Wahlkampf in Rheinland-Pfalz:Klappe halten? Geht nicht

Politischer Aschermittwoch - CDU

Julia Klöckner betrachtet in Ingelheim am Rhein ihren neuen Wahlkampfbus. Sie brennt darauf, in die Staatskanzlei einzuziehen.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Julia Klöckner zeigt sich unbeeindruckt von Kritik aus der Bundespartei an ihren Aussagen zur Flüchtlingspolitik. Die CDU-Spitzenkandidatin muss um jede Stimme kämpfen.

Von Susanne Höll, Mainz

Bitterkalt ist es an diesem Februartag, Stiefelwetter sozusagen. Julia Klöckner steht vor einem Supermarkt in Bodenheim unweit von Mainz in blauen Riemchenpumps. Schlechte Wahl. Bald sind die Füße gefroren, eine Mitarbeiterin tritt ihr festes Schuhwerk ab. Damit nicht genug. Auf dem zugigen Parkplatz hört sie vor allem Klagen. Über die Flüchtlinge und die Kanzlerin. Die CDU-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz, die ihren Wahlsieg schon sicher wähnte, muss um jede Stimme kämpfen.

Es ist nicht allzu viel los vor dem Laden, Zeit also für längere Gespräche. Immer wieder nur ein Thema - die Flüchtlinge, na klar. Gerade die Männer regen sich auf. Junge, Alte, Anzugträger und Rentner in Arbeitshosen sagen, dass es so wirklich nicht weitergehen könne. Ein korpulenter Pensionist findet Klöckner gut und die CDU auch. Aber die Grenzen gehörten geschlossen. "Viele von uns waren doch auch einmal auf der Flucht", antwortet Klöckner. Der Senior schüttelt den Kopf.

"Mein Quartal läuft am 12. März ab" - am 13. ist Wahltag

Der nächste, ein Herr in edlem Tweed, findet, eigentlich sollten Ausländer allesamt nach Hause geschickt werden. Klöckner fragt zurück, wer sich dann um die Kranken in Spitälern kümmern solle? Keine Antwort.

Ein Gymnasiast ist da, Erstwähler, politisch sehr interessiert. Er schwankt, wie er sagt, zwischen CDU und AfD und hätte gern, dass die Christdemokraten künftig mit den Rechtspopulisten regierten. Nein, ausgeschlossen. Der Teenager ist arg enttäuscht. Karl-Heinz Göth, Weinbauer und CDU-Mitglied sagt, dass es an den Stammtischen in Bodenheim noch heftiger zugehe: "Den Leuten steigt das Blut in den Kopf und sie schimpfen auf Angela Merkel."

Klöckner schimpft nicht auf Merkel. Sie versucht, sich abzusetzen, will retten, was noch zu retten ist. Einen Plan A2 hat sie vorgelegt, zur Verringerung der Flüchtlingszahlen. Den versteht allerdings kaum ein Mensch. In einer CDU-Runde, so wird erzählt, bat die Kanzlerin unlängst um Geduld bei der Suche nach europäischen Lösungen. Man solle doch bitte das erste Jahresquartal abwarten. "Mein Quartal läuft am 12. März ab", entgegnete Klöckner. Am Tag darauf wählt Rheinland-Pfalz.

Auf dieses Datum hat sie sich seit Jahren vorbereitet, Klöckner ist äußerst ehrgeizig, brennt darauf, in die Staatskanzlei einzuziehen. "Unsere neue Ministerpräsidentin" steht auf den CDU-Wahlplakaten. Vor fünf Jahren unterlag sie ganz knapp dem damaligen SPD-Regierungschef Kurt Beck. Diesmal soll es klappen, gegen dessen Nachfolgerin Malu Dreyer. Ein dritter Anlauf, womöglich ebenfalls erfolglos, wäre eine peinliche Sache für eine Frau, die unbedingt nach oben will.

