Wahlkampf in Frankreich:Wie Sarkozy den Zauber zurückzwingen will

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy setzt im Wahlkampf auf eine Gruppe Vertrauter, die ihm schon vor fünf Jahren zum Sieg verhalfen: eine kämpferische Katholikin, einen mysteriösen Pariser aus der rechten Ecke und eine selbstbewusste, modisch-elegante "Parisienne".

Stefan Ulrich, Paris

Nicolas Sarkozy sehnt sich nach der "Magie von 2007", erzählen seine Getreuen. Damals eroberte der Kandidat der Gaullisten Frankreich im Sturm. Die Franzosen begeisterten sich für seine Dynamik, Willenskraft und sein Versprechen, ihr etwas verschlafenes Land in die Moderne zu führen. Fünf Jahre später ist die Euphorie verflogen. Sarkozy ist so unbeliebt wie noch nie ein Präsident der Fünften Republik. Doch nun ist wieder Wahlkampf, und so versucht er, den Zauber zurückzuzwingen.

Nicolas Sarkozy tritt in Praesidentschaftswahlkampf ein

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, hier im Jahr 2009, soll sich nach der "Magie von 2007" sehnen - und setzt bei seinem Wahlkampf auf ein bewährtes Team.

(Foto: dapd)

Sarkozy setzt dabei weitgehend auf seine Mannschaft von damals. Henri Guaino wird wieder seine Reden schreiben, Franck Louvrier die Medienlandschaft pflegen, Brice Hortefeux, der zeitweilige Innenminister, die Vorschläge der gegnerischen Sozialisten zerpflücken. Vor allem aber dürften diese Kampagne drei Menschen prägen: Emmanuelle Mignon, Patrick Buisson und Nathalie Kosciusko-Morizet.

Die Rückkehr der 43 Jahre alten Madame Mignon ist das Beste, was dem bedrängten Präsidenten passieren konnte. Die blitzgescheite Absolventin der Elitehochschule Ena soll, wie 2007, das Wahlprogramm Sarkozys gestalten, Leitideen prägen, Argumentationsmuster erstellen - kurzum, den Kopf der Kampagne geben. Vor fünf Jahren war die einstige Jesuitenschülerin und Pfadfinderin eine Architektin des Erfolgs. Sie setzte sich für das Konzept der "Rupture" ein, des Bruchs mit dem alten, von Bürokratie, Staatswirtschaft und Machtcliquen geprägten Frankreich. Stattdessen plädierte sie für Marktwirtschaft, Unternehmergeist und Liberalismus.

Nach Sarkozys Sieg gehörte die kämpferische Katholikin zum engsten Machtzirkel im Élysée. In der höfischen Welt der Berater, Günstlinge und Palastdiener fiel sie mit ihrer burschikosen Erscheinung und ihrer forschen, unverblümten Art aus dem Rahmen. Ihre Auseinandersetzungen mit dem heutigen Innenminister Claude Guéant, einem kalten Strippenzieher, wurden Legende. Langsam geriet sie ins Abseits. Enttäuscht von der halbherzigen Reformpolitik Sarkozys, verließ sie Ende 2009 den Élysée, um erst zum Staatsrat und dann in die Filmindustrie zu wechseln. Nun will die passionierte Bergsteigerin dem Präsidenten helfen, in den Umfragen nach oben zu klettern.

"Dieser Mann liebt die Kulissen und scheut das Licht"

Im Wahlkampfteam wird Mignon, wie vor fünf Jahren, auf eine mysteriöse Gestalt treffen, den Politikberater Patrick Buisson. Der 62 Jahre alte Historiker mit dem kahlen Schädel und der Intellektuellenbrille gilt in Paris als Prototyp der grauen Eminenz. "Dieser Mann liebt die Kulissen und scheut das Licht", schreibt das Magazin Nouvel Observateur. Der frisch gewählte Sarkozy sagte 2007, es gebe nur wenige Menschen, denen er seinen Erfolg verdanke. "Patrick Buisson gehört zu ihnen."

Der Pariser kommt aus der ganz rechten Ecke. Er schlug sich während des Studiums als Funktionär einer ultrarechten Studentenorganisation mit linken Kommilitonen herum, sympathisierte mit der Terrorgruppe OAS, die gegen die Unabhängigkeit Algeriens kämpfte, arbeitete als Journalist für rechtsextreme Zeitungen und knüpfte Kontakte zum Front National und zu dessen damaligem Präsidenten Jean-Marie Le Pen. Später verdingte sich Buisson als Berater verschiedener Politiker. Sein Traum: eine geeinte Rechte in Frankreich.

2005 stieß der öffentlichkeitsscheue Mann als Berater zum damaligen Innenminister Sarkozy. Im Wahlkampf 2007 versorgte er den Kandidaten mit Ideen, die die rechtskonservativen Wähler betörten und dem Front National abspenstig machten; zum Beispiel ein Ministerium für Nationale Identität. Inzwischen gehört Buisson zu den wichtigsten Einflüsterern des Präsidenten. Wie es heißt, telefonieren die beiden mehrmals täglich miteinander. Der Berater versucht, Sarkozys Kampagne nach rechts zu rücken. "Eine Präsidentschaftswahl entscheidet sich nicht im Zentrum, sondern beim Volk", sagt er. Sarkozys neue Idee, Volksentscheide über die Behandlung von Arbeitslosen und Ausländern abzuhalten, soll von Buisson stammen.

"Eine Ameise mit Zähnen"

Ein Gegengewicht zu diesem Schattenmann bildet eine strahlende junge Frau. Die 38 Jahre alte Nathalie Kosciusko-Morizet, NKM genannt, soll Sarkozys Kampagnensprecherin werden. Selbstbewusst, ehrgeizig, umtriebig, modisch-elegant, scheinbar mühelos Karriere und Familie managend, entspricht sie dem Bild der modernen "Parisienne". Sie wirkt zart, fast zerbrechlich, ist aber eine harte Arbeiterin. Sie selbst sagt, sie sei "eine Ameise mit Zähnen". Ex-Präsident Chirac nannte sie eine "Nervensäge".

Zu Kosciusko-Morizets Vorfahren gehören Politiker, Diplomaten, ein polnischer Freiheitsheld und Lucrezia Borgia. Sarkozy beschloss 2007, mit der jungen Frau sein Kabinett zu bereichern. Er machte sie zunächst zur Staatssekretärin im Umweltministerium, wo sie sich mit ihrem Minister Jean-Louis Borloo anlegte. Sie warf ihm öffentlich "Feigheit" vor. Dafür musste sie sich zwar vor der Regierung entschuldigen, wurde aber in ganz Frankreich bekannt.

Nach einer zwischenzeitlichen Verbannung ins Amt einer Staatssekretärin für Internetwirtschaft machte sie der Präsident Ende 2010 zur Ministerin für Umwelt, Transport und Wohnungswesen und damit zum viertmächtigsten Mitglied seiner Regierung. NKM dankte es mit Loyalität und beherzten Angriffen auf den Front National. Als Kampagnensprecherin soll sie nun zugleich einen modernen, jungen, weiblichen und umweltbewussten Gaullismus repräsentieren.

Nicolas Sarkozy kann bei seiner Aufholjagd somit auf starke, hochmotivierte Leute bauen. Um jedoch bis zum ersten Wahlgang in 66 Tagen die Magie von 2007 wiederzubeleben, werden sie schon zaubern müssen.

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