Wahlsplitter:Schnell-Rechner, Stimmkönig und Promi-Malus

Warum am Sonntag zwei Gruppierungen mit 0,0 Prozent abschnitten, gleich eine ganze Familie abgewählt wurde und selbst Superminister leer ausgingen.

Von Maximilian Gerl

In anderen Parteien können sich manche Kandidaten Hoffnung machen, über ein Listenmandat in den Landtag einzuziehen. Josefa Schmid etwa, besser bekannt als "singende Bürgermeisterin" von Kollnburg, kandidierte auf Listenplatz vier für die FDP; nach Stand der Dinge wird ihre Partei in Niederbayern aber nur einen einzigen Sitz erhalten. Sollten genug Wähler bei Schmid ihr Kreuz gemacht haben, könnte es vielleicht trotzdem klappen. Sepp Dürr von den Grünen hatte im Wahlkampf sogar das "Projekt 42" ausgerufen, die Wähler sollten ihn bitte von Platz 42 weit nach vorne häufeln. Die Grünen erhalten in Oberbayern wahrscheinlich zwölf Listenmandate. Dürr müsste also einige Plätze gutmachen - ein sportliches Unterfangen.

Landtagswahlen können eine frustrierende Angelegenheit sein: zum Beispiel für all diejenigen, die monatelang Plakate klebten und doch weit davon entfernt sind, dass ihre Mühen mit einem Mandat belohnt werden. 18 Parteien standen am Sonntag zu Wahl, sechs davon schafften es in den Landtag. Von denen, die es nicht schafften, war Die Linke mit 3,2 Prozent die beste. Dahinter folgen die Bayernpartei mit 1,7 und die ÖDP mit 1,6 Prozent der Gesamtstimmen. Die übrigen Parteien rangieren deutlich dahinter, unter anderem Die Partei (0,4 Prozent), Die Piraten (0,4 ) und Die Franken (0,2). Nur zwei Parteien schlossen die Wahl mit offiziell 0,0 Prozent der Gesamtstimmen ab: Für Die Humanisten hatten sich etwa 3500, für die Liberal-Konservativen Reformer (LKR) etwa 2100 bayerische Wähler entschieden. Die LKR nannten sich bis 2016 Allianz für Fortschritt und Aufbruch, kurz Alfa, eine Abspaltung der AfD um den geschassten Parteigründer Bernd Lucke. Die AfD war seitdem, zumindest an Wahlergebnissen gemessen, deutlich erfolgreicher. Die blaue Partei, gegründet von Frauke Petry, die einst Lucke bei der AfD geschasst hatte, bevor die AfD sie schasste, war zur Wahl nicht angetreten.

Eine prominente Gewinnerin der Landtagswahl ist die Wahlbeteiligung. In den vergangenen Jahren hatte man bei ihr ja bisweilen den Eindruck, sie könne sich nur in die gleiche Richtung entwickeln wie die Ergebnisse der SPD: nach unten. Doch am vergangenen Sonntag bildeten sich vor Wahllokalen lange Schlangen, in Augsburg und Würzburg gingen sogar für kurze Zeit die Zettel aus. Der Landeswahlleiter ermittelte schließlich eine durchschnittliche Wahlbeteiligung von 72,4 Prozent. Das waren fast 850 000 Menschen mehr als vor fünf Jahren, damals lag die Beteiligung bei 63,6 Prozent. Die fleißigsten Wähler wohnten im Stimmbezirk München-Land-Süd mit einer Quote von 80,7 Prozent. Nürnberg-West kam dagegen auf nur 59,9 Prozent - so wenig wie nirgendwo sonst. Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm fasste die Situation treffend zusammen: "Es tut unserer Demokratie gut, dass so viele es getan haben."

Wenn es einen Preis für die schnellsten Rechner gäbe, Deggendorf hätte ihn verdient gewonnen. Schon gegen 21 Uhr am Wahlabend war der niederbayerische Stimmkreis komplett ausgezählt. Am längsten dauerte es dagegen im Stimmkreis München-Land-Nord: Erst gegen zwei Uhr am Montagmorgen lag dort das vorläufige Endergebnis vor. Diese Zeitspanne sei aber nicht ungewöhnlich, sagte ein Sprecher der Landeswahlleitung der Deutschen Presse-Agentur: "Das ist bei jeder Wahl so."

