Baden-Württemberg:Warum Sitzbänke im Wald ein Sicherheitsrisiko sind

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Viele Menschen haben eine Lieblingsbank, die sie bei Spaziergängen bevorzugt ansteuern. (Foto: Volker Rauch/IMAGO)

Schlichte Holzmöbel unter Bäumen gelten in einem kleinen Kurort neuerdings als Gefahrenpunkte, die es zu beseitigen gilt. Seniorenvertreter finden dafür kräftige Worte – und hoffen auf eine Regelung, die Waldbesitzern und Waldbesuchern gerecht wird.

Von Roland Muschel, Stuttgart

Schömberg im Schwarzwald nennt sich „Glücksgemeinde“, der 8100-Einwohner-Ort hatte sich den Titel 2009 eigens beim Deutschen Patent- und Markenamt schützen lassen. Es gibt hier nicht nur zertifizierte Wanderwege, den Weißtannen-Erlebnispfad und den Zollernblickweg. Sondern auch den Aussichtsturm „Himmelsglück“, eine „Glückspartnerschaft“ mit Bhutan im Himalaja, das das Glück seiner Bürger zum Staatsziel erklärt hat, und den hehren Anspruch, die Lebensqualität vor Ort nachhaltig zu verbessern.

Doch in diesen Tagen steht Schömberg im Zentrum einer aufgeregten Debatte, die das ganzheitliche Wohlbefinden in der Gemeinde etwas trübt. Denn ausgerechnet im Wanderland Baden-Württemberg gibt es Bestrebungen, Sitzbänke im Wald abzubauen. Die Diskussion entlädt sich nun an Schömberg, da der Kurort plant, rund 60 der 400 Sitzbänke auf seiner Gemarkung zu entfernen – aus Sicherheits- und Kostengründen. Das sei ein „emotionales Thema für Gäste wie Einheimische“, sagt Touristikchef Ulrich Döbereiner. „Jeder hat seine Lieblingsbank, manche haben auch Bänke gestiftet.“ Der Rückbau sei „schmerzhaft“ für die Gemeinde, keine Frage; die Kosten für Kontrolle, Erhalt und Sicherung aller Bänke seien aber nicht mehr zu stemmen.

Es ist die Rede von einer „absoluten Idiotie“

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen waldtypischen und atypischen Gefahren. Fällt ein Ast auf einen Wanderer, gilt das als waldtypische Gefahr, das Risiko trägt der Waldnutzer. Fällt ein Ast dagegen auf einen Wanderer, der auf einer Bank Rast macht, gilt das als atypische Gefahr. Eine „Wanderinfrastruktur“ wie Bänke, so die Logik, schafft neuen „Verkehr“, der wiederum die Verkehrssicherungspflicht auslöst: Die Grundstückseigentümer müssen für Kontrolle, Erhalt und Sicherung der Bänke aufkommen, bei Unfällen können sie haftbar gemacht werden.

„Im Ergebnis“ seien die derzeitigen Regelungen „ein ziemlicher Unfug“, sagt der Präsident des Landesseniorenrats, Eckart Hammer. Es könne nicht sein, dass Waldbesitzer Bänke abbauen, aus Angst, in Regress genommen zu werden. Das konterkariere alle Bemühungen, ältere Menschen zur Fitness zu ermuntern. „Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, entlang der Straßen Ladesäulen für Elektroautos abzubauen.“ Der Vorsitzende des Tourismus-Ausschusses im Landtag, Erik Schweickert, spricht gar von einer „absoluten Idiotie“. ForstBW, die für den Staatswald zuständige Anstalt des öffentlichen Rechts, verweist dagegen auf den Klimawandel, auf mehr tote Äste in den Bäumen, die Häufung von Wetterextremen, größere Gefahren. Deshalb sei die Verkehrssicherungspflicht brisanter geworden, der Zeit- und Kostenaufwand wachse – im Gegensatz zum Budget. Da müsse man priorisieren. Sprich: auch Bänke abbauen.

Die Hoffnungen der Kritiker des Status quo richten sich nun auf den Gesetzgeber; eine Änderung im Waldgesetz solle zu einer „lebensnahen“ Regelung führen, die Wanderern und Waldbesitzern gerecht wird. Schömberg prüft derweil, ob zumindest ein Teil der angezählten 60 Bänke versetzt werden könnte. Ob es also Lösungen gibt, die dem allgemeinen Glücksempfinden von Gästen wie Einheimischen etwas mehr entsprechen als der geplante Abbau.

Hinweis: In der ursprünglichen Fassung hieß es, die Forstkammer Baden-Württemberg sei für den Staatswald im Südwesten zuständig. Richtig ist: ForstBW, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist für den Staatswald zuständig.

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