Das Brennholz kam von der Obrigkeit, und sogar um das Bier hatte sie sich gekümmert. Als sich die Burschenschafter der Universität Jena im Sommer 1817 an die Behörden von Eisenach wandten, um am 18. Oktober eine große studentische Feier auf der Wartburg abhalten zu dürfen, reagierten Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und sein Staatsministerium wohlwollend.
Der Landesherr selbst ordnete die Öffnung der Burg an und verfügte die kostenlose Zuteilung einer "angemessenen Menge Brennholzes zu Freudenfeuern". Die örtlichen Brauereien ermunterte er, viel frisches Bier zu brauen, schon weil er nicht auf sein kostbares Lagerbier in den Schlosskellern verzichten wollte. Die Eisenacher Behörden ermahnten die Bürger, den bevorstehenden Ansturm durch Gewährung von Privatquartieren aufzufangen.
Denn ein Ansturm war es: Etwa 500 Studenten - damals durchweg "Studierende" genannt - vorwiegend aus dem protestantischen Deutschland hatten sich verabredet, am vierten Jahrestag der Leipziger Völkerschlacht zugleich das 300. Jubiläum von Luthers Reformation zu begehen.
Zum Abschluss wurde öffentlich geturnt
Dazu erkoren sie sich die Wartburg, die schon wegen des berühmten mittelalterlichen Sängerkriegs eine romantische Kultstätte geworden war; vor allem aber weil dort Martin Luther im Jahr 1522 das Neue Testament übersetzt hatte, angeblich im Kampf mit dem Teufel.
Im Raum des Deutschen Bundes gab es damals insgesamt nur 8500 Studierende. Jeder siebzehnte von ihnen nahm an der Luther-Sieges-Feier von 1817 teil, eine enorme Menge, die allein schon die eine ganze Generation prägende Wirkung dieses Festes erklärt. Bis heute gilt es als Urszene des nationalen Aufbruchs, als Vorläufer der Revolution von 1848 und damit der deutschen Demokratie.
Zunächst aber war die Feier das Resultat einer aufwendigen Organisation, die von unten kam, von den Studierenden selbst. Schon 1815 hatten sich die Studenten der Weimarer Landesuniversität Jena zu einer allgemeinen "Burschenschaft" verbunden. Diese sollte die alten landsmannschaftlichen Verbindungen ersetzen, die sich durch Rauflust, Trinkfreudigkeit und Neigung zu sexuellen Übergriffen einen denkbar schlechten Ruf erworben hatten.
Die Studenten arbeiteten nach den antinapoleonischen Befreiungskriegen an ihrer moralischen Verbesserung. Viele von ihnen hatten den Krieg erlebt, mit Soldaten aus anderen Schichten zusammengelebt, eine klassenübergreifende, erstmals auch gesamtdeutsche Gemeinschaftserfahrung gemacht.
Das sollte ins akademische Leben hineinwirken, und es sollte Politik werden. Junge, national gesinnte Professoren unterstützten das, aktiv befördert wurde es vom Turnvater Jahn, dem die akademische Jugend - sie war rein männlich - damals zu großen Teilen anhing.
Ein einheitlicher Studentenverband an einer Universität, das wurde als Vorstufe einer nationalen Selbstorganisation aller deutschen Studierenden verstanden. Sie kam, in lockerer Form, dann auch 1818 zustande, im Jahr nach der Wartburgfeier. Schon diese setzte breite Vernetzung voraus, Schriftverkehr mit einem Dutzend anderer Universitäten - wegen des lutherischen Anlasses wurden nur protestantische angeschrieben -, Zusagen, Planungen. Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte verbanden sich Studenten über Landesgrenzen hinaus zu einem gemeinsamen Zweck.
Das ist die eigentliche epochale Bedeutung des Wartburgfests, über das hinaus, was dort gesprochen und getan wurde: ein bis dahin beispielloser Akt nationaler Vernetzung von unten, nicht auf Regierungsebene. Die Studierenden agierten als politische Deutsche, im Vorgriff auf ein politisch verfasstes Vaterland.
Das zeigte sich schon im äußerlichen Auftritt: Als die jugendlichen Gäste in Eisenach ankamen, meist zu Fuß, trugen sie oft weite Hosen, enge schwarze Röcke, auf dem bärtigen und langhaarigen Kopf ein schwarzes Barett. "Altdeutsch" nannte man das, aber es sollte auch an die improvisierten Uniformen der Freiwilligen von 1813 erinnern, welche gegen Napoleon gekämpft hatten.
Bevor die Hunderte jungen Männer am Morgen des 18. Oktober 1817 bei strahlender Herbstsonne hinter einer Fahne und einem Schwert in Zweierreihen auf die Wartburg zogen, hatten sie eine Festordnung unterzeichnet und mit einem Pauschalpreis für ein Eintrittsbillet auch die Verköstigung bezahlt, die sie oben auf der Burg erwartete.
