Süddeutsche Zeitung

Wahlkampfendspurt der Linken:Mit Hurra in die Opposition

Rot-Rot-Grün? Auch die Linke scheint nicht mehr daran zu glauben und kappt alle Verbindungen zur SPD. 13 Tage vor der Bundestagswahl feiert sie sich lieber als Oppositionspartei - und tritt dabei alles andere als bescheiden auf.

Von Antonie Rietzschel, Berlin

Jetzt hat Sahra Wagenknecht das Wort gesagt: "Opposition." Gerade hat sie auf der Bühne über die Bankenrettung der Bundesregierung gelästert. Dann gab sie den Zuhörern ein Versprechen: "An der Stelle werden wir weiter in der Opposition bleiben". Die Linke rechnet offenbar endgültig nicht mehr mit Rot-Rot-Grün und und feiert sich 13 Tage vor der Bundestagswahl als einzig wahre Oppositionspartei.

Die Partei hat in die Auferstehungskirche in Berlin geladen, um die zentralen politischen Punkte vor der Wahl zu präsentieren. Auch die Grünen und die SPD haben das bereits getan. Sie stellten jeweils vor, was sie nach der Wahl als Regierungskoalition umsetzen wollen - ihr 100-Tage-Programm.

Gegen Steinbrück und SPD

Die Linke ist da bescheidener. Ihr Treffen heißt schlicht "Konvent" und von Regierungsbeteiligung und einem zeitlichen Rahmen, in dem besondere politische Ziele erreicht werden sollen, ist keine Rede. Sondern zu Beginn vor allem von einer großen Koalition, auf die die SPD laut den Vertretern der Linkspartei hinarbeite.

Dementsprechend ätzend sind die Kommentare gegen die SPD und ihren Spitzenkandidaten Peer Steinbrück. Steinbrück unterscheide sich nicht von Merkel, macht Bernd Riexinger in seiner Rede klar. "Das TV-Duell war wie ein Streit zwischen einem alten Ehepaar", sagt er. Der SPD-Kandidat lulle die Wähler ein. Interessant sei auch, dass eine Partei, die gegen Niedriglöhne und NSA wettere, die eigentlich selbst für diese Missstände verantwortlich sei. "Glaubwürdigkeit sieht anders aus." Sahra Wagenknecht wird genauso deutlich, wer neben Angela Merkel der Feind ist. "Steinbrück ist stolz auf so etwas wie die Agenda 2010."

Die Linke scheint alle Verbindungen zur SPD endgültig kappen zu wollen. Das zeigen auch die zehn Punkte, die die Partei während des Konvents vorstellt und damit zu zentralen Themen vor der Bundestagswahl macht. So hat sie neben Mindestlohn und Energiewende ausgerechnet die absoluten Hardcore-Themen mit auf den Zettel geschrieben, der auf allen Stühlen liegt: "Hartz IV abschaffen", steht unter Punkt fünf. Punkt neun beinhaltet die Forderung "Wir wollen einen kategorischen Gewaltverzicht in der deutschen Außenpolitik verankern und das Geschäft mit dem Tod ächten."

Nach der Rede von Sahra Wagenknecht halten die acht Spitzenkandidaten ein Banner hoch. "Waffen schaffen keinen Frieden", steht darauf. Und Dietmar Bartsch, der die Veranstaltung moderiert, erklärt, dass die Linke gegen einen militärischen Einsatz in Syrien sei. An diesen Stellen gibt es immer den meisten Applaus. Die Anti-Kriegshaltung ist immer noch der größte Hit der Linken, ein absolutes Alleinstellungsmerkmal - aber auch das größte Hindernis für Verhandlungen.

Die Linke als Friedenspartei

Auch Gregor Gysi strapaziert das Thema in seiner Rede übermäßig. "Die Linke ist die einzige Partei, die nie einem Auslandseinsatz zugestimmt hat", jubelt er immer wieder. Das Publikum klatscht und klatscht. Nur eine Stimme für die Linken sei eine Stimme gegen Waffenexporte. Somit stelle sich gar nicht die Frage, ob die Linke sich ändern müsse. Sondern Grüne und SPD. Wie das gelingen kann? Auch darauf hat Gysi eine Antwort. Durch die Linke.

Gysi macht in der Rede eine Rechnung auf, die wohl die Strategie der nächsten Tage bis zur Wahl bestimmen wird. "Die anderen Parteien reagieren immer auf uns, weil sie uns nicht leiden können. Das heißt: Wenn wir dazugewinnen, ändern sie ihre Politik. Die SPD wird sozialer, die Grünen friedlicher und die CDU kriegt vielleicht auch was ab. Eine Stimme für die Linke ändert drei Parteien."

Die Linke will also bleiben, wie sie ist, ändern sollen sich die anderen - es ist wohl diese Haltung, die eine linke Mehrheit und damit den von der Partei geforderten Politikwechsel verhindert. Aber die Linke sieht das natürlich anders.

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