Warschau:EU erhöht Druck auf Polen

Warschau soll Empfehlungen der Venedig-Kommission umsetzen. Die Regierung nennt die Kritik "skandalös".

Von Daniel Brössler, Straßburg

In der Europäischen Union wächst der Druck auf den Mitgliedstaat Polen. Die Lähmung des Verfassungsgerichts in Polen "gefährdet die Demokratie, die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit", heißt es im Entwurf einer Entschließung, die an diesem Mittwoch verabschiedet werden soll. Auf den Text haben sich Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale, Linke und Grüne im EU-Parlament verständigt. Die Mehrheit gilt daher als nahezu sicher. In dem Resolutionstext wird Polen aufgerufen, Empfehlungen der Venedig-Kommission des Europarates umzusetzen. Die Kommission hatte festgestellt, dass die polnische Regierung ihre Verfassung breche und gegen europäische Verpflichtungen und internationale Rechtsmaßstäbe verstoße. Nach ihrer Amtsübernahme hatte die national-konservative Regierung Verfassungsrichter per Parlamentsbeschluss des Amtes enthoben und gerichtliche Entscheidungen ignoriert. Entscheidungen des Verfassungsgerichts müssten respektiert werden, fordern die EU-Parlamentarier.

Die Resolution sei nicht gegen Warschau gerichtet, sondern solle das Land stärken

Die polnische Regierung steht bereits unter verschärfter Beobachtung durch die EU-Kommission. Wegen Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit in Polen hatte sie im Januar erstmals ein erst 2014 geschaffenes Prüfverfahren eingeleitet. In einer ersten Phase macht sich die Kommission seitdem im Gespräch mit der polnischen Regierung ein Bild, in einer nächsten Stufe könnte sie Empfehlungen aussprechen und der polnischen Regierung Unterstützung anbieten. "Wenn die polnische Regierung nicht umsteuert, muss die EU-Kommission die zweite Stufe des Rechtsstaatsmechanismus aktivieren", sagte die SPD-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann.

Wiewohl die polnische Regierung in dem Resolutionsentwurf aufgerufen wird, die Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu respektieren und von einer Gefahr für die Demokratie die Rede ist, fällt die Kritik eher moderat aus. Nicht thematisiert wird die Einflussnahme auf öffentlich-rechtliche Medien. Man habe sich eng an der Empfehlung der Venedig-Kommission orientiert, sagte der Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU). "Es geht nicht gegen Polen. Es geht um Fragen der Rechtsstaatlichkeit", sagte er. "Was wir brauchen, ist ein starkes Polen in Europa", sagte Weber. Die neue Regierung in Warschau sei verantwortlich dafür, dass ein solches starkes Polen fehle. "Polen ist ein wertvolles Mitglied der EU. Aber auch die Regierung in Warschau muss sich wie alle anderen an die Prinzipien von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung halten", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Elmar Brok (CDU).

Als "skandalös" bezeichnete der Europaabgeordnete Kosma Złotowski von der in Polen regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (Pis) den Entwurf. "Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit, die für diese Resolution stimmt, überhaupt keine Ahnung hat, was in Polen passiert und passiert ist", sagte er. "So eine Resolution hätte es vor anderthalb Jahren geben sollen", fügte er hinzu. In einer ebenfalls umstrittenen Gesetzesänderung hatte die damalige liberal-konservative Mehrheit die vorzeitige Neubesetzung frei werdender Richterstellen am Verfassungsgericht durchgesetzt. Hinter der Resolution stecke die polnische Opposition, sagte Złotowski. Es gehe "um Argumente für den innenpolitischen Kampf in Polen".

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