Wahlkampf in Niederösterreich:Vom Werkzeugmacher zum Milliardär zum Politiker

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Wohltäter, Auswanderer, Manager: Frank Stronach redet lieber über seinen Aufstieg zum Milliardär als über konkrete Politik.   

(Foto: dpa)

Über seinen wirtschaftlichen Aufstieg redet Frank Stronach gern. Wenn es um konkrete Politik geht, hat er wenig zu sagen. Aber auch ohne klares Programm wirbelt die Partei des 80-Jährigen das politische Gefüge in Österreich durcheinander.

Von Cathrin Kahlweit, Petzenkirchen

Der alte Herr wirkt einsam inmitten all der Menschen. Hunderte haben sich im Saal des Bärenwirts eingefunden, auf der Bühne singt ein Barde mit dem Künstlernamen Otto Normalverbraucher "Steirer Men are very good", die Masse klatscht enthusiastisch. Vier junge Damen, Groupies des Stargastes mit rot-weiß-roten Halstüchern in den Farben seiner neuen Partei, schwenken rot-weiß-rote Fähnchen. Sie sind dunkelhaarig, was ungewöhnlich ist, denn Frank Stronach, 80 Jahre alt und gebürtiger Steirer, umgibt sich habituell nur mit blonden Frauen. Er selbst sitzt unterhalb der Bühne, sein Team hält respektvoll Abstand. Stronach klopft, den Blick auf der Tischplatte, im Takt der Musik verloren mit einem Fähnchen auf den Tisch - als wäre er zu Gast bei einem Fest, dessen Anlass er nicht kennt.

Als er später die Bühne erklimmt, wird es ehrfurchtsvoll still im Saal. Die meisten Besucher kennen den Chef vom "Team Stronach", der bei den Wahlen am kommenden Sonntag in Niederösterreich als Spitzenkandidat antritt, nur aus dem Fernsehen, wo er regelmäßig gut vorbereitete Interviewer mit ellenlangen, wirren Reden zur Verzweiflung treibt. An Gesprächsrunden vor den zwei anstehenden Wahlen - neben Niederösterreich stimmt auch Kärnten über einen neuen Landtag ab - nimmt er nicht teil. Da werde nur durcheinander gebrüllt, lässt er ausrichten. Die Wahrheit ist, dass Stronach nicht diskutieren kann, abweichende Meinungen irritieren den Senior erkennbar. Er war zu lange Chef, als das er jetzt Teamarbeiter sein könnte, dem Namen seiner Partei zum Trotz.

Stronach mischt erst seit einem dreiviertel Jahr Österreichs Politik auf, mehrere Monate im Jahr lebt er in seiner Wahlheimat Kanada, in die er als junger Mann auswanderte und wo er den Autozulieferkonzern Magna aufbaute. Jetzt ist Stronach Milliardär, Magna hat er abgegeben, nun will er "Österreich dienen".

Er erzählt die Geschichte vom Selfmademan

Sein vieles Geld hilft ihm dabei, in Petzenkirchen wie bei jedem anderen Wahlkampfauftritt auch bekommt jeder Besucher Getränk und Imbiss kostenlos. Anekdoten aus seinem Leben erzählt er, vom Hunger, vom ersten Heimatbesuch im schicken Auto, davon, dass er mittlerweile so wichtig sei, dass er es sich leisten könne, eine Einladung der Queen auszuschlagen. Sein Deutsch ist stark englisch eingefärbt, aber immer noch gut. Er erzählt die Geschichte vom Selfmademan, schildert seinen Weg vom steirischen Werkzeugmacher zum kanadischen Tellerwäscher und dann zum Millionär. Das ist sein Morgengruß und sein Gutenachtlied, das kann er auswendig singen. Doch als er über Politik sprechen soll, wird sein Deutsch auf einmal unentschieden, suchend, es wimmelt von "Ding" und "äh". Den Leuten im Saal ist das egal, sie haben gehört, was sie hören wollten: Werte, Respekt, Fleiß, Aufstieg, jeder kann es schaffen, die etablierten Parteien müssen entmachtet werden, das System schwächt den kleinen Mann, es schützt ihn nicht.

Zum Abschluss wieder ein Lied, "Hand in Hand" - und der Pfadfinderabend für die älteren Fans ist zu Ende. Politik oder auch nur Stronachs Plan, die absolute Mehrheit von Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) in Niederösterreich zu brechen, haben kaum eine Rolle gespielt. Stattdessen hat Stronach in zwei Stunden mindestens vier Mal betont, wie viel Geld er spendet. Was für ein guter Mensch er sei, gut auch zu seinen Arbeitern. Anders als die anderen. Anders als "die da oben". Seine Ruhmeshalle baut sich Frank Stronach selbst.

