Warschauer Oberbürgermeisterin:Boykott verhindert Abberufung

Warschauer Oberbürgermeisterin: Hanna Gronkiewicz-Waltz, Warschauer Oberbürgermeisterin und stellvertretende Parteivorsitzende der Bürgerplattform

Hanna Gronkiewicz-Waltz, Warschauer Oberbürgermeisterin und stellvertretende Parteivorsitzende der Bürgerplattform

(Foto: Andrew Cowie/AFP)

Ein Referendum über die Abberufung der Warschauer Oberbürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz ist an der geringen Wahlbeteiligung gescheitert. Der Bürgerplattform von Polens Ministerpräsidenten Tusk bleibt damit eine weitere Schwächung erspart.

Von Klaus Brill, Warschau

Mit viel Glück hat die konservativ-liberale Bürgerplattform (PO) des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk bei einer Volksabstimmung eine weitere Schwächung ihrer Position vermeiden können. Ein Referendum über die Abberufung der Warschauer Oberbürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz scheiterte daran, dass sich an ihm nicht genügend Wähler beteiligten. Sowohl Gronkiewicz-Waltz als auch Tusk äußerten sich erleichtert über diesen Ausgang.

Das Votum war nach einer Serie von Misserfolgen der Regierung als nationaler Stimmungstest betrachtet worden. Entgegen den letzten Umfragen wurde bei der lokalen Volksabstimmung in der Hauptstadt allerdings das notwendige Quorum von 29,1 Prozent der insgesamt rund 1,3 Millionen Wahlberechtigten nicht erreicht.

Nach offiziellen Angaben der Wahlbehörde vom Montag gingen nur rund 344 000 Bürger zu den Urnen, das entspricht einem Anteil von 25,7 Prozent. Von ihnen stimmte zwar die überwältigende Mehrheit für die Abberufung der Oberbürgermeisterin, doch hat das Votum nun keine Gültigkeit.

Pannen und Arroganz

Hanna Gronkiewicz-Waltz, die als eine der stellvertretenden Parteivorsitzenden der PO auch auf nationaler Ebene eine Rolle spielt, kann nun weiterhin regieren bis zur nächsten Kommunalwahl in einem Jahr. Sie will sich danach um eine dritte Amtsperiode bewerben, wie sie am Sonntag sagte.

Die frühere Chefin der Nationalbank amtiert seit 2006 als Oberbürgermeisterin von Warschau und war zunächst durchaus beliebt. Vor einem halben Jahr geriet sie jedoch in Schwierigkeiten. Verzögerungen beim Bau der U-Bahn, zunehmende Verkehrsstaus und Pannen bei der Einführung der ökologischen Abfalltrennung führten dazu, dass Aktivisten der linken und der nationalkatholischen Opposition mit einer Unterschriftensammlung die Volksabstimmung über ihre Abberufung in Gang brachten.

Der Stadtchefin wurde auch Arroganz vorgehalten, weil sie ihre Politik nicht erkläre. In Anspielung darauf erklärte sie am Montag, sie habe verstanden, dass die Warschauer Bürger "nicht nur große Investitionen in die Infrastruktur wünschen, sondern auch Gespräch und Dialog".

"Unter europäische Standards gefallen"

Ihre unterlegenen Gegner übten erneut scharfe Kritik daran, dass die Oberbürgermeisterin ebenso wie Premierminister Tusk ihre Anhänger zu einem Boykott des Referendums aufgerufen hatten, um durch die Verfehlung des Quorums den Angriff abzuschlagen.

Die Bürgerplattform habe "Verfassungsprinzipien mit Füßen getreten" und sei "unter europäische Standards gefallen", erklärte der Abgeordnete Mariusz Kaminski als Warschauer Chef der nationalkatholischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) des Oppositionsführers Jaroslaw Kaczynski. Der Vorstadtbürgermeister Piotr Guzial, der die Abstimmung initiiert hatte, sagte, die Wähler hätten der PO "die gelbe Karte gezeigt".

Donald Tusk zitierte in einer Twitter-Nachricht ein Lied mit der Zeile "Wie schön grüßt uns der Warschauer Tag". Der Regierungschef war wegen verschiedener Reformprojekte unter Druck geraten und hatte durch PO-interne Auseinandersetzungen mehrere Abgeordnete verloren. Seine Koalition verfügt jetzt nur noch über eine Stimme Mehrheit im Parlament.

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