Zuvor wurde im Palas der Burg gesungen und geredet, als sei es ein Gottesdienst. Man intonierte die protestantischen Hauptchoräle "Ein feste Burg ist unser Gott" und zum Abschluss "Nun danket alle Gott". Dazwischen lag eine vaterländische Predigt, ein Segen beschloss die Feier. Nach dem Essen gab es in der Stadt unten noch einen richtigen Gottesdienst, bei dem die sympathischen jungen Leute zum Abendmahl schritten. Die Eisenacher Bürger, die zu Hunderten mitfeierten und -sangen, waren begeistert. Zum Abschluss wurde öffentlich geturnt.
Dann wurde es Abend. Die Burg oben war längst geschlossen, und nun kam das vom Großherzog gespendete Brennholz zum Einsatz. Seit 1814 waren überall in Deutschland am Jahrestag der Leipziger Völkerschlacht und des Sieges über die französische Armee nächtliche Freudenfeuer entzündet worden, an weithin sichtbaren Orten.
"...nicht etwa nur Christen, sondern auch Juden, Mahometanern und Heiden"
Das nationale Lager, vertreten durch den Dichter Ernst Moritz Arndt, wollte den 18. Oktober zu einem gesamtdeutschen Feiertag mit eigenem Festritus machen, auch das als Vorgriff auf eine politische Einigung. So loderte auf dem Wartenberg bei Eisenach am Ende des Tages ein großes Feuer. Buden und Verkaufsstände rahmten ein Volksfest, bei dem sich Studierende und Eisenacher mischten.
Und nun kam es, nicht mehr organisiert vom burschenschaftlichen Festkomittee, sondern von einer kleineren, mutmaßlich vom Turnvater Jahn inspirierten Gruppe um den Studenten Hans Ferdinand Massmann, zum aufsehenerregendsten Akt des Wartburgfests, einer Bücherverbrennung. Sie sandte ihre Schockwellen unverzüglich in die Hauptstädte der Heiligen Allianz, nach Berlin, Wien und Sankt Petersburg.
Der kleine Staat Weimar zu dem die Wartburg gehörte, sah sich regelrecht zerquetscht von diplomatischen Demarchen der Großmächte und hatte monatelang alle Hände voll zu tun, die Bücherverbrennung als verzeihlichen Studentenspaß am Rande einer sonst untadeligen nationalreligiösen Feier herunterzuspielen.
Die Weimarer Regierung, Goethe mit eingeschlossen, hatte durchaus Sympathie für die Studenten. Die Hälfte von ihnen kam ohnehin aus der landeseigenen Universität Jena. Goethe selbst hatte schon im Winter 1816 über die Möglichkeit einer Lutherfeier nachgedacht, die keine alten konfessionellen Gräben aufreißen sollte. Warum nicht Luthertag und Leipziger Siegesfeier zusammenlegen? Hatten im Befreiungskrieg nicht alle Konfessionen zusammen gekämpft?
"Niemand fragt, von welcher Konfession der Mann des Landsturms sei", schrieb Goethe, "alle ziehen vereiniget zur Kirche, und werden von demselben Gottesdienste erbaut; alle bilden einen Kreis ums Feuer, und werden von einer Flamme erleuchtet. Alle erheben den Geist, an jenen Tag gedenkend, der seine Glorie, nicht etwa nur Christen, sondern auch Juden, Mahometanern und Heiden zu verdanken hat."
Ja, auch Juden und Muslime waren 1813 dabei gewesen, deutsch-jüdische Soldaten und russische Kämpfer islamischen Glaubens. So erhoffte sich Goethe ein "Fest der reinsten Humanität", und auch darum dürfte die Weimarer Obrigkeit so wohlwollend auf die Wünsche der Studierenden eingegangen sein. Doch es kam anders, es wurde ein politisches Fest, dazu eines mit Feinderklärungen und Brandgeruch.
Schon in der Hauptrede am Vormittag auf der Burg hatte der Theologiestudent Heinrich Riemann, ein Träger des Eisernen Kreuzes, die - nun überwundene - französische Fremdherrschaft als "Strafe durch die Arme des wälschen Volks" für inneren Zwiespalt der Deutschen und Verachtung von Volkstümlichkeit gedeutet. Die Schuld dafür suchte er in einem "verderblichen Weltbürgersinn" - also in dem, was für uns die Weimarer Klassik groß macht.
Nun sollte es nicht mehr um allgemeine Brüderlichkeit gehen, auch wenn Luther als Heros der Gedankenfreiheit in Anspruch genommen wurde, sondern vor allem um Befreiung von äußerem Druck, "die Errettung des Vaterlands aus schmählichem Sklavenjoch".
Unvermeidlich richtete sich der vaterländische Gedanke gegen die staatlichen Obrigkeiten im Deutschen Bund, die sich nach 1814 zur grenzenlosen Enttäuschung der fortschrittlichen Jugend nicht auf einen Nationalstaat hatten einigen können, und, mit der Ausnahme Weimars, nicht einmal das Versprechen geschriebener Landesverfassungen eingelöst hatten. Die Forderungen nach Liberalisierung, Pressefreiheit und Konstitution verengten sich auf die nationale Perspektive.