Wer genau in den Landtag einziehen wird, steht wohl erst am Dienstagabend fest, nach dem Ende aller Berechnungen. Eins aber ist jetzt schon klar: Die Zeiten, in denen CSU-Politiker von einem Promi-Bonus zehren konnten, sind vorbei. Wegen des schlechten Wahlergebnisses werden nur die 85 CSUler ins Maximilianeum einziehen, die direkt gewählt wurden. Selbst der beste Listenplatz ist damit plötzlich wertlos. Das wird einige CSU-Promis den Sitz im Landtag kosten: Finanzstaatssekretär Hans Reichhart zum Beispiel, der in Schwaben auf Listenplatz drei stand. Der ehemalige Superminister Ludwig Spaenle hatte sich in der Liste Oberbayern Platz drei gesichert - dann verlor er seinen Stimmbezirk München-Schwabing an einen Grünen. Und Wissenschaftsministerin Marion Kiechle hatte zwar kein Mandat zu verteidigen: Doch mit Listenplatz fünf in Oberbayern hätte sie bei jeder anderen Landtagswahl beste Chancen auf einen Einzug ins Parlament gehabt.

In einigen Stimmbezirken lieferten sich die Kandidaten Kopf-an-Kopf-Rennen ums Direktmandat - bisweilen auf Kosten des prominenten Amtsinhabers. Zum Beispiel in Würzburg. Oliver Jörg (CSU) unterlag seinem Herausforderer Patrick Friedl (Grüne) um 500 Stimmen. Jörg, ein Hochschulexperte, dem einige Beobachter Kabinettsreife attestieren, ist damit raus aus dem Landtag, genauso wie Parteifreundin Mechthilde Wittmann. Das Rennen in ihrem Bezirk München-Moosach war noch enger, mal lag sie in den Prognosen vorn, dann wieder hinter Benjamin Adjei von den Grünen. Erst gegen halb zwei in der Nacht meldete die Wahlleitung: 26,2 zu 26,1 Prozent für Adjei. 78 Stimmen machten den Unterschied.

Wahlen haben es so an sich, dass neue Gesichter ins Parlament ein- und alte ausziehen. Seltener geschieht, dass gleich eine Familie abgewählt wird. Am Sonntagmorgen, heißt es, sollen Barbara und Claudia Stamm miteinander telefoniert und sich Glück gewünscht haben. Gebracht hat es wenig. Mutter Barbara Stamm, eine der populärsten CSU-Politikerinnen, beliebt bei Partei- und Wahlvolk; für den Bezirksverband Unterfranken startete sie von Listenplatz eins. Normalerweise wäre ein Wiedereinzug Formsache, doch bei dieser Wahl verlief eben wenig normal, und so muss die Noch-Landtagspräsidentin den Landtag verlassen. Einen Abschied vom Amt hatte sie zwar bereits angekündigt - dass dieser gleich mit einem Abschied von der Landespolitik verbunden sein würde, war jedoch nicht geplant. Sich verspekuliert hat Tochter Claudia. Im Frühjahr 2017 hatte sie die Grünen verlassen und ihre eigene Partei gegründet, "Mut". Seitdem saß sie als fraktionslose Abgeordnete im Maximilianeum. "Mut" kommt nach vorläufigem Ergebnis auf 0,3 Prozent der Gesamtstimmen. Auch Claudia Stamm muss damit ihren Platz im Landtag räumen.

Bei der Landtagswahl 2013 hatten etliche CSU-Kandidaten mindestens 50 oder 60 Prozent der Erststimmen erhalten. Am Sonntag aber mussten sie schon froh sein, wenn sie mal auf 40 Prozent und darüber kamen. Aber es gibt sie noch, CSU-Politiker, die mehr als die Hälfte aller Wähler hinter sich vereinen. 50,3 Prozent erzielte Albert Füracker (CSU) im oberpfälzischen Neumarkt. Heißt: Der Finanz- und Heimatminister darf sich künftig auch mit dem inoffiziellen Titel des Stimmenkönigs schmücken.

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