwei Wochen vor der Europawahl kam diese Botschaft aber nicht rüber. Stattdessen wurde auf offener Bühne der Kampf um die Top-Jobs eröffnet.
Unerwartet deutlich machten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die liberalen Premiers aus den Benelux-Staaten klar, dass sie vom Spitzenkandidaten-Prinzip nichts halten. Sie wollen den "besten Kandidaten" an der Spitze der EU-Kommission sehen und sich nicht vom EU-Parlament einschränken lassen.
Dass sich ein Drittel der 27 Staats- und Regierungschefs vor laufenden Kameras so klar positioniert, ist ein Rückschlag für Manfred Weber, den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei. Die EVP wird wohl erneut die größte Fraktion im Parlament werden und hätte damit das Vorrecht auf die Nachfolge von Jean-Claude Juncker.

SZ-Podcast "Auf den Punkt":Europawahl: Das Duell um die EU-Kommission
Manfred Weber und Frans Timmermans sind die beiden aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. Trotzdem könnten sie am Ende doch beide leer ausgehen.
Doch im Vergleich zum geschickten Vorgehen des Macron-Lagers erhält der CSU-Vize wenig Rückendeckung: Während sich der Österreicher Sebastian Kurz klar zu Weber und zur Stärkung der Rechte des EU-Parlaments bekennt, äußert Bundeskanzlerin Angela Merkel viel zu halbherzig ihre Unterstützung. Erst am Ende ihrer Pressekonferenz und nach länglichen Ausführungen zum Prozedere sagte sie: "Ich unterstütze Manfred Weber, damit das ganz klar ist." Dann ließ sie sich doch wieder alle Optionen offen.
Die Motivation der Kritiker ist unterschiedlich. Manche wie Litauens scheidende Präsidentin Dalia Grybauskaite haben eigene Ambitionen. Und dass Griechenlands linker Ministerpräsident Alexis Tsipras den Deutschen für zu neoliberal hält, verwundert ebenso wenig wie die mangelnde Unterstützung des ungarischen Premiers Viktor Orbán, dessen Fidesz-Partei auch wegen Weber nicht mehr an Treffen der EVP teilnehmen darf.
Andere Staats- und Regierungschefs zweifeln, ob Weber mit seiner mangelnden Regierungserfahrung die EU wirklich gut in der Welt vertreten und eine große Behörde leiten kann. Fakt ist: Manfred Weber geht angeschlagen in den Machtpoker, der direkt nach der Europawahl beginnt. Der Eindruck der Schwäche, den er nun vermittelt, wird nur schwer umzukehren sein.