Wahlsystem in den USA:Der komplizierte Weg ins Weiße Haus

Caucus, Primary, Wahlmänner, Super-Tuesday: Der Weg ins Weiße Haus in Washington ist für die Bewerber lang und beschwerlich. Und für Beobachter ist er recht unübersichtlich. Süddeutsche.de erklärt die verschiedenen Vorwahlverfahren, den Zeitplan und die vielen Formalitäten.

Raimon Klein und Verena Wolff

Alle vier Jahre befinden sich die Vereinigten Staaten von Amerika in einer Art politischem Ausnahmezustand: Die Präsidentschaftswahl steht an. Am 6. November 2012 müssen sich die Amerikaner entscheiden, ob Barack Obama vier weiter Jahre im Weißen Haus bleiben soll, oder ob Mitt Romney der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird. Es ist das Ende eines monatelangen, kräftezehrenden und kostspieligen Schauspiels, das die Kandidaten ihren Wählern lieferten.

Das Wahlsystem in den USA ist nicht einfach zu verstehen - aber eine zutiefst basisdemokratische Einrichtung. Der eigentliche Wahlkampf zwischen Obama und seinem Herausforderer, ist nun fast beendet. Doch schon bevor der eigentliche Wahlkampf zwischen den Kandidaten losgeht - manchmal mischt auch ein Parteiloser mit - haben die Bewerber ein hartes Stück Arbeit hinter sich.

In parteiinternen Vorwahlen hat sich der Präsidentschaftskandidat herauskristalisiert und ist auf der National Convention seiner Partei bestimmt worden. Da Obama mit den Demokraten eine zweite Amtszeit im Weißen Haus anstrebt, fiel die Nominierung eines Kandidaten der Partei in diesem Wahljahr aus.

Wie lange es dauern kann, bis der neue Präsident der Vereinigen Staaten von Amerika tatsächlich feststeht und welche Unwägbarkeiten bis dahin noch möglich sind:

Wann und wie wird der Präsident gewählt?

Die 57. Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika findet am 6. November 2012 statt. Die Bestimmung des Wahltages stammt aus einem Beschluss des Kongresses im Jahr 1845: Die Wahl soll am Dienstag nach dem ersten Montag im November sein. Ursprünglich gab es eine Periode von 34 Tagen, bis das Electoral College in Washington zusammentrat und den Präsidenten formal wählte. Diese Zeit brauchten die Wahlmänner, um aus allen Staaten in die Hauptstadt an der Ostküste zu reisen.

Denn die Wahl in einigen Tagen ist noch nicht die direkte Wahl des Präsidenten: Durch die Wahlen wird in jedem Bundesstaat bestimmt, welche Partei ihre Wahlmänner in das electoral college, das Wahlmännerkollegium, senden darf. Dieses Wahlmännerkollegium stimmt in letzter Instanz über den neuen Präsidenten ab. Insgesamt gibt es 538 Wahlmänner - in jedem Staat so viele, wie Abgeordnete in den Kongress entsandt werden. Also 100 Wahlmänner für 100 Senatoren aus 50 Bundesstaaten, 435 Wahlmänner entsprechend den Abgeordneten im Repräsentantenhaus und drei Wahlmänner für den District of Columbia.

Alle Wahlmännerstimmen eines Staates werden für den Kandidaten abgegeben, der die Mehrheit der Stimmen im Staat erhalten hat ("The Winner Takes It All"-Prinzip). Für die Kandidaten ist es besonders wichtig, die Wahlen in bevölkerungsreichen Bundesstaaten zu gewinnen, da diese viele Wahlmännerstimmen bringen. Zu den begehrtesten Staaten gehören Kalifornien mit 55 Wahlmännern, Texas (38), New York (29) und Florida (29). Die kleinsten Bundesstaaten entsenden mindestens drei Wahlmänner.

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Außerdem führt dieses System dazu, dass sich der Wahlkampf auf sogenannte "Swing States" wie Ohio, Florida oder Iowa konzentriert, wo das Rennen zwischen Republikanern und Demokraten besonders knapp ist. Staaten wie Texas oder Utah, die klar an die Republikaner gehen, werden "Red States" genannt. Als "Blue States" bezeichnet man Staaten wie Illinios und Kalifornien, in denen traditionell die Demokraten gewinnen. In Blue und Red States wird deutlich weniger Wahlkampf gemacht.

Das Prinzip des "The Winner Takes It All" wird auch als "General Ticket" bezeichnet und kann, wie bei der Wahl von George W. Bush im Jahr 2000, zu Verzerrungen führen: Obwohl Bushs demokratischer Konkurrent Al Gore genau 543.895 mehr Wählerstimmen erlangte, verlor er die Wahl. Ein Umstand, der auf einen 200 Jahre alten Artikel in der amerikanischen Verfassung zurückgeht und heute als umstritten gilt.

