Wahlkampf in Thüringen:Merkel, zurück aus dem Standby-Modus

Kanzlerin Merkel eilt Thüringens Ministerpräsident Althaus zu Hilfe - und teilt erstmals wieder öffentlich aus.

M. König, Nordhausen

Für die Bundeskanzlerin ist es der pure Luxus, "mal ausschlafen, total abschalten, das Handy ausschalten" zu können. Das hat Angela Merkel (CDU) am Dienstag auf einer Freiluftbühne in Thüringen gesagt.

Wahlkampf in Thüringen: Kanzlerin Angela Merkel mit Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus während der Wahlkampfveranstaltung in Nordhausen.

Kanzlerin Angela Merkel mit Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus während der Wahlkampfveranstaltung in Nordhausen.

(Foto: Foto: Reuters)

Darin liegen gleich zwei überraschende Erkenntnisse. Erstens: Es gibt Angela Merkel noch. Und zweitens: Die vergangenen Tage und Wochen dürften ihr ziemlich luxuriös vorgekommen sein.

"Im Schlafwagen im Urlaub"

Während um Merkel herum der Wahlkampf nicht gerade tobte, aber doch stattfand, wirkte die Kanzlerin zuletzt wie in den Standby-Modus versetzt. Sie trat wenig im Wahlkampf in Erscheinung, Attacken von der SPD ließ sie von Parteikollegen kontern. Führende Sozialdemokraten unkten, die Kanzlerin wolle "im Schlafwagen an die Macht". Damit ist jetzt Schluss. Merkel ist zurück.

Für ihr Comeback hat sie sich den Petersbergplatz in Nordhausen, Thüringen, ausgesucht. Sie kommt Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus zu Hilfe, dem bei der Landtagswahl am 30. August die Abwahl droht - zugunsten einer rot-roten Koalition. Merkel sei im Wahlvolk beliebt, versichern CDU-Wahlkampfhelfer in Nordhausen. Und Althaus? Der habe "noch Luft nach oben".

Aussitz-Taktik wie einst Kohl

Viele der 4000 Gäste auf dem Petersbergplatz sind nur wegen Merkel gekommen. "Mit der Landespolitik habe ich abgeschlossen", grummelt ein rüstiger Mann, Mitte 60, der mit seiner Frau auf den Beginn der Veranstaltung wartet. Wie Althaus nach seinem Ski-Unfall "herumtaktiert" habe, das sei nicht in Ordnung gewesen.

Merkels Taktik, sich im Wahlkampf zurückzuhalten, findet er hingegen völlig in Ordnung: "Das ist ein kluger Schachzug von ihr. Aussitzen, so hat das der Kohl auch gemacht." Ein Wahlkampfhelfer bestätigt, die CDU-Stammwähler würden Merkels Verhalten als "konzentriertes Arbeiten" interpretieren. Dafür sprächen auch die konstanten Umfrageergebnisse, die im Bund auf eine schwarz-gelbe Mehrheit hindeuten. Er fügt an: "Jetzt darf der Ton aber auch langsam mal etwas schärfer werden."

Und er wird schärfer. Nicht in der anfänglichen Interviewrunde, in der es der TV-Moderator Jan Stecker kräftig menscheln lässt. Auch nicht bei Althaus, der in seiner Rede allenfalls vor "politischen Experimenten" warnt und sich ansonsten beeilt, das Pult für Merkel frei zu machen.

Die Kanzlerin verweist zunächst auf die tragende Rolle der Union bei der Wiedervereinigung, dann teilt sie nach allen Seiten aus. Nur die FDP bleibt als möglicher Koalitonspartner im Bund und in Thüringen verschont.

Eine "absurde Diskussion"

Die Linken hätten mit ihrer Behauptung, die DDR sei kein Unrechtsstaat, "alles durcheinandergebracht", klagt Merkel. Eine "absurde Diskussion" sei das gewesen, die der Spitzenkandidat der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow, im Februar angestoßen hatte. "Und jetzt haben es die Linken auch noch geschafft, die SPD und die Grünen durcheinander zu bringen", rügt Merkel.

Die Überlegungen Ramelows, im Falle einer rot-roten Koalition dem Juniorpartner SPD den Posten des Ministerpräsidenten zu überlassen, werfe für sie die Frage auf: "Haben die noch alle Tassen im Schrank? Die Sache mit dem Koch und dem Kellner hatten wir schon bei Schröder und Fischer. Die hatten am Ende fünf Millionen Arbeitslose zu verantworten."

Später Konter

Merkel betont, die große Koalition habe diese Zahl unter ihrer Führung bis zum Beginn der Finanzkrise auf drei Millionen drücken können: "Da muss ich mir doch nicht erzählen lassen, wofür ich mich interessiere!" SPD-Chef Franz Müntefering hatte der Kanzlerin am vergangenen Wochenende vorgeworfen, Arbeitslose seien ihr "egal".

Merkels Konter kommt spät, aber er kommt an. Die Mehrheit der Zuhörer auf dem Petersbergplatz klatscht Beifall. Ministerpräsident Althaus strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Am Morgen hatte ihn Merkel bereits zum Kongress "20 Jahre Deutsche Einheit" nach Wismar begleitet.

"Fürchterlich reserviert"

Althaus muss darauf hoffen, dass die Unterstützung der Kanzlerin Wirkung zeigt. Die CDU in Thüringen bekommt in der aktuellen Wahlumfrage von Infratest dimap 34 Prozent Zustimmung, Linke und SPD kommen zusammen auf 44 Prozent. Die FDP liegt bei neun Prozent, die Grünen bangen mit derzeit sechs Prozent um den Einzug in den Landtag.

Eine bekennende CDU-Wählerin im Publikum klagt nach Althaus' Auftritt, der Ministerpräsident habe "wieder so fürchterlich reserviert gesprochen". Ihr Ehemann beschwert sich über Althaus' Themensetzung: "Er hat kaum über Arbeitsplätze geredet. Dabei ist das so wichtig für uns." Mit Merkels Auftritt sind beide zufrieden: "Die kann das, die ist ehrlich, die macht das gut."

Zum Dank für ihren Einsatz bekommt sie von der Thüringer CDU nach ihrer Rede eine Magnumflasche einer Nordhäuser Schnaps-Spezialität überreicht. "Die wird erst nach der Wahl angerührt", sagt Merkel ins Mikrofon. Ein Mann im Publikum brüllt zurück: "Aber kalt stellen können Sie sie schon!"

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