Wahlrechtsreform:Kompromissvorschlag im Streit um das Wahlrecht

Wahlrechtsreform: Die Ampelkoalition hat beschlossen, den Bundestag zu verkleinern - von derzeit 736 auf 630 Sitze.

Die Ampelkoalition hat beschlossen, den Bundestag zu verkleinern - von derzeit 736 auf 630 Sitze.

(Foto: Jean MW/Imago)

Der SPD-Abgeordnete Axel Schäfer empfiehlt der Ampelkoalition, die Fünf-Prozent-Hürde auf vier Prozent zu senken.

Von Robert Roßmann, Berlin

Wegen der heftigen Kritik an der Wahlrechtsreform gibt es jetzt aus der SPD einen Kompromissvorschlag. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer empfiehlt, die Fünf-Prozent-Hürde auf vier Prozent zu senken. Dadurch würde ein Teil der negativen Auswirkungen der Wahlrechtsreform auf die Linke und auf die CSU kompensiert. Schäfer begründet seinen Vorschlag in einer zwei Seiten langen Stellungnahme, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Schäfer hat seinen Wahlkreis sechsmal hintereinander direkt gewonnen, er sitzt seit 2002 im Bundestag. Sieben Jahre lang war er stellvertretender Vorsitzender des SPD-Bundestagsfraktion. In seiner Stellungnahme schreibt Schäfer, mit der Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages sei der Ampelkoalition zwar "ein wichtiger parlamentarischer Erfolg gelungen". Ein Punkt, der Wegfall der Grundmandatsklausel, habe allerdings "aus allen Richtungen zu erheblicher Kritik geführt, die wir ernst- und aufnehmen müssen". Es bestehe jetzt "ein erhebliches Potenzial für Fake News und Legendenbildung sowie vermeidbare Auseinandersetzungen". Dem sollte die Ampelkoalition "sowohl widerstehen als auch eine weitere Reform des Wahlrechts in Angriff nehmen und konkret über eine Absenkung der Sperrklausel auf vier Prozent beraten".

Die Streichung der Grundmandatsklausel empört die Opposition

Die Grundmandatsklausel besagt, dass eine Partei, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, trotzdem entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil in den Bundestag einziehen darf, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewonnen hat. Von dieser Klausel hat bei der letzten Bundestagswahl die Linke profitiert, sie sitzt nur deshalb mit 39 Abgeordneten im Parlament.

Die Klausel war aber auch eine Art Lebensversicherung für die CSU. Bei der letzten Wahl ist sie bundesweit nur auf 5,2 Prozent gekommen. Da die CSU in Bayern immer weit mehr als drei Direktmandate erzielt, wäre sie bisher auch dann im Bundestag gesessen, wenn sie einmal unter die Fünf-Prozent-Marke gerutscht wäre. CSU-Chef Markus Söder hatte der Ampelkoalition deshalb in einem SZ-Interview vorgeworfen, sie wolle mit der Abschaffung der Grundmandatsklausel "offenkundig der Linkspartei den Garaus machen und der CSU massiv schaden".

Der SPD-Abgeordnete Schäfer schreibt jetzt in seiner Stellungnahme, seit 1990 seien "Grüne, FDP und Linke in unterschiedlichen Legislaturperioden an der Fünf-Prozent-Klausel gescheitert". Nun könnte "eine Situation kommen, dass FDP, Linke und CSU zusammen mit 7 bis 9 Millionen Wählerinnen und Wählern keine Abgeordneten mehr ins Parlament schicken". Dies sei für die Mehrheit der Menschen politisch nicht verständlich und auch nicht vermittelbar. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten "sehen das Wahlrecht nicht als Kampfinstrument gegen bestimmte Parteien - im Gegensatz zur Union, die in den 1960er-Jahren mit dem Vorschlag zum Mehrheitswahlrecht die FDP vernichten wollte".

Die SPD müsse deshalb jetzt der "veränderten Parteienlandschaft auch gesetzlich Rechnung tragen und entsprechende Initiativen ergreifen", schreibt Schäfer. Dazu lohne auch ein Blick auf Europa: "In acht EU-Staaten gibt es Sperrklauseln unterhalb von fünf Prozent und beim Europäischen Parlament genügen weniger als ein Prozent, um einen Sitz zu erringen."

Ampelkoalition erwägt Änderung bei Listenverbindungen

Auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi fordert eine Anpassung der Fünf-Prozent-Hürde. "Wenn die Ampelkoalition keinen verfassungsrechtlichen Streit riskieren will, muss sie die Prozenthürde auf 3 oder 3,5 Prozent senken", sagte Gysi dem Spiegel.

In der Ampelkoalition gibt es bereits Überlegungen, der CSU dadurch entgegenzukommen, dass Listenverbindungen erlaubt werden. Die CSU könnte dann in einer derartigen Verbindung mit der CDU antreten - und hätte kein Problem mehr mit der Fünf-Prozent-Hürde. Die beiden Unionsparteien lehnen eine derartige Listenverbindung jedoch ab. CSU-Chef Söder sagte der SZ, es sei "eine Unverschämtheit, dass die Mehrheit im Bundestag darüber entscheiden will, wie sich Oppositionsparteien organisieren - das ist übergriffig und mit unserem Selbstverständnis nicht vereinbar".

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