Die endgültige "Wahl" des Präsidenten durch die Wahlmänner ist nur noch Formalität. Am 17. Dezember geben sie im electoral college ihre Stimmen für die Ämter des Präsidenten und des Vizepräsidenten ab. Um ins Weiße Haus einzuziehen, muss ein Kandidat dabei die absolute Mehrheit der 270 Wahlmännerstimmen erhalten. Wenn es zu dem unwahrscheinlichen Fall eines Patts kommen sollte, als jeder der Kandidaten 269 Stimmen für sich gewinnt, tritt der zwölfte Verfassungszusatz in Kraft, wonach das neu gewählte Repräsentantenhaus den Präsidenten bestimmt, während der Senat dessen Stellvertreter wählt. Beide Kammern treten am 20. Januar 2013 erstmals zusammen.

Der Lohn des langen Wegs folgt am Nachmittag des 20. Januar 2013 bei der Inauguration in Washington: Dann legen der designierte Präsident und sein Vizepräsident den Amtseid vor dem Kapitol ab.

Die Vorwahlen: Termine und Ergebnisse

Wie wird bei den Vorwahlen gewählt und was ist der Unterschied zwischen einer Primary und einem Caucus?

Bevor die Kandidaten der beiden großen Parteien feststehen, gibt es eine ganze Reihe von Vorwahlen, die zumindest innerhalb der Partei des Herausforderer, das zeigt die Vergangenheit, oft langwierig sind. Die Vorwahlen sind ein kompliziertes, basisdemokratisches Verfahren, das bei jeder Partei und in jedem Staat ein bisschen anders abläuft, in den Grundzügen aber folgendermaßen funktioniert:

Bei einem Caucus kommen die Parteimitglieder in jeder Gemeinde zusammen. Bei den Republikanern wird dann ganz einfach per Stimmzettel und Wahlurne abgestimmt. Bei den Demokraten sammeln sich die Unterstützer der einzelnen Kandidaten in Grüppchen, dann wird durchgezählt. Hat ein Kandidat weniger als 15 Prozent, zählen seine Stimmen nicht und seine Fans müssen sich anderen Lagern anschließen.

Primaries, wie sie in den meisten Bundesstaaten abgehalten werden, sind einfache Wahlen, bei denen über die Kandidaten abgestimmt wird. Zu "closed primaries" dürfen nur Wähler kommen, die für die jeweilige Partei registriert sind. "Open primaries" stehen allen eingetragenen Wählern offen. Sich als Wähler registriert zu haben, ist in den USA Voraussetzung für alle Wahlen, auch für die Präsidentschaftswahl am 6. November.

Wann finden die Vorwahlen in den einzelnen Bundesstaaten statt?

Die Vorwahlen sind ein langwieriger Prozess, der sich fast komplett über die erste Jahreshäfte erstreckt. Am 3. Januar 2012 begannen mit dem republikanischen Caucus in Iowa die Vorwahlen. Erster Höhepunkt war der "Super Tuesday" am 6. März 2012. Die Vorwahlen endeten am 26. Juni in Utah.

Was ist das Ergebnis der Vorwahlen?

Aus den Ergebnissen der Vorwahlen ergibt sich, wie viele Delegierte (Wahlmänner) die einzelnen Kandidaten bei der Wahl des Präsidentschaftskandidaten bekommen. Die Republikaner verteilen die Wahlmänner meist proportional nach Stimmenanteil, in manchen Bundesstaaten muss ein Kandidat allerdings mindestens 15 Prozent der Stimmen bekommen haben. Manchmal werden die republikanischen Delegierten auch nach dem "The Winner takes it all"-Prinzip vergeben, das heißt, der Kandidat mit den meisten Stimmen bekommt alle Delegierten des Staates zugeteilt.

Romney hat laut New York Times 1522 Delegierte gesammelt, nötig wären 1144 gewesen. Bei den Demokraten werden die Delegierten proportional verteilt. Wie viele Delegierte aus den einzelnen Bundesstaaten stammen wird durch ein in beiden Parteien unterschiedliches Berechnungsverfahren ermittelt. Bei den Demokraten ist die Anzahl der Delegierten über die Jahre auf etwa 4200, bei den Republikanern auf etwa 2400 gestiegen.

Die Delegierten werden im Sommer zur jeweiligen National Party Convention entsandt, um dort für ihren präferierten Kandidaten zu stimmen. Die Republikaner trafen sich Ende August 2012 in Tampa (Florida), während die Demokraten vom Anfang September 2012 ihren Kandidaten Barack Obama in Charlotte (North Carolina) aufstellten.

Zusätzlich zu den durch Vorwahlen ermittelten Delegierten gibt es noch circa 400 "ungebundene Delegierte" bei den Republikanern und etwa 800 "Superdelegierte" bei den Demokraten. Diese Personen aus dem Partei-Establishment können sich aussuchen, wem sie ihre Stimme geben. In der Regel sprechen sie sich im Vorfeld öffentlich für einen Kandidaten aus. Damit soll verhindert werden, dass die in den Vorwahlen ermittelten Delegierten nicht allein über den Präsidentschaftskandidaten entscheiden und womöglich einen unwählbaren Bewerber ins Rennen ums Weiße Haus schicken.

Nach den nationalen Konventen beginnt offiziell der Hauptwahlkampf zwischen Mitt Romney, dem Kandidaten der Republikaner, und Barack Obama, dem Kandidaten der Demokraten.

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