Kaum eine Talkshow in den vergangenen Monaten, in der sie nicht zu Gast war. Klöckner twittert, chattet, hält Internet-Sprechstunden ab, war natürlich Ehrengast bei ungezählten Faschingsveranstaltungen. Die 43-Jährige scheint in Rheinland-Pfalz allgegenwärtig, sie absolviert ihr Programm mit einer Energie, die an jene des Dauer trommelnden Duracell-Hasens erinnert. Meistens ist sie dabei gut gelaunt, heiter und schlagfertig. Vorwitzig auch, mit Hang zu Kalauern. Als sie ihr Wunsch-Ministerteam für die nächste Landesregierung vorstellte, verwies sie ausdrücklich auf den Heimatort eines ihrer Kandidaten. Der stammt aus dem Ort Wissen im Kreis Altenkirchen. "Wissen ist besser als Ahnen", sagte sie. Ein Insiderwitz für Einheimische. Ahnen ist die SPD-Finanzministerin von Rheinland-Pfalz. Kaum jemand im Saal lachte lauter als Klöckner selbst.

Sie ist eine emotionale Person und zugleich Perfektionistin. Und manchmal pfuscht der Bauch dem Kopf ins Geschäft. Auf einer Reise mit Journalisten wurde sie im vergangenen Sommer von einem Fernsehjournalisten gefragt, warum sie im Land nicht so beliebt sei wie die Ministerpräsidentin. Klöckner nahm übel, verlangte, dass die Kamera abgestellt wird. Erstaunen in der Runde. Einem Polit-Profi mit Instinkt unterläuft ein solcher Fehler eigentlich nicht. Manchmal redet und handelt Klöckner schneller als sie selbst und andere denken können. Als sie am vorvergangenen Wochenende ihren Plan A2 gemeinsam mit ihrem baden-württembergischen Kollegen Guido Wolf aufwärmte, empfahl Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) auch ihr, einfach mal die Klappe zu halten.

Sie ist bisweilen unverfroren, aber keine Protagonistin des rechten Flügels

Das aber kann sich Klöckner derzeit nicht erlauben. Sie muss jeden Tag über Flüchtlinge reden. SPD und Grüne, nicht nur in Rheinland-Pfalz, werfen ihr vor, die Gesellschaft zu spalten und am rechten Wählerrand auf Stimmenfang zu gehen. Sie sei eine Art charmanterer Roland Koch im Rock, sagte einer ihrer Kritiker in Anspielung auf den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten, der mit einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Landtagswahl 1999 gewonnen hatte. Stimmt, sie redet viel über die Begrenzung der Flüchtlingszahlen. Und propagiert seit Längerem die Idee eines Burka-Verbots in Deutschland. Aber vor dem Supermarkt in Bodenheim bietet sie allen fundamentalistischen Flüchtlingskritikern Paroli. Sie ist bisweilen unverfroren, aber keine Protagonistin des rechten Flügels.

Davon zeugt, wenn man so will, auch ihr Lebenspartner. Helmut Ortner ist mehr als zwei Jahrzehnte älter als sie, Autor und Journalist, Freidenker und Attac-Mitglied, ein Altlinker, könnte man sagen. Sie redet in der Öffentlichkeit ungern über ihn, manchmal aber begleitet er sie bei Terminen. Etwa bei der Vorstellung ihres Interview-Buches im vergangenen Jahr. Der Verlag dankt der studierten Theologin Klöckner mit einem Präsent - einer Denkschrift über die Frage, was man von Papst Franziskus lernen könne. In einer der hinteren Reigen raunt ein Mann: "Braucht man so was wirklich?" Der Mann war Ortner.

Bleibt die Frage, ob Klöckner das Zeug zur Staatsfrau, zur Ministerpräsidentin hätte. Sie hat, so sagen Leute aus der Bundes-CDU, ein gelungenes Gesellinnen-Stück abgeliefert, Ordnung gebracht in die Landespartei, die ein Vierteljahrhundert außerordentlich verwildert und zerstritten war. Ein Land aber ist etwas anderes als eine Partei. Einer, der sie ziemlich gut kennt, überlegt ein paar Sekunden, bevor er auf die Eignungsfrage antwortet. Und sagt dann: "Ja, sie hat das Zeug. Wenn sie gute Berater hat und auf sie hört."

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