Wahlkampfabschluss der Berliner FDP:Herr Rösler kann's nicht lassen

"Ich bin ausdrücklich nicht den Finanzmärkten verpflichtet": FDP-Chef Rösler nutzt den Wahlkampfabschluss der Berliner Liberalen und profiliert sich auf Kosten des Koalitionsfriedens. Der Kurs seiner Partei in der Euro-Frage sei auch keineswegs populistisch, behauptet er - doch legen die Liberalen im Bund laut einer aktuellen Umfrage plötzlich zu.

Thorsten Denkler, Berlin

Es ist tatsächlich voll geworden im Atrium des Thomas-Dehler-Hauses, der Parteizentrale der Freien Demokraten. Hier findet an diesem Donnerstagabend der Wahlkampfabschluss der Berliner FDP statt. Beim Wahlkampfauftakt vor einigen Wochen hatten sich nur ein paar Dutzend versprengte FDP-Anhänger in den Hof des Nobelrestaurants Tucher direkt am Brandenburger Tor verirrt. Als sich damals Spitzenkandidat Christoph Meyer mühte, so etwas wie Aufbruchstimmung unter seinen Parteifreunden zu entzünden, waren die Klatscher einzeln zu identifizieren.

Wahlkämpferische Fröhlichkeit will aber auch an diesem Abend zunächst nicht aufkommen. Die Gesichter sind ernst, bei vielen liegt die Stirn in Falten.

Zahlreiche FDP-Mitglieder des Abgeordnetenhauses sind hier. Sie müssen mit einiger Berechtigung um ihre politische Existenz fürchten. Allen voran Meyer, der sich nach dem Wahlsonntag womöglich einen neuen Job suchen muss. Meyer ist zwar Jurist, aber in diesem Beruf ohne Praxiserfahrung. Da kann er nur auf die Solidarität von Parteifreunden hoffen.

"Man kann den Eindruck gewinnen, dass für einige Journalisten und Politiker die Wahl schon gelaufen ist", erklärt Meyer dem Auditorium in seiner letzten großen Wahlkampfrede. Nun ja, was kann auch über eine Partei geschrieben werden, die seit Monaten nicht aus dem Loch herauskommt.

So richtig scheint Meyer an diesem Donnerstagabend nicht mehr an einen Last-Minute-Sieg zu glauben. "Wir werden bis zum 18. September um jede Stimme in dieser Stadt kämpfen", sagt er. Am Ende des Satzes geht die Stimme runter. So klingt der Satz resigniert, wie eine hohle Phrase. Der Wahlkampf in Berlin ist bisher alles andere als eine Erfolgsgeschichte - die Liberalen liegen in Umfragen deutlich unter fünf Prozent.

Hoffen auf die Euro-Debatte

Jetzt soll es der Euro retten. Rainer Brüderle, der FDP-Fraktionschef im Bundestag, hat es vergangene Woche vorgemacht, als er Griechenland drohte, es "vom Platz zu stellen", sollte das Land sich nicht an die Regeln halten. Mit anderen Worten: Griechenland raus aus dem Euro, wenn es die Auflagen der Kreditgeber nicht erfüllen kann. Parteichef Philipp Rösler legte nach und brachte eine Insolvenz Griechenlands ins Spiel. Da dürfe es ab sofort "keine Denkverbote" mehr geben.

"Ich tue, was ich tun muss"

Die nervösen Märkte reagierten sofort, der Dax stürzte ab. Angela Merkel warf sich dazwischen und rüffelte ihren Vizekanzler, es sei wichtig, in dieser Krise seine Worte "vorsichtig" zu wählen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte darauf aufmerksam, dass es ein Unterschied sei, eine Sache zu denken, oder sie dann auch noch auszusprechen.

Wahlkampfabschluss FDP

Die Zeit läuft: Der FDP-Spitzenkandidat für die Berliner Wahl, Christoph Meyer (r.), und FDP-Chef Philipp Rösler beim liberalen Wahlkampfabschluss in der Hauptstadt.

(Foto: dpa)

Das alles kann die FDP nicht aufhalten. Die Liberalen glauben in ihrer massiven, öffentlichen Kritik an der Euro- und Griechenland-Rettung ein lohnendes Thema gefunden zu haben. Damit soll Berlin gehalten werden. Es wäre der fünfte Landtag, aus dem die FDP in diesem Jahr fliegt. Meyer will die Berlin-Wahl jetzt sogar zu einer "Abstimmung über die Verschuldenskrise" machen.

Unbeeindruckt vom Machtwort der Kanzlerin

Philipp Rösler stellt sich hinter das Pult. Er ist der Hauptredner dieses Wahlkampfabschlusses. Von Merkels Rüge scheint er nicht beeindruckt zu sein. Im Gegenteil. Rösler legt ordentlich nach. Frei nach dem Motto: "Die Frau hat Nerven - ich habe sie auch!" Da donnert der Applaus los. Dass Union und FDP im Bund gemeinsam regieren, ist von da an nicht mehr zu spüren.

Röslers Sätze klingen eingeübt: "Solidarität ist keine Einbahnstraße." Und: "Wir können nicht zulassen, dass der deutsche Steuerzahler für die Schulden in anderen Ländern haftet."

Alles, was Rösler an diesem Abend zum Euro sagt, klingt an diesem Abend wie eine Kampfansage an Merkel und Schäuble. "Ich bin ausdrücklich nicht den Finanzmärkten verpflichtet. Ich tue das, was ich für richtig halte!" Oder, in Richtung Schäuble: "Du darfst alles sagen, was Du denkst - wenn Du denkst." Fehlte nur noch, dass der FDP-Chef die Sätze mit "Liebe Frau Merkel, lieber Herr Schäuble" einleitet.

Wer den Vizekanzler jetzt für einen euroskeptischen Populisten hält, liegt natürlich völlig falsch. Rösler hat da ein äußerst schlagendes Argument parat, das jeden überzeugen muss, der Gegenteiliges glaubt: Die FDP sei eine liberale Partei, sagt er. Und eine liberale Partei "kann niemals eine populistische Partei sein".

Doch seine jüngsten Aussagen zu Griechenland scheinen ihm beim Wahlvolk zumindest nicht zu schaden. Einer neuen Umfrage von Infratest dimap zufolge kommen die Liberalen im Bund immerhin nun auf fünf Prozent.

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