Waldschadensbericht:So geht es dem deutschen Wald

Waldschadensbericht: Fichten im Taunus. 40 Prozent dieser Bäume haben in Deutschland deutlich an Nadeln verloren.

Fichten im Taunus. 40 Prozent dieser Bäume haben in Deutschland deutlich an Nadeln verloren.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Nur jeder fünfte Baum in der Bundesrepublik hat noch eine intakte Krone, das zeigt die "Waldzustandserhebung 2022". Doch es gibt auch ein paar hoffnungsvolle Zeichen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die alten Riesen sterben jetzt im Wald. Aber auch bei den jüngeren Bäumen in Deutschland lässt sich dieses Kränkeln feststellen, das Fachleute unter dem Begriff "Kronenverlichtung" zusammenfassen: ein Schütterwerden des Hauptes. Nur dass es hier eben nicht am Alter liegt.

Etwa jeder vierte Baum in Deutschland kämpft mit "mittlerer Kronenverlichtung", hat in seiner Krone also zwischen 26 und 60 Prozent der Blätter oder Nadeln verloren. Seit 1984 sind die Schäden bei allen Baumarten angestiegen, teilweise erheblich. 40 Prozent der Fichten in der Bundesrepublik haben deutlich an Nadeln verloren - oder sogar alle. Bei den Kiefern sind 13 Prozent mehr Bäume als noch im Vorjahr von deutlichem Nadelverlust betroffen. Und auch wenn sich der Zustand der Waldbäume im zurückliegenden Jahr insgesamt nicht nennenswert verändert hat im Vergleich zu 2021: Nur jeder fünfte Baum in der Bundesrepublik hat noch eine intakte Krone.

Das sind Ergebnisse der "Waldzustandserhebung 2022", die Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir an diesem Dienstag in Berlin präsentiert hat. "Der Wald ist ein Patient, der unsere Hilfe braucht", sagte der Grünen-Politiker. Das kostbare Ökosystem leide unter den Folgen der Klimakrise. Deutschland müsse weiter entschlossen handeln, damit seine Wälder in Zukunft der Trockenheit und höheren Temperaturen trotzen könnten. "Das heißt: Mischwald statt Monokulturen." Die Bundesregierung, so betonte Özdemir, habe insgesamt 900 Millionen Euro als Unterstützung für den Umbau von Wäldern bereitgestellt.

Nicht allen reicht das. Deutschlands Wäldern gehe es "miserabel", erklärte die Umweltorganisation WWF. Die Folgen von Klimakrise, nicht-nachhaltiger Waldbaupraxis und der Mangel an Lebensraumvielfalt belaste die Bäume massiv. "Es braucht zum Beispiel bundeseinheitliche Standards für eine naturnahe Waldbewirtschaftung", forderte der WWF. Nötig sei auch ein gesetzlicher Referenzrahmen für den ökologischen Waldumbau.

"Die Fichte weist die höchste Mortalitätsrate auf"

Eine Verschlechterung beim Befinden des deutschen Waldes weist der jährliche Bericht allerdings nicht aus. Das Institut für Waldökosysteme des Thünen-Instituts, das für die jährliche Waldschadensbilanz Stichproben aus ganz Deutschland einsammelt, stellte 2022 hie und da sogar leichte Verbesserungen fest. So sank 2022 bei Fichten der Anteil der Bäume mit deutlichem Nadelverlust von 46 Prozent auf 40 Prozent, gemessen am Vorjahr. Auch bei Eichen wurde bei 40 Prozent der Bäume eine "deutliche Kronenverlichtung" registriert, im Vorjahr waren es 41 Prozent. Deutliche Kronenverlichtung, das bedeutet allerdings, dass zwischen 26 und 100 Prozent der Blätter oder Nadeln fehlen - oder der Baum ganz abgestorben ist.

Wie sehr sich die Lage der Wälder über die letzten Jahrzehnte verschlechtert hat, zeigt ein Langzeitvergleich. 1984 waren noch 54 Prozent der Eichen der alten Bundesrepublik gesund und hatten eine volle Krone. Im Jahr 2022, also in Gesamtdeutschland, traf das nur noch auf 19 Prozent der untersuchten Eichen zu. Bei Buchen hatten im vergangenen Jahr 45 Prozent der Bäume erhebliche Löcher im Laubkleid, bisweilen reichten sie zu totalem Laubverlust in der Krone. Das entsprach dem Befund des Vorjahres. Vor vier Jahrzehnten galt dieser schlechte Befund nur für 13 Prozent bundesdeutscher Buchen. 34 Prozent dieser Baumsorte wurden 2022 außerdem der kritischen "Warnstufe" zugeordnet.

Schäden sind das, deren Ausbreitung seit Jahren registriert wird, die aber nicht eingehegt werden, allen Umweltschutzbekenntnissen zum Trotz. Besonders hart treffen Wassermangel, Klimaveränderungen und Schädlingsbefall einige Nadelbäume. "Im Vergleich zu den anderen Baumarten weist die Fichte die höchste Mortalitätsrate auf", heißt es im Waldschadensbericht 2022. Gleichzeitig zeigten Fichten ebenso wie Kiefern, Buchen oder Eichen aber auch eine größere Fruktifikation als im Vorjahr, also die Fähigkeit, Früchte zu bilden. "Für die natürliche Verjüngung ist die Fruchtbildung essenziell", so die Untersuchung.

Ziemlich düster sieht die Lage für die Riesen im Wald aus: für Bäume, die älter als 60 Jahre sind. 53 Prozent der Fichten in dieser Altersgruppe haben nach dem Bericht deutliche Nadel- und Laubverluste in der Krone, auch 45 Prozent der Eichen und sogar 51 Prozent der Buchen. Aber auch bei den jüngeren Bäumen zeige sich "ein negativer Trend", so die Waldschadenserhebung 2022. Bei Buche, Eiche und anderen Laubbäumen immerhin ist die "Absterberate" zuletzt gesunken. Das gilt auch für eine eher anspruchslose Waldbewohnerin: die Kiefer.

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