1818 schrieb der 19-jährige Heinrich von Gagern, der spätere Präsident der Nationalversammlung von 1848, ein glühender Burschenschafter, an seinen Vater, was das Ziel der nationalen Vereinigung aller Studierenden sei: "Wir wünschen, dass Deutschland als ein Land und das deutsche Volk als ein Volk angesehen werden könne."
Das war ein revolutionäres Programm, das allen 35 Monarchien auf deutschem Boden die Existenzberechtigung absprach. Dabei wurde das hassgeliebte französische Vorbild durch die romantische Färbung des deutschen Volksbegriffs ins Ethnisch-Kulturelle verschoben.
Die Burschenschafter von 1817 waren Schüler des Turnvaters Jahns, eines rabiaten Franzosenfressers und Antisemiten, und Ernst Moritz Arndts, des frühen deutschen Nationaldemokraten. Die Studenten waren Teil des großen deutschen Umschwungs vom Weltbürgertum zum Nationalstaat, wie man später sagte, und sie wurden dazu gerade durch ihre demokratisch-republikanischen Bestrebungen.
"Wer bluten darf für das Vaterland, der darf auch davon reden, wie er ihm am besten diene im Frieden. So stehn wir unter freiem Himmel und sagen das Wahre und das Rechte laut." So sprach der Philosophiestudent Georg Ludwig Rödiger am Abend des 18. Oktober vor den Flammen des Freudenfeuers. "Denn die Zeit ist gottlob gekommen, wo sich der Deutsche nicht mehr fürchten soll vor den Schlangenzungen der Lauscher und dem Henkerbeil der Tyrannen. Würdiger können wir das Fest der Geistesfreiheit nicht feiern mit allen unsern Brüdern."
Politische Teilhabe, Geistesfreiheit, persönliche Freiheit, Rechtsgleichheit, nationale Brüderlichkeit flossen zusammen, und daraus entstand ein erster Forderungskatalog des deutschen Frühliberalismus. Er wurde 1818 unter dem Titel "Grundsätze und Beschlüsse des achtzehnten Oktobers" unter Anleitung des Jenaer Geschichtsprofessors Heinrich Luden aufgesetzt. Das Programm sollte zehren vom Charisma des großen Gemeinschaftserlebnisses auf der Wartburg.
Zum Abschluss flogen Bücher ins Feuer, begleitet von Verdammungsrufen und dem im Chor gebrüllten Refrain "Ins Feuer!" Dieser Akt sollte anknüpfen an Luthers Verbrennung der päpstlichen Bannbulle im Jahr 1520. Die Zerstörung von Büchern war als Signal der Geistesfreiheit gedacht - ein Widerspruch, auf den der preußische Polizeiminister Kamptz, der zu den verbrannten Autoren gehörte, in einem ungewöhnlich frechen Brief an Großherzog Carl August sarkastisch hinwies.
Allerdings verbrannte man nur eigens beschriftete Makulaturballen, die aus der Jenaer Druckerei Wesselhoeft, die auch Goethes Werke druckte, herbeigeschafft worden waren - echte Bücher waren zu kostbar.
Das änderte nichts daran, dass die Szenerie einer Hinrichtung glich, bei der die Titel der Delinquenten auf eigens beschrifteten Tafeln in die Höhe gehalten und ausgerufen wurden, bevor man sie mit Mistgabeln in Feuer warf. "So wollen auch wir durch die Flamme verzehren lassen das Angedenken derer, so das Vaterland geschändet haben, durch ihre Rede und That", rief Rödiger. "So tretet denn heran zu dem zehrenden Feuer, und schauet, wie Gericht gehalten wird über die Schandschriften des Vaterlandes."
Goethe freute sich zunächst, dass sein Konkurrent symbolisch verbrannt wurde
Auch ein Schnürleib, ein Korporalstock und ein Militärzopf wurden als Symbole des restaurativen Fürstenabsolutismus den Flammen übergeben. Und ein jüdischer Autor, der Berliner Aufklärer Saul Ascher, musste für sein Buch "Germanomanie" büßen, das die völkische Wendung des frühen Nationalismus mit prognostischem Scharfsinn kritisiert hatte. "Wehe über die Juden", schrie der Ausrufer dazu, "so da festhalten an ihrem Judenthum und wollen über unser Volkstum und Deutschtum spotten und schmähen!"
All das, die vorbereiteten Makulaturballen, die Schrifttafeln und Verwünschungen beweisen, dass diese Bücherverbrennung nicht der spontane Studentenjux war, als den sie die Weimarer Regierung zu ihrer Verteidigung darstellte.
Goethe freute sich zunächst darüber, dass sein Konkurrent August von Kotzebue zu den verbrannten Autoren gehörte. Aber schon bald sprach er vom "Feuerstank" aus der Wartburg. Dieser Geruch hat den deutschen Nationalismus seither begleitet.