Bundesweiter Warntag:Viele Handys blieben stumm

Bundesweiter Warntag: Am zweiten bundesweiten Warntag wurde erstmals Cell Broadcast getestet.

Am zweiten bundesweiten Warntag wurde erstmals Cell Broadcast getestet.

(Foto: Jochen Tack/Imago)

Nicht alles am zweiten bundesweiten Warntag klappte. Warum der Präsident des Bundesamts für Katastrophenhilfe trotzdem von einem Erfolg spricht.

Von Miriam Dahlinger

Am Donnerstag sollten um elf Uhr so viele Menschen wie möglich in Deutschland aufgeschreckt werden: Heulende Sirenen, Lautsprecherdurchsagen, dazu Mitteilungen in Bahnen und auf Stadtanzeigen sowie über Radio- und Fernsehsender. Aber vor allem: vibrierende Handys, begleitet von einem lauten Tonsignal.

So weit die Theorie. In der Realität jedoch wurden sehr viele Menschen nicht erreicht. Erstmals hatte das Amt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) seine Warnung mit Cell Broadcast über die Mobiltelefone verbreitet. Eine Technik, mit dem Handynutzer auch ohne App oder Internet alarmiert werden können. Doch schon im Vorhinein musste das BBK bekannt geben, dass ältere Geräte die Warnungen gar nicht empfangen können. Außerdem mussten Handys eingeschaltet sein, Empfang haben und mit einer aktuellen Software laufen.

Und noch etwas lief nicht optimal. Da die Probewarnung auf der höchsten Warnstufe verschickt wurde, hätte sie auch auf Geräten ankommen müssen, die Testwarnungen standardmäßig blockieren. Offenbar bekamen aber zum Teil auch betriebsfähige Geräte keine Warnmitteilung.

Immerhin: Bürger, die nicht gewarnt wurden, können ihre Erfahrungen, ob Lob oder Ärger, dem BBK seit Donnerstagfrüh auf der Website warntag-umfrage.de schildern. Solche Feedbacks sind für die Behörde wichtig, schließlich haben Bund und Länder für den Katastrophenfall getestet. Sie wollten herausfinden, ob die verschiedenen Warnmittel im Ernstfall gut funktionieren, ob es irgendwo hakt und wie viele Menschen die Gefahrenwarnung im Katastrophenfall auch empfangen. Außerdem sollte die Bevölkerung für die verschiedenen Alarmwege sensibilisiert werden.

Faeser: Jetzt wird sorgfältig ausgewertet

An diesem zweiten bundesweiten Warntag sollte alles besser laufen als zwei Jahre zuvor, damals schlugen Sirenen verspätet Alarm, Warn-Apps meldeten sich wegen überlasteter Server nicht oder viel zu spät. Das Bundesinnenministerium musste den Tag als Fehlschlag einstufen, der damalige BBK-Präsident verlor seinen Job. Fortan sollte der Warntag jedes Jahr stattfinden, fiel aber bereits 2021 aus, weil sich das BBK nicht gut vorbereitet fühlte.

Der zweite Versuch an diesem Donnerstag lief nach Einschätzung von Behörden und Experten sehr viel besser. Das Zusammenspiel der einzelnen Systeme habe funktioniert, teilte etwa BBK-Präsident Ralph Tiesler am Donnerstagnachmittag mit. Er räumte jedoch "an der einen oder anderen Stelle Verbesserungsbedarf" ein. Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte, wie belastbar die Warnsysteme funktioniert haben, werde jetzt sorgfältig ausgewertet.

Dass in diesem Jahr mehr Menschen erreicht wurden, lag vor allem an Cell Broadcast. Mit der Einführung des Systems zog der Bund eine Lehre aus der Flutkatastrophe 2021, als viele Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nicht rechtzeitig vor der lebensgefährlichen Flut gewarnt wurden. Allerdings verwenden andere Länder Cell Broadcast schon seit Jahren erfolgreich. Vom Mobilfunknetzbetreiber Telefonica hieß es, die Auslieferung habe "wie geplant funktioniert" und auch Vodafone spricht von einem Erfolg.

In der Kölner Feuerwehr gingen Notrufe ein

Offenbar wussten aber sehr viele Menschen nicht, dass ein Test auf sie zukommen würde. So gingen bei der Leitstelle der Kölner Feuerwehr Notrufe besorgter Bürger ein, die nicht wussten, wie sie auf die Handywarnung reagieren sollten. Verunsicherung lösten der Alarm offenbar auch bei einigen Menschen ohne Deutschkenntnisse aus, die nicht zuordnen konnten, warum auf ihren Handys plötzlich eine deutsche Nachricht erschien. Cell Broadcast wird unterschiedslos an alle Menschen, die in Mobilfunknetzen in Deutschland eingeloggt sind, verschickt. Eigentlich sollte die Nachricht laut einer BBK-Sprecherin an Menschen, die eine nicht-deutsche Spracheinstellung verwenden, auf Englisch gesendet werden. Dies funktionierte aber wohl nur zum Teil.

Zudem berichteten in den sozialen Medien einige Nutzer, dass die Warnapps Nina und Katwarn teils verspätet reagiert hätten oder sie die App extra öffnen mussten. Die für Katwarn zuständige Firma Combirisk war nach dem Probealarm aber insgesamt "sehr zufrieden", die meisten Benachrichtigungen seien pünktlich um kurz nach elf angekommen, wie ein Sprecher sagte.

Die größte Baustelle offenbarte sich beim Sirenennetz. Zwar hörten die Anwohner in den meisten Gemeinden mit Sirenen einen lauten Heulton. So haben in Hamburg der Innenbehörde zufolge alle 123 Sirenen im Stadtgebiet einen Probealarm ausgelöst. In Berlin hingegen konnten die Sirenen nicht angesteuert werden, weil die technische Anbindung an das Warnsystem noch nicht funktioniert. Und viele andere Städte haben nur noch wenige oder wie etwa München gar keine Sirenen mehr, weil sie nach Ende des Kalten Krieges abgebaut wurden. Zwar stellt der Bund den Kommunen in diesem Jahr etwa 90 Millionen Euro für den Kauf neuer Sirenen zur Verfügung, doch das ist nur ein Bruchteil der benötigten Mittel. Manche Städte wie zum Beispiel Heidelberg oder Freiburg im Breisgau verzichteten aber auch bewusst auf die Teilnahme am Warntag. Diese war freiwillig.

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