Stronachs Partei destabilisiert das Gleichgewicht

Ein klares Programm hat der Austro-Kanadier nicht. Aber sein "Team Stronach" ist eine Bedrohung für ÖVP und FPÖ, weil er Wähler am rechten Rand anzieht. Seitdem er 2012 angefangen hat, dort politisches Personal abzuwerben und in Windeseile eine eigene Fraktion im Nationalrat zusammenschusterte, ist die politische Elite alarmiert. In der Tat muss man den Mann ernst nehmen. Seine Umfragewerte liegen bei zehn Prozent. Und seine Partei droht das gewohnte Gleichgewicht von ÖVP und SPÖ im Bund und den Ländern zu destabilisieren. Zum Bärenwirt sind viele Menschen auch gekommen, weil sie den Mann aus der Nähe sehen wollen, der Erwin Pröll seine 50 Prozent kosten dürfte. Und der damit jenen Mann beschädigen könnte, der seit nicht weniger als 20 Jahren Ministerpräsident ist und in Österreichs Politik viele dicke Strippen zieht.

Der 3. März ist erst der Beginn eines Superwahljahres. Weitere Landtagswahlen in Tirol und Salzburg folgen, im Herbst dann die Nationalratswahl. Die gar nicht so erfolglose Regierungskoalition in Wien funktioniert zwar, aber ihr Image bleibt mies, obwohl die Wirtschaftsdaten des Landes hervorragend sind. Doch die Wähler haben den Status quo satt. Die Grünen, die den vielen Korruptionsskandalen der vergangenen Monate immer sauber entstiegen sind, gelten vielen traditionskonservativen Menschen wegen ihres Programms als nicht wählbar, und die rechtspopulistische FPÖ wird den Schmuddelkindgeruch ihres Ex-Zampanos Jörg Haider nicht los, auch wenn sie sich ab und zu seriös gibt. Die Politik in Bund und Ländern jedenfalls ist durcheinander geraten, und der weißhaarige Businessman Frank Stronach könnte einer der Profiteure der Sehnsucht nach einem Neuanfang sein.

Das allzu Differenzierte liegt ihm nicht

Dass Stronach zwar Spitzenkandidat seiner Partei in Niederösterreich ist, aber kein Mandat auf Landesebene annehmen will - wen stört das schon? Dass er als kanadischer Staatsbürger, der sein Vermögen im schweizerischen Zug verwalten lässt, schon aus steuerrechtlichen Gründen regelmäßig das Land verlassen muss - na und? Dass er, wenige Tage vor zwei wichtigen Landtagswahlen, knapp sechs Monate vor der Nationalratswahl, noch kein Programm hat, welches weit über seine drei Lieblingsbegriffe "Wahrheit, Transparenz, Fairness" hinausgeht - was soll's?

Stronach ist sein eigenes Programm: einfacheres Steuersystem, weniger Parteibuchwirtschaft, weniger Verwaltung, weniger Einfluss für Brüssel, dafür mehr Macht für einen wie ihn, der längst bewiesen hat, dass er Geld vermehren kann. Und was in der Wirtschaft geht, das geht auch in der Politik. Sagt er.

In Kärnten hat der Parteichef weit weniger Aufritte, der dortige Machtkampf ist unübersichtlicher, und das Unübersichtliche, das allzu Differenzierte liegt ihm nicht. In Klagenfurt kämpft Landeshauptmann Gerhard Dörfler, Nachfolger des verunglückten Jörg Haider, um seine Wiederwahl. SPÖ, ÖVP und Grüne sind wild entschlossen, ihn nicht mehr zum Landeshauptmann zu wählen, selbst wenn die rechtspopulistische FPÖ, die sich hier FPK nennt, stärkste Partei werden sollte. Alles, aber nicht mehr Dörfler.

Man werde alles tun, um Kärnten aus der Verstrickung in das Haider-System mit seiner endemischen Korruption und seiner deutsch-nationalen Ideologie zu befreien, heißt es. Die FPK bestreitet, dass es Korruption und ein System Haider gibt. Das Team Stronach, das mit einem ehemaligen SPÖ-Bürgermeister antritt, soll, so ist zu hören, eingebunden werden in die Pläne der Anti-FPK-Koalition. Es soll Verhandlungen geben, um gemeinsam den SPÖ-Mann Peter Kaiser zum Landeshauptmann zu küren. Dann wäre die Neu-Partei tatsächlich Teil eines Neuanfangs.

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