Union im Wahlkampf:Wer hilft hier wem?

Ministerpräsident Laschet in Sachsen-Anhalt

Wahlkampf im Bauhaus-Museum: Reiner Haseloff (links) und Armin Laschet im Gespräch mit Pressevertretern

(Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Offiziell reiste CDU-Chef Laschet nach Sachsen-Anhalt, um Ministerpräsident Haseloff bei der Landtagswahl zu unterstützen. Doch er dürfte auch versucht haben dem Eindruck entgegenzuwirken, wesentliche Teile der Ost-CDU würden mit ihrem Kanzlerkandidaten fremdeln.

Von Boris Herrmann, Dessau

Zwei Ministerpräsidenten, darunter ein Kanzlerkandidat, stehen vor einem expressionistischen Gemälde namens "Backfisch-Aquarium". Öl auf Hartfaserplatte, 1964. Die beiden Männer erfahren von einem Kurator des Bauhaus-Museums in Dessau, dass sich der Urheber dieses Werks, Carl Marx, erstens mit C schreibt, und dass der Maler Josef Albers wiederum, obschon er sich einer ganz anderen Bildsprache bediente, einer der wichtigsten Lehrer von Marx war - weshalb man die beiden auch als "entfernte Verwandte" bezeichnen könne.

"Sehr schön, gutes Thema", sagt Reiner Haseloff. "Mhm", sagt Armin Laschet.

Die beiden Länderchefs aus Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen haben an diesem Freitag bereits eine längere Bundesratssitzung mit 50 Tagesordnungspunkten hinter sich, Haseloff dazu noch eine Landtagswahl und Laschet eine Bundestagswahl vor sich. Man darf unterstellen, dass ihre Gedanken nicht vollumfänglich um die Bildsprache von Carl Marx kreisen. Aber die beiden CDU-Spitzenpolitiker geben sich alle Mühe, ein gewisses Interesse an der Materie anzutäuschen, schließlich sind auch ein paar Journalisten bei diesem Museums-Rundgang dabei. Nach fast anderthalb Jahren Pandemie merkt man erst, wie sehr man diese stets leicht ins Groteske triftenden Termine vermisst hat. Endlich wieder ein Hauch von Wahlkampf, wie er immer war.

"Fünf Minuten haben wir noch", ruft jemand aus dem Haseloff-Laschet-Tross. Noch fünf Minuten Kunst, dann wird es ernst. "Dann machen wir Statement", sagt Haseloff zu Laschet und ballt die Faust, als ob es bereits einen Wahlsieg zu feiern gäbe.

Ein bisschen erstaunlich ist es schon, dass sich Reiner Haseloff auf einen gemeinsamen Auftritt mit Armin Laschet freut. Schließlich hätte der CDU-Chef mit seinem Parteifreund wenn schon kein ganzes Hühnchen, dann doch zumindest noch einen kleinen Backfisch zu rupfen. Es war ja Haseloff, der auf dem Höhepunkt des Machtkampfes zwischen Laschet und Markus Söder gefordert hatte, die Kanzlerkandidatenfrage der Union auch mit Blick auf die Umfragen zu klären. Es gehe jetzt nicht um "persönliche Sympathie, Vertrauen oder Charaktereigenschaften", sagte Haseloff dem Spiegel: "Leider geht es jetzt nur um die harte Machtfrage: Mit wem haben wir die besten Chancen?" Damit stellte er sich als erstes Mitglied des CDU-Präsidiums eindeutig auf die Seite von CSU-Chef Söder, denn der hatte genau mit diesem Argument für sich geworben.

Damals, Mitte April, sah es für einen Moment so aus, als habe Haseloff der Kampagne Laschets eine irreparable Delle verpasst. Aber jetzt stehen sie beide zumindest wieder wie entfernte Verwandte vor dem Bauhaus-Museum und man fragt sich: Wer hilft hier eigentlich wem? Offiziell ist Laschet nach Sachsen-Anhalt gekommen, um Haseloff für die Landtagswahl am kommenden Wochenende zu unterstützten. Aber zu Laschet Reisemotivation gehört sicherlich auch der Versuch, dem Eindruck entgegenzuwirken, wesentliche Teile der Ost-CDU würden mit ihrem Kanzlerkandidaten fremdeln.

Ob er seinem Gastgeber das mit den Charaktereigenschaften schon verziehen hat? "Wäre ich sonst hier, wenn ich irgendjemandem etwas übelnehmen würde?", fragt Laschet zurück. Er und Haseloff seien eng befreundet. Tatsächlich gilt die persönliche Sympathie zwischen den beiden Ministerpräsidenten als aufrichtig. Aber gerade deshalb dürfte es Laschet verletzt haben, dass Haseloff offenbar mit Blick auf den ungewissen Ausgang der Sachsen-Anhalt-Wahl meinte, sich auf die Seite Söders schlagen zu müssen.

Haseloff spricht von "stiller Post"

Wobei er sich da inzwischen missverstanden fühlt. Da sei etwas hineininterpretiert worden, was so nicht stimme, sagt Reiner Haseloff am Freitag im Museum. Er spricht von "stiller Post" und von "einem Trichter", in den etwas hineingeraten sei, was mit dem Gesagten nichts zu tun habe. Dabei lassen die Zitate vom April eigentlich wenig Interpretationsspielraum. Von Angesicht zu Angesicht mit Laschet bastelt der sonst erfrischend direkt formulierende Haseloff plötzlich solche Sätze: "Es gibt genau so bei uns im Landesvorstand, oder gab damals, Personen, die gesagt haben, wir brauchen eigentlich aus unserer Sicht, aus der jeweiligen Sicht des Sprechenden oder sich Artikulierenden, einen Integrator wie Armin Laschet." Das ist die wohl denkbar umständlichste Variante der Aussage, dass es unter Sachsen-Anhalts Christdemokraten durchaus nicht nur Söder-Fans gibt. Immerhin sagt Haseloff noch: "In dem Moment, wo sowas demokratisch entschieden ist, steht die Union."

Laschet kann das bestätigen. Er habe zuletzt so viele Einladungen von der CDU-Basis in Sachsen-Anhalt gehabt, dass er gar nicht alle annehmen konnte. Ein paar hat er aber schon angenommen. "Und da sagen jetzt alle: Wir wollen lieber, dass du Kanzler wirst, als Frau Baerbock."

Das ist doch schonmal etwas, worauf sich aufbauen lässt zwischen Armin Laschet und der Ost-CDU.

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