Zustand der Wälder„Hundert Prozent heißt tot“

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Was Bäume angeht, macht ihm keiner was vor: Alois Rainer (CSU), Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat, ist selbst Waldbesitzer.
Was Bäume angeht, macht ihm keiner was vor: Alois Rainer (CSU), Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat, ist selbst Waldbesitzer. (Foto: Annette Riedl/DPA)

Für seinen ersten größeren Auftritt wählt Landwirtschaftsminister Alois Rainer vertrautes Terrain: den Wald. Schließlich bewirtschaftet er selbst einen. Doch die Zahlen, die er vorstellen muss, sind schlecht.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Alois Rainer schaut nach oben und staunt. „Große Bäume. Schöne Bäume“, sagt der Landwirtschaftsminister von der CSU. Und das gleich vor den Toren Berlins, im Tegeler Wald. „Was für tolle Bäume das sind.“ Neben ihm steht Gunnar Heyne, der Chef der Berliner Forsten, mit seinem Beagle. „Leider sind sie nicht mehr alle gesund“, wirft er ein. „Aber deshalb sind wir ja hier.“

Kameras sind aufgebaut, im Hintergrund rauscht die Autobahn Richtung Norden. Es ist Rainers erster großer Auftritt. Bisher hat er ein paar kurze Ansprachen gehalten, meistens musste er danach zügig wieder weg, manchmal geradezu fluchtartig. Hier aber ist er auf vertrautem Terrain, auf Waldboden. Schließlich ist Rainer, dem sein Parteichef Markus Söder den unglückseligen Titel „schwarzer Metzger“ angeheftet hat, auch Waldbesitzer, 18 Hektar im Bayerischen Wald. Was Bäume angeht, macht ihm keiner was vor. Und vier von fünf Bäumen geht es gar nicht gut.

Die neue Waldzustandserhebung liegt vor, Rainer will sie hier im Wald vorstellen. Es gibt wenige gute Nachrichten darin und viele schlechte. Die Fichte zum Beispiel hat sich etwas erholt. Das allerdings heißt auch nur, dass statt 17 nun 21 Prozent der Fichten keine verlichteten Kronen mehr haben. Vier von fünf Bäumen haben also Stress, und die Absterberate ist bei den Fichten am höchsten. Viele der kranken Bäume sind mittlerweile gestorben. Hingegen ist der Anteil der Kiefern ohne Krankheitssymptome gefallen, von 23 auf 20 Prozent. „Die Kronen der Bäume sind der Seismograf, wie gut es dem Wald geht“, sagt der Minister.  Und dieser Seismograf schlägt auch hier aus, im Norden Berlins.

Nur noch 16 Prozent der Eichen haben eine geschlossene, gesunde Krone.

Rainer wird zu zwei Buchen geführt, eine links, eine rechts des Weges. Links schaut der Minister in ein fast geschlossenes Blätterdach, rechts zeigt sich hinter traurigem Geäst ein Fleck blauen Himmels. Nicole Wellbrock, die beim bundeseigenen Thünen-Institut die jährliche Zustandserhebung leitet, erklärt anhand der Buchen kurz die Einstufung in die verschiedenen Schadenstufen. „Hundert Prozent heißt tot“, sagt sie. Vor allem die trockenen Jahre 2018, 2019 und 2020 führten nun zu Schäden.

Bundesweit geht es 46 Prozent der Buchen so wie der rechts, ihre Kronen sind verlichtet. Dieser Wert blieb stabil. Der Anteil gesunder Buchen stieg leicht von 15 auf 18 Prozent. Womit es dieser Baumart immer noch weit besser geht als der Eiche, dem „traurigen Schlusslicht“, wie auch Rainer findet. Mehr als jede zweite Eiche hat demnach gelichtete Kronen, der Anteil stieg von 46 auf 51 Prozent. Nur noch 16 Prozent haben eine geschlossene, gesunde Krone. So schlecht war der Befund zuletzt 2007.

Rainer kennt die Probleme von daheim in Niederbayern. Jedes Jahr habe er zuletzt Probleme mit dem Borkenkäfer gehabt, sagt er. „Kalamitäten“, wie der Waldbesitzer das nennt. Dabei sei es im Bayerischen Wald nicht ganz so trocken wie in anderen Regionen Deutschlands. Wenn er aufforste, wähle er nun bewusst Tanne, Buche, Eiche oder Bergahorn. Und auch von natürlicher Verjüngung halte er viel – also davon, dass sich der Wald auch selbst erneuert, wenn man ihn lässt.

„Ein starker Wald kostet auch Geld“, sagt Rainer

Sicher ist aber, dass Rainer nicht nur ein Herz für den Wald, sondern auch für die Waldeigentümer hat. Vor denen habe er „allergrößten Respekt“, sagt er, schließlich seien Wälder „auch Teil unserer Heimat“. Für die ist Rainers Ministerium, neben Landwirtschaft, Ernährung und Wald, auch zuständig. Jedenfalls wolle er die Eigentümer dabei unterstützen, ihren Wald klimagerecht umzubauen, mit widerstandsfähigeren Arten. „Ein starker Wald kostet auch Geld“, sagt Rainer. Schließlich stecke darin auch Zukunft.

Ganz so gut sind die Perspektiven gerade nicht. Noch vor einem Jahr, beim letzten Waldzustandsbericht, machte zumindest ein feuchter Winter Hoffnung, die Bodenwasserspeicher waren gut gefüllt. Das sieht nach Daten des Thünen-Instituts in diesem Jahr ganz anders aus. Eine Versuchsfläche beim brandenburgischen Eberswalde meldet bis Ende Mai nur 140 Millimeter Regen, den zweitschwächsten Wert seit 32 Jahren. Und im Tegeler Wald, neben der gesunden Buche, scharrt auch Forst-Direktor Heyne mit dem Schuh etwas trockene Erde auf – nach mehreren Tagen mit Regen. „Nichts mehr übrig“, sagt er. Mit Grauen denke er schon an den Sommer.

So weit will Rainer nicht gehen. „Abwarten, wie sich die Witterung entwickelt“, sagt er. Noch sei es für Prognosen zu früh. Wenn der Sommer aber trocken werde, dann werde wohl auch der Borkenkäfer wieder zuschlagen. Rainer wird den Zustand im Auge behalten, im eigenen Wald.

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