CDU und CSU:Verkleinerung des Bundestags entzweit Schwesterparteien

CDU und CSU: Der leere Plenarsaal im Bundestag: Immer mehr Stühle kamen im Lauf der Zeit dazu, jetzt sollen es endlich wieder weniger werden.

Der leere Plenarsaal im Bundestag: Immer mehr Stühle kamen im Lauf der Zeit dazu, jetzt sollen es endlich wieder weniger werden.

(Foto: Bildgehege/Imago)

Statt 736 Abgeordneten nur noch 598 - das will die Ampel nun im Parlament beschließen. Doch die CSU schießt in einer Weise quer, die selbst die CDU entsetzt.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es waren Bilder, die eine Botschaft ins ganze Land tragen sollten: Der Streit zwischen CDU und CSU ist vorbei. Anfang des vergangenen Jahres trafen sich Friedrich Merz und Markus Söder am Kirchsee zu einem Spaziergang. Natürlich ganz zufällig war auch ein Fotograf zugegen. Und so entstanden Aufnahmen der beiden Parteichefs auf einem Steg mit den Alpen im Hintergrund - oder auf einer Bank sitzend, im freundlich zugewandten Gespräch. Weil Söder jemand ist, der das Offensichtliche zur Sicherheit noch einmal verstärkt, twitterte er dazu: "Neustart: CDU und CSU schließen sich wieder eng zusammen. Gute und intensive Abstimmung mit Friedrich Merz in Bayern."

Das war damals tatsächlich eine Nachricht. Denn Merz und Söder waren sich in den Jahren zuvor nicht gerade in inniger Freundschaft verbunden. Und der "Neustart" hat auch erstaunlich lange funktioniert. Doch jetzt kriselt es zwischen CDU und CSU wieder.

Die Ampel lege "die Axt an die Grundlagen der Demokratie", poltert die CSU

Dass Söder ausgerechnet vor der für die CDU wichtigen Berliner Abgeordnetenhauswahl einen Frontalangriff auf den Länderfinanzausgleich gestartet hat, von dem Berlin enorm profitiert, hat in der CDU für erheblichen Unmut gesorgt. "Vor bayerischen Landtagswahlen kennt die CSU keine Freunde mehr", schimpft einer aus der CDU-Spitze. Der Vorstoß beim Länderfinanzausgleich dürfte deshalb "nur der erste von vielen Querschlägern aus München" gewesen sein.

Es gibt aber noch ein anderes wichtiges Thema, das die Schwesterparteien gerade entzweit - das Wahlrecht. Seit mehr als zehn Jahren wird über eine wirksame Verkleinerung des Bundestags diskutiert, in der kommenden Woche soll es nun so weit sein: Dann will die Ampelkoalition ihren Gesetzentwurf im Bundestag beschließen. Statt derzeit 736 Abgeordneten soll es künftig nur noch 598 geben.

Doch die CSU behauptet, dass die Ampel mit ihrem Gesetzentwurf "die Axt an die Grundlagen der Demokratie legen" würde. CSU-Generalsekretär Martin Huber warf der Ampel sogar eine "organisierte Wahlfälschung" vor, die ihn an "Schurkenstaaten" erinnere. In der CDU ist man über diese Tonlage entsetzt.

Der Aufwuchs des Bundestags liegt an den Überhang- und Ausgleichsmandaten. SPD, Grüne und FDP wollen sie deshalb abschaffen. Dadurch ändern sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag nicht. Es kann aber passieren, dass in Einzelfällen jemand, der im Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, kein Mandat im Bundestag bekommt. Das verurteilt man nicht nur in der CSU, sondern auch in der CDU. Doch in der CDU weiß man auch, wer schuld daran ist, dass die Ampel das Wahlrecht jetzt in dieser Weise ändern kann.

Als die Union noch regierte, hatte die CSU eine wirksame Reform blockiert

Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble (beide CDU) hatten in ihrer Zeit als Bundestagspräsidenten die Union gewarnt: Wenn ihr nicht selbst eine Wahlrechtsreform beschließt, werden das irgendwann andere tun. In der vergangenen Legislaturperiode war auch der damalige Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus zu einer fraktionsübergreifenden Verständigung bereit. Doch die CSU beharrte immer eisenhart auf ihren Interessen und blockierte damit eine wirksame Reform.

Wegen dieser jahrelangen Blockade steckt die Union jetzt in einer schwierigen Lage. Sie ist in der Opposition und kann nichts mehr selbst gestalten. Und wenn sie den Gesetzentwurf der Ampel in der kommenden Woche ablehnt, muss sie befürchten, als Verteidigerin des übergroßen Bundestags gebrandmarkt zu werden. In der CDU sind viele sauer, dass die CSU sie in diese Lage gebracht hat. Friedrich Merz möchte das leidige Thema Wahlrecht deshalb möglichst schnell hinter sich lassen.

Doch die CSU will die Debatte verlängern. Die Christsozialen haben angekündigt, gegen das Ampelgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen. Aus Sicht der meisten in der CDU-Spitze ist das ein Fehler - auch weil sie glauben, dass die Klage vermutlich erfolglos sein wird. In jedem Fall aber würde dadurch in der Öffentlichkeit erneut der Eindruck entstehen, die Union sei gegen eine Verkleinerung des Bundestags, heißt es in der CDU-Spitze.

Merz hat deshalb intern klargemacht, dass er gegen eine Klage der Unionsfraktion ist. Wenn die CSU-Bundestagsabgeordneten unbedingt eine Entscheidung des Verfassungsgerichts wollen, sollen sie doch Söder auffordern, mit seiner bayerischen Landesregierung nach Karlsruhe zu ziehen, heißt es in der CDU sarkastisch. Die gute Stimmung vom Kirchsee, sie scheint schon nach einem Jahr wieder verflogen zu sein.

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