Wahlkampfauftritte in EU-Staaten:Türkei verlangt schriftliche Entschuldigung von Niederlanden

  • Die türkische Regierung wirft den Niederlanden vor, mit der Verhinderung von Wahlkampfauftritten türkischer Minister gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen verstoßen zu haben.
  • Die Türkei verlangt eine offizielle Entschuldigung von den Niederlanden.
  • Den Haag ist dazu jedoch nicht bereit - und fordert für Nazi-Vergleiche aus der Türkei seinerseits eine Entschuldigung Ankaras.

Im Streit um verhinderte Wahlkampfauftritte türkischer Politiker hat die Regierung in Ankara offiziell bei den Niederlanden Protest eingelegt. Das Außenministerium in Ankara bestellte den Gesandten der niederländischen Botschaft ein und überreicht ihm zwei Protestnoten.

Darin teilt die türkische Regierung mit, dass die Behandlung der türkischen Minister als Bruch des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen gewertet werde. In dem völkerrechtlichen Vertrag ist beispielsweise geregelt, dass es zu den konsularischen Aufgaben gehört, die "Interessen des Entsendestaats sowie seiner Angehörigen, und zwar sowohl natürlicher als auch juristischer Personen, im Empfangsstaat innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen zu schützen". Zudem kritisiert die türkische Regierung, dass der Polizeieinsatz gegen türkische Demonstranten in Rotterdam unverhältnismäßig gewesen sei. Das melden unter anderem die türkische Zeitung Hürriyet sowie CNN Türk.

Am Wochenende hatte sich die Auseinandersetzung um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in EU-Staaten verschärft. Die niederländischen Behörden verweigerten Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die Einreise mit dem Flugzeug und wiesen die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya auf dem Landweg wieder in Richtung Deutschland aus.

Der Hürriyet zufolge erwartet Ankara den Mitteilungen zufolge eine offizielle schriftliche Entschuldigung der niederländischen Regierung für die Behandlung der Minister, die diplomatische Gepflogenheiten und internationales Recht verletzten.

Rutte verweigert Entschuldigung

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hatte eine von der Türkei geforderte Entschuldigung für das Vorgehen gegen die Minister jedoch bereits zuvor abgelehnt. Wenn sich jemand entschuldigen müsse, dann sei dies die Türkei, sagte er am Sonntag am Rande einer Wahlkampfveranstaltung. Faschismus-Vorwürfe der türkischen Regierung wies er als "inakzeptabel" zurück.

Ankara hatte nach der Abweisung seiner Minister mit schwerem verbalen Geschütz gegen Den Haag geschossen, ähnlich wie zuvor schon gegenüber Deutschland. Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte, die Niederländer hätten "keine Ahnung von Diplomatie oder Politik". "Sie sind Nazi-Nachkommen. Sie sind Faschisten." Der abgewiesene Außenminister Çavuşoğlu drohte, die Türkei werde so lange gegen die Niederlande vorgehen, bis sie sich entschuldigten. Das Land sei die "Hauptstadt des Faschismus".

Den Haag mahnt Niederländer in der Türkei zur "Vorsicht"

Die Niederlande aktualisierte am Montag wegen der diplomatischen Spannungen seine Reisehinweise für die Türkei. Das Außenministerium in Den Haag rät darin den in der Türkei lebenden Niederländern zur "Vorsicht". Sie sollten im gesamten Land Menschenansammlungen sowie belebte Plätze meiden, hieß es.

Die dänische Regierung sagte am Sonntag aus Solidarität mit den Niederlanden einen geplanten Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım ab. Ein solcher Besuch könnte angesichts der "aktuellen Angriffe der Türkei gegen die Niederlande nicht stattfinden", teilte der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen am Sonntag mit.

Auch die deutsche Regierung stärkt den Niederlanden im Streit mit der Türkei den Rücken. Die Bundesregierung hätte die niederländischen Maßnahmen weder zu bewerten noch zu kritisieren, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. "Nur eines muss klar sein: Die Niederlande haben unsere Solidarität angesichts der maßlosen Äußerungen, die gegen die niederländische Regierung und gegen das niederländische Volk aus der Türkei gerichtet worden sind."

Deutschland war vergangene Woche im Zusammenhang mit untersagten Auftritten türkischer Politiker ebenfalls heftig angegangen